Grosis, Briten, Postautos - alles fror fest

Aktualisiert

So wars 1987Grosis, Briten, Postautos - alles fror fest

Vor 25 Jahren legte sich eine sibirische Kältewelle über die Schweiz und Europa. Wasserrohre platzten und WCs in Flugzeugen froren ein. Ein Schwan rang gar mit dem Tod, weil sein Schnabel vereist war.

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Es ist kalt in der Schweiz: Minus 8 Grad in Schaffhausen, minus 7 in Basel. In den nächsten Tagen soll das Thermometer auch im Flachland in den zweistelligen Minusbereich fallen. «So eine Kältewelle gab es letztmals 1987», sagen die Meteorologen. Doch damals, das zeigt ein Blick in alte Zeitungen, herrschten wirklich eisige Temperaturen.

In La Brévine wurden am 12. Januar 1987 minus 41,8 Grad gemessen - bis heute Schweizer Kälterekord. Im Juradorf führten diese Tiefsttemperaturen zu absurden Ereignissen. So blieb das Postauto, das La Brévine mit Le Locle verbindet, am Morgen nach der kältesten Nacht mitten im Dorf stehen. Die Bremsen waren nach einem Stopp festgefroren. Es dauerte über eine Stunde, bis es weiterfahren konnte. Während dieser Zeit mussten unzählige Fahrgäste an den Haltestellen warten und bitterlich frieren.

Kindergarten ohne Heizung

Kleben blieb auch die 60-jährige Grossmutter Janine H. Sie hatte ohne Handschuhe die Türe ihres Hauses in La Brévine von aussen schliessen wollen und kam nicht mehr von der Klinke los. «Als ich mich losgerissen hatte, sah die Haut an der Hand wie verbrannt aus», zitiert sie der «Blick».

Kalt war es nicht nur im Juradorf. Auch im thurgauischen Tänikon wurden zwischen 9 und 10 Uhr morgens minus 30 Grad gemessen. Basel meldete -23 Grad, Zürich -21. Wegen den tiefen Temperaturen barsten zahlreiche Wasserleitungen und Heizungen stiegen aus. So auch im Kindergarten Gurremosli an der Grubenstrasse in Urtenen BE. Kindergärtnerin Beatrice Jaussi schickte die Kleinen aber nicht nach Hause, sondern liess sie zusätzliche Pullis und Socken anziehen und viel heissen Tee trinken.

Asyl für frierende britische Rentner

Eine ganz spezielle Zugfahrt erlebten an jenem Morgen die Fahrgäste auf der Strecke Rorschach SG – Goldach SG. Weil drei Barrieren eingefroren waren, legte der Zug ungeplante Kältehalte ein: Das Zugpersonal musste vor den Schranken jeweils aussteigen und den Verkehr regeln, während der Zug langsam die Strasse überquerte. In der ganzen Schweiz gab es Probleme wegen Fahrleitungsstörungen und eingefrorenen Weichen: Die Züge verkehrten mit grossen Verspätungen. Am Flughafen Zürich waren zudem Küchen- und WC-Anlagen in den Jets eingefroren, was auch im Flugverkehr zu grossen Verzögerungen führte.

Die grosse Kälte hatte ganz Europa erfasst. Am 20. Januar 1987 meldeten die Zeitungen, dass schon gegen 350 Menschen wegen der eisigen Temperaturen gestorben seien. Besonders schlimm traf es offenbar Grossbritannien. Jeder zweite Rentner lebte damals in einer Wohnung ohne Heizung. Darum fanden viele ältere Menschen in den eigenen vier Wänden den Tod. Die Not war so gross, dass eine St. Galler Psychologin Schweizer dazu aufrief, englische Rentner bei sich zu Hause aufzunehmen.

10 000 Likörflaschen geplatzt

In der Nähe des deutschen Wintersportorts Berchtesgaden kam es damals zu einem besonders tragischen Todesfall: Ein 15-jähriger Lehrling wurde von einem tonnenschweren Eisklumpen erschlagen.

In Norwegen blieben zahlreiche Züge bei minus 45 Grad stecken, weil die Signale nicht mehr funktionierten und die Weichen festgefroren waren. In einem norwegischen Güterzug, der in einer Schneewächte hängenblieb, platzten 10 000 Likörflaschen weil der 520 000 Franken teure Inhalt gefroren war.

Einem Schwan fror der Schnabel zu

Die Kopenhagener Spitäler schickten die meisten Patienten, die operiert werden sollten, wieder nach Hause. Die Betten brauchten sie für die zahlreichen Menschen, die sich bei Stürzen auf der Strasse etwas gebrochen hatten.

Ein qualvoller Tod drohte am 28. Januar 1987 einem Schwan in Bregenz. Beim Schwimmen auf der Ach war ihm der Schnabel zugefroren. Um das Eis abzustreifen, steckte er seinen Schnabel immer wieder ins kalte Wasser und verschlimmerte so seine Situation zunehmends. Er konnte nicht mehr fressen und kaum noch atmen. Spaziergänger alarmierten darum den Tierschutz und die Polizei. Doch der Vogel liess sich nicht aus dem Fluss locken. Da nahm sich ein Pöstler ein Herz, sprang in den kalten Fluss, packte den Vogel am Hals und brachte ihn ans Ufer. «Als ich das Eis entfernt hatte, quakte er vor Freude und liess sich füttern», erzählte er den Medien.

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