Eurovision: Finnland schickt Monster gegen Claudia & Co.
Während die Schweizer Vertreter von Six4one mit Claudia D'Addio & Co. mit einem Wohlfühlsong für eine bessere Welt singen, schickt Finnland eine bitterböse Heavy-Metal-Truppe an den Start: Die Band Lordi singt über Massenmörder und den Teufel, ihre Mitglieder sind als Monster verkleidet, und auf der Bühne werden bluttriefende Fleischstücke zersägt.
Sie sehen aus wie Freddy Krüger im Fünferpack: Die bösen Finnen von Lordi tragen Satansflügel aus Latex, singen Songs wie «Chainsaw Buffet» (Kettensägen-Buffet) und veranstalten auf der Bühne regelmässig schockierende Rituale mit rohem Fleisch. Kurz: Mit typischem Eurovision-Schlager- und Schmusepop hat die Horror-Truppe ungefähr so viel gemeinsam wie Céline Dion mit Ozzy Osbourne. Trotzdem wurden Lordi von ihren Landsleuten an den diesjährigen Eurovision Song Contest in Griechenland geschickt, welcher am 18. (Halbfinale) und am 20. Mai 2006 (Finale) in Athen über die Bühne gehen wird.
Die Nomination der Grusel-Rocker führte in Finnland zu einer ausgewachsenen nationalen Identitätskrise, wie die «New York Times» am 24. April 2006 schreibt. Finnische Religionsführer warnen davor, dass die Band ihre Zuhörer zu Satansanbetung verführen könnte. Erboste Kritiker forderten die finnische Präsidentin Tarja Halonen dazu auf, ihre politische Macht einzusetzen, um anstelle von Lordi eine traditionelle finnische Folkband nach Athen zu schicken.
Liest man die Texte der Band, kann man den Aufruhr nachvollziehen: Massenmörder, Kettensägen und der Teufel kommen darin regelmässig vor. Auch der offizielle Beitrag «Hard Rock Hallelujah» enthält Eurovision-untypischen Zündstoff: «The Saints are crippled, On this sinners' night, Lost are the lambs with no guiding light...It's the apocaplypse, now bare your soul...Wings on my back, I got horns on my head, my fangs are sharp, and my eyes are red, not quite an angel, or the one that fell, now choose to join us or go straight to hell!» (Zu deutsch: «Die Heiligen sind verkrüppelt in dieser sündigen Nacht, verloren sind die Lämmer ohne ein richtungsweisendes Licht…Das ist die Apokalypse, öffne jetzt deine Seele…Ich habe Flügel am Rücken, ich habe Hörner auf meinem Kopf, meine Krallen sind scharf und meine Augen sind rot, nicht ganz ein Engel, oder der Gefallene, entscheide dich jetzt, dich uns anzuschliessen oder fahr direkt zur Hölle!»
Der Leadsänger von Lordi, Tomi Putaansuu, ein ehemaliger Filmstudent, nimmt die Aufregung gelassen. Für ihn ist der öffentliche Aufschrei lediglich ein Symptom für die Unsicherheit des jungen, kleinen Landes, das seine Souveränität erst im Jahr 1917 erlangte. Putaansuu: «In Finnland haben wir keinen Eiffelturm, keine wirklich bekannten Künstler, es ist extrem kalt und wir leiden an zu wenig Selbstvertrauen.» Alex Nieminen, ein finnischer PR-Manager, erklärt den Kultstatus der Band gegenüber der «New York Times» wie folgt: «Lordi repräsentieren eine Rebellion von Finnen, die sagen: 'Hey, wir sind nicht die Nokia-schwingenden Leute, als die uns unsere Regierung gerne sehen würde'.»
Ob die Schock-Rocker von Lordi mit ihren Auftritt «zero points» machen oder in die oberen Ränge vorstossen werden, kann niemand voraussagen. Sicher ist nur, dass ihre Show in die Geschichte des Wettbewerbs eingehen wird – und dass harmlose Acts wie die der braven Schweizer von Six4one neben Lordi wohl blass aussehen werden.
(gbr)