TV-Beschiss: Rührender «Opern-Amateur» ist Pavarotti-Schüler

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TV-Beschiss: Rührender «Opern-Amateur» ist Pavarotti-Schüler

Ein walisischer Handy-Verkäufer rührte mit seinem TV-Auftritt in der Casting-Show «Britain's Got Talent» die ganze Welt zu Tränen. 20minuten.ch hat herausgefunden, was die Moderatoren der Sendung und der Sänger verschweigen: Paul ist ein ausgebildeter Opern-Profi.

«Ich liebe Shows, in denen jemand auftritt, der kein Profi ist, aber ein Talent hat, dessen er sich selbst nicht bewusst ist, und der einen normalen Job hat - und dann sieht man etwas Anderes. Das mag ich.» Diese Worte sagte der Casting-Juror Simon Cowell über die Performance von Paul Potts, dem Handyverkäufer aus dem südlichen Teil von Wales. Millionen von Zuschauern ging es genau gleich: Pauls Darbietung der Arie «Nessun Dorma» aus Giacomo Puccinis Oper Turandot ging als YouTube-Video um die Welt (20minuten.ch berichtete).

Auch auf seiner MySpace-Seite markiert Paul Potts den bescheidenen Mann. «Für Paul Potts scheint die Welt des Showbiz (im Moment) Millionen Meilen entfernt... Paul wollte schon immer eine Karriere als Sänger, aber Selbstvertrauen war schon immer ein schwieriges Kapitel für ihn, er fand es immer schwierig, vollständig auf sich zu vertrauen... (Durch seinen Auftritt) hat dieser Mann die Oper für immer verändert, seine Ausstrahlung erreicht alle Arten von Menschen aus allen Schichten, weil er ein gewöhnlicher, alltäglicher Mann ist, den man hinter dem Verkaufstresen oder im Supermarkt beim Wägelchenschieben sieht» - so steht es in seiner Online-Biografie.

Pauls Vergangenheit wird in der Sendung unterschlagen

Was Paul tat, bevor er Handyverkäufer wurde - darüber verlieren die Moderatoren der Sendung sowie der neue Star kein Wort. 20minuten.ch hat recherchiert - und Erstaunliches herausgefunden: Paul Potts ist nicht «ein Stück Kohle, dass sich in einen Diamanten verwandelt», wie das die Jurorin Amanda Holden nach seinem Auftritt sagte - und er ist auch nicht «jemand, der kein Profi ist», wie Simon Cowell behauptete.

Im Gegenteil: Paul Potts ist ausgebildeter Opern-Profi. Noch im Jahr 2003 sang er an der Oper in der historischen Stadt Bath in Südengland die Rolle des Radames in der Oper Aida. Auch kann er auf eine erfolgreiche Karriere als Sänger zurückblicken. Seine Biografie auf der Homepage der «Bath Opera» liest sich wie folgt: «Paul, der bei Ian Comboy studiert hatte, ist von Auftritten am nationalen und lokalen TV und Radio bekannt. Er hat zwei Sommer in Norditalien mit Touren verbracht und liess sich an einer der wichtigsten Opernschulen ausbilden. Seine Meisterschulen absolvierte er bei Vilma Vernocchi, Katia Ricciarelli und Luciano Pavarotti. Er hatte auch Auftritte mit dem Royal Philharmonic Orchestra. An der Bath Opera hat er die Rollen des Don Basilia (Die Hochzeit des Figaro), Don Ottavio (Don Giovanni) und die Titelrolle in Verdis Don Carlos gesungen.»

Schüler von Vilma Vernocchi, Katia Ricciarelli und Luciano Pavarotti - Paul Potts ist alles andere als ein gewöhnlicher Verkäufer von Mobiltelefonen. Verschwiegen wird die Vergangenheit nur gut versteckt auf der Homepage der Sendung nicht - nur hier ist von seiner italienischen Ausbildung die Rede, und auch davon, dass er «in vier halb-professionellen Opern im Vereinigten Königreich und einigen Konzerten» aufgetreten sei. Weiter heisst es: «Seine stolzeste Performance war mit dem Philharmonic Orchestra vor 15'000 Leuten».

In der TV-Sendung und auf Pauls MySpace-Portal liest man davon kein Wort. Das werden wohl bald auch die vielen neu gewonnen Fans in England erfahren. Ob sie Paul am Ende enttäuscht den Rücken zukehren werden, bleibt abzuwarten.

Gabriel Brönnimann, 20minuten.ch

Auch bei seinem zweiten Auftritt, bei dem Paul Botts mühelos die nächste Runde erreichte, wurde die Geschichte vom «einfachen Mann mit grossem Talent» wieder erzählt, wie Sie im YouTube-Video sehen können.

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