Gemeinde bringt Pflegekind bei Prostituierten unter

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Gemeinde bringt Pflegekind bei Prostituierten unter

Weil ihre leibliche Mutter psychisch krank war und ihr Vater im Ausland lebte, wurde die fünfjährige Sonja von der Aargauer Gemeinde Reinach in die Obhut einer Prostituierten gegeben. Auch eine zweite Pflegemutter arbeitete im Sexgewerbe.

Die heute 16-jährige Gymnasiastin Sonja hatte Angst davor, alleine in einem Raum zu sein. Sie konnte nur duschen, wenn sich ihre heutige Pflegemutter Karin Landolt im selben Raum befand.

In ihrem jungen Leben hat Sonja schon einiges mitgemacht: Vor elf Jahren wurde ihren leiblichen Eltern das Sorgerecht entzogen. Die psychisch kranke Mutter war alleinerziehend und konnte sich nicht mehr um das Kind kümmern.

«Musste mir selber das Essen machen...»

Ein Sozialarbeiter der Gemeinde Reinach wurde Sonjas Beistand. Er brachte das Mädchen bei einer Pflegemutter unter - einer Prostituierten. Sonja hat diese Jahre nicht verarbeitet, ist immer noch traumatisiert. Gegenüber der «Rundschau» von Schweizer Fernsehen erzählte sie, wie ihr Alltag bei der Sexworkerin aussah: «Sie arbeitete als Prostituierte und hat nicht auf mich aufgepasst. Im Kindergarten, der ersten Klasse, stand ich alleine auf am Morgen. Das Mittagessen habe ich mir selber gemacht. Manchmal war sie in der Nacht weg und liess mich alleine zu Hause. Es waren immer viele verschiedene Männer dort ... ja, so habe ich das erlebt.»

Von einer Prostiutierten zur nächsten

Nach dem Tod der Prostituierten wurde Sonja an eine andere Pflegemutter vermittelt - wieder an eine Frau, die im Sexgewerbe tätig war.

Erst im dritten Anlauf wurde das Mädchen in ein kindgerechtes Umfeld integriert. Sonjas heutige Pflegemutter Karin Landolt anwortete auf ein Zeitungsinserat, in dem eine «liebe Pflegefamilie für ein 9-jähriges, fröhliches Mädchen» gesucht wurde.

«Der Beistand wird seine Gründe gehabt haben»

Doch wie ist es möglich, dass ein Pflegekind von einer Gemeinde zweimal an Prostituierte vermittelt wird? Martin Heiz, Gemeindeammann von Reinach, wiegelte gegenüber der «Rundschau» ab: «Richtig, im Protokoll steht, dass das Kind wieder zu einer Frau umplatziert wurde, die im Sexgewerbe arbeitete. Der Beistand muss wissen, warum. Der wird seine Gründe gehabt haben.»

Und das ist längst nicht alles: Die Ausgleichskasse bezahlt rund 1300 Franken für die heute 16-jährige Schülerin, die Pflegemutter bekommt nur 880 Franken. Martin Heiz verteidigt diesen Betrag. Für ihn gelte auf Nachfragen der «Rundschau» schliesslich «unterschrieben ist unterschrieben», denn Sonjas Pflegeeltern haben dem Vertrag zur Pflegeübernahme mit dem vereinbarten Betrag zugestimmt.

(rre/SF)

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