Vergwaltigung in Schmitten: Ist Bushido schuld?

Aktualisiert

Vergwaltigung in Schmitten: Ist Bushido schuld?

Ein Schweizer türkischer Herkunft ist wegen Vergewaltigung einer Bernerin und wegen Verleitung Minderjähriger zur Prostitution verurteilt worden. Der Anwalt der Opfer gibt auch dem Rapper Bushido eine Mitschuld.

Der Fall schockte die ganze Schweiz: 2005 hatte der damals 17-jährige Haupttäter mit mindestens sechs weiteren Jugendlichen eine 17-jähriges Mädchen vergewaltigt (siehe Infobox). Nun wurden drei heute 20- und 21-jährige Haupttäter zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Drei Frauen, drei Opfer, zwei Anwälte: Der Rechtsbeistand von zwei der drei Mädchen gibt nun dem deutschen Rapper Bushido eine Mitschuld an den Vorfällen. Der verherrliche sexuelle Gewalt und habe grossen Einfluss auf die Täter gehabt. Seine Botschaften würden für eine Verrohung sorgen, so der Advokat.

Poster-Boy der Angst

Ein heikles Thema: Kam man Musik für die kriminellen Aktivitäten von Individuen verantwortlich machen? In der Vergangenheit wurde dies immer wieder versucht. Eines der letzten Beispiele war das Massaker an der US-Schule in Columbine. Schock-Rocker Marilyn Manson habe die Mörder massiv beeinflusst, so der Tenor vieler Kommentatoren. «Es ist mir klar, dass sich auf mich losgehen, da es einfach ist, mein Gesicht am TV zu zeigen. Schlussendlich bin ich ein Poster-Boy für die Angst, weil ich das darstelle, wovon alle Angst haben, nämlich seine eigene Meinung zu äussern […]», wehrte sich damals Marilyn Manson selbst im Michael-Moore-Film «Bowling for Columbine».

Die Liste ähnlicher Anschuldigungen ist lang: Der Beatles-Song «Helter Skelter» soll dem Massenmörder Charles Manson und seine Gang zum Mord an die Schauspielerin Sharon Tate verleitet haben. Die deutsche Band «Einstürzenden Neubauten» sollen mit ihrem Song «Armenia» angeblich für diverse Selbstmorde von Jugendlichen verantwortlich gewesen sein. Kurt Cobains Selbstmord soll auch Vorbildcharakter für seine Fans gehabt haben.

Satanische Verse

1985 planten zwei US-amerikanische Jugendliche, James Vance (damals 20) und Raymond Belknap (19), gemeinsam mit einem Gewehr Selbstmord zu begehen. Sie trafen sich auf einem Spielplatz in Reno (Nevada) und setzten sich unter Drogen. Belknap erschoss sich. Vance wollte ihm folgen, überlebte aber mit einem von da an grausam entstellten Gesicht. Seine Eltern klagten daraufhin gegen die englische Heavy-Metal-Band Judas Priest. Ihre Argumentation: Ihr Sohn sei ein zufriedener Junge in einer glücklichen Familie gewesen. Nur die satanische Musik von Judas Priest könne ihn zu einer solchen Tat getrieben haben.

1990 kam es zum Verfahren gegen Judas Priest. Im Gerichtssaal in Nevada (wo die gesamte Band auf der Anklagebank sass) wurde daraufhin die Musik von Judas Priest auf versteckte Botschaften untersucht. Es wurden kurze Ausschnitte des Songs «Better By You, Better Than Me» vorgespielt, in denen die Aufforderung «do it» ('tu es!') im unterschwelligen Bereich versteckt seien. Die Ankläger sahen darin einen Aufruf zum Selbstmord. Judas-Priest-Sänger Rob Halford kommentierte den Vorwurf, wenn schon hätten sie unterschwellige Botschaften dazu benutzen müssen, ihre Fans aufzufordern, mehr Judas Priest-Platten zu kaufen. Es wäre ja kontraproduktiv, seine Fans zum Selbstmord aufzurufen. Der Richter entschied, dass die «Botschaften» zufällig waren, die Band wurde freigesprochen. James Vance starb 1988 an einer Überdosis Medikamente.

«Ich oder der Präsident?»

Wie gross ist der Einfluss von Musik auf Individuen? Dazu Marilyn Manson: «Zur selben Zeit [als das Columbine-Massaker stattfand] bombardierte unser Präsident fremde Länder – doch ich werde angeklagt, weil ich ein paar Rock'n'Roll-Songs singe. Nun, wer hat grösseren Einfluss auf die Nation? Ich oder der Präsident?» Was ist ihre Meinung zu dem Thema? Polarisiert ein Rapper wie Bushido mit seinen Texten unsere Jugend? Oder werden gesellschaftliche Probleme auf Musik abgewälzt?

(obi/phi)

Der Fall «Schmitten»

Die erste schlimme Tat ereignete sich im Juli 2005. In einer Wohnung im Dorf Schmitten im Kanton Fribourg haben sich der Haupttäter, ein 17jähriger Schweizer türkischer Abstammung, sein ein Jahr älterer Bruder, mindestens fünf Jugendliche aus dem Balkan und eine 17jährige Bernerin getroffen. Die Täter machen sich über das Mädchen her, vergewaltigen sie. In der Jugendsprache wird so was «Gang Bang» genannt.

Im Jahr 2006 schlug der heute 20jährige Haupttäter wieder zu. Er hatte Geschlechtsverkehr mit zwei damals 15-jährigen Mädchen und verleitete sie daraufhin zur Prostitution. Zusammen mit einem heute 38jährigen Hauswart aus seinem Dorf kassierte er ab, als die Minderjährigen anderen Jugendlichen, aber auch einem heute 48-Jährigen ihre Liebesdienste anboten, berichtet der Zürcher «Tages-Anzeiger».

Abschätzige Äusserungen über das Opfer vor Gericht

Den genauen Sachverhalt der ersten Tat konnte das Bezirksgericht in Tafers «nicht restlos» klären. Der Hauptangeklagte bestritt den Gangbang nicht und sagte aus, der Verkehr habe mit Einwilligung der Bernerin stattgefunden. Doch seine abschätzigen Äusserungen über das Opfer überzeugten das Gericht vom Gegenteil. Zudem hatten mehrere Personen den üblen Akt mit ihren Mobiltelefonen gefilmt, während das Opfer in Chatrooms über die Erniedrigung der Vergewaltigung klagte.

Diese Indizien führten zum gestrigen Urteil: Der Hauptangeklagte wurde wegen der Vergewaltigung und weiterer Vergehen zu drei Jahre Haft verurteilt. Zwei weitere Angeklagte, die heute 21 Jahre alt sind, bekamen drei Jahre Gefängnis, davon 12 Monate ohne bedingten Strafvollzug, und 18 Monate bedingt. Allerdings ist einer der beiden inzwischen untergetaucht. Alle drei müssen dem Opfer 25'000 Franken Genugtuung zahlen, der ältere Bruder des Haupttäters wurde freigesprochen. Auch das Zuhältergeschäft mit den Minderjährigen ist bei Gericht durch. Der Hauswart und der heute 48jährige Freier wurden zu Geldbussen verurteilt.

hier. Achtung: Explizite Lyrics.

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