Copyright-Wahn«Das ist einfach absurd»
Ein Schweizer YouTube-Nutzer verliert seinen Account, weil er mit der Coverversion eines Red-Hot-Chili-Peppers-Songs die Nutzungsbedingungen verletzt haben soll. Das Problem: Der Bassist der Band rief mit einem Wettbewerb selber dazu auf.
Sebastiano Mereu hat ein Hobby, das er mit Tausenden von Menschen rund um den Globus teilt: Er spielt bekannte Songs auf der Ukulele nach, filmt die Performance und stellt das Video auf YouTube. Mehr als 100 solcher Minikonzerte veröffentlichte der Musiker seit Ende 2008 online. Insgesamt wurden diese über 500 000 Mal aufgerufen, über 1000 YouTube-Nutzer abonnierten seinen Kanal.
Wettbewerbs-Teilnahme führt zu Account-Sperrung
Dieser Kanal wurde jetzt von YouTube ohne Vorwarnung gesperrt. Stein des Anstosses war dabei eine Coverversion des Red-Hot-Chili-Peppers-Songs «Soul To Squeeze», den er im Rahmen eines Wettbewerbs online stellte. Pikantes Detail: Dieser Wettbewerb wurde von Flea, dem Bassisten der Band, selber ins Leben gerufen. «Ich erhielt eine Nachricht von YouTube, dass Warner Music Group zwei Covers gefunden habe, die ihre Rechte verletzen und deswegen entfernt werden», erzählt der 32-Jährige auf Nachfrage von 20 Minuten Online.
«Keinerlei Vorwarnung»
«Die überwiegende Mehrheit meiner Videos sind Coverversionen von bekannten Songs. Ich dachte mir schon, dass das zu Problemen führen könnte. Deshalb wollte ich YouTube kontaktieren, um nachzufragen, welche Videos problematisch sind und sie dann selber vom Netz nehmen.»
Dazu sollte es aber gar nicht erst kommen: Als er sich am nächsten Morgen einloggen wollte, erhielt er die Nachricht, dass sein Account gesperrt worden sei. «Ich erhielt keinerlei Vorwarnung. Dabei müsste man eigentlich benachrichtigt werden, wenn ein solches Problem vorliegt», zeigt sich Sebastiano enttäuscht von der harschen Reaktion. «Ein Bekannter von mir, der ebenfalls Ukulele-Versionen auf YouTube hochlädt, erhielt erst heute eine solche Warnung - beim dritten Mal wird sein Account gelöscht. In der Szene gibt es auch andere Beispiele dafür.»
Unverhältnismässig hartes Vorgehen
Grundsätzlich hat der Musiker Verständnis dafür, dass die Labels ihre Rechte durchsetzen wollen, aber dieser besondere Fall geht ihm gegen den Strich: «Es ist ok, wenn die Plattenfirmen auf die Gratispromotion verzichten wollen, die ihnen diese Coverversionen einbringen. Aber wenn ein Künstler selber dazu aufruft, sie online zu stellen, dann ist solch ein hartes Vorgehen doch einfach absurd und lächerlich.»
Marcus Van Lier von Warner Music Schweiz sieht die Schuld nicht beim Label: «In solchen Fällen greifen automatische Filter, das können wir nicht beeinflussen. Ich habe beispielsweise schon von Fällen gehört, in denen unsere Künstler Probleme mit MySpace hatten, weil ihre eigenen Videos von diesen Filtern als Copyright-Verletzung eingestuft wurden.» Genaueres konnte Van Lier nicht sagen, Warner Music Schweiz sei für solche Belange nicht direkt zuständig. Eine entsprechende Anfrage an Warner Music Digital in Hamburg blieb bis anhin unbeantwortet.
YouTube-Sprecher bestätigt Automatismus, aber...
Betrieben wird YouTube von Google. Auf Anfrage von 20 Minuten Online bestätigt Google-Sprecher Henning Dorstewitz, dass Rechteinhabern ein System zur Verfügung steht, das automatisch meldet, wenn bei einem Video der Verdacht auf eine Verletzung ihrer Urheberrechte besteht. «Der Rechteinhaber erhält in solchen Fällen eine Nachricht und kann der Sache nachgehen. Er hat dann drei Möglichkeiten: Das rechteverletzende Video wird automatisch gesperrt, es wird auf der Plattform gelassen und kann zu Statistik-Zwecken ausgewertet werden, oder - und diese Variante nutzen die meisten Contentpartner - das Video bleibt auf YouTube und wird mit Werbung versehen freigeschaltet. Der grösste Teil der Einnahmen aus dieser Werbung geht dann an den Rechteinhaber, der Rest bleibt bei uns als Plattform-Betreiber.» Die Entscheidung liege immer beim Rechteinhaber, hier also bei Warner Music.
In jedem Fall sei es aber so, dass der Nutzer, der das fragliche Video hochgeladen hat, drei Warnungen erhält, bevor sein Account gesperrt wird. Das sei aus der Sicht von YouTube auch bei Sebastiano geschehen - was dieser explizit bestreitet.
Musiker wehrt sich mit seiner Ukulele
Derweil versucht Sebastiano die ganze Geschichte mit Humor zu nehmen: Als Antwort auf die Sperrung seines ursprünglichen Accounts, stellte er unter neuem Namen einen original «Warner Love Song» auf YouTube, in dem er seine Misere musikalisch verarbeitet - begleitet von der obligaten Ukulele.