«Wetter wird extremer» – «Das ist Spekulation»

Aktualisiert

Wegen Klimawandel«Wetter wird extremer» – «Das ist Spekulation»

Für Umweltnaturwissenschaftler Alexander Hauri führt der Klimawandel zu mehr Katastrophen wie jetzt auf den Philippinen. Klima-Skeptiker Benny Peiser sieht dafür keinen Beweis.

Hannes von Wyl
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Hannes von Wyl

Vor wenigen Tagen sorgte der Taifun Hayan auf den Philippinen für grosse Zerstörung und kostete Tausende Menschenleben. Momentan wird Sardinien von einem schweren Unwetter mit starken Regenfällen heimgesucht. Ist der Klimawandel für solche Wetterextreme verantwortlich?

Hauri: Der Klimawandel kann nicht für einzelne extreme Wetterereignisse verantwortlich gemacht werden. Es besteht aber eindeutig ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit solcher Katastrophen und dem Klimawandel.

Peiser: Das ist nicht wahr. Wenn es diesen Zusammenhang gäbe, dann hätte die Häufigkeit von extremen Wetterereignissen in den letzten hundert Jahren zunehmen müssen, da die globale Durchschnittstemperatur ja angestiegen ist.

Die Anzahl von Dürren, Überschwemmungen und starken Stürmen hat also nicht zugenommen?

Peiser: Nein. Im kürzlich veröffentlichten Bericht des Weltklimarats wurde kein Anstieg von extremen Wetterereignissen in den letzten hundert Jahren festgestellt.

Hauri: Die Kosten, die durch Naturkatastrophen verursacht wurden, haben sich seit 1980 auf 200 Milliarden Dollar jährlich vervierfacht, wie ein am letzten Montag von der Weltbank veröffentlichter Bericht zeigt. Das ist ein klarer Indikator für eine Zunahme.

Peiser: Das stimmt so nicht. Derselbe Bericht sagt klar, dass der Kostenanstieg auf das Bevölkerungswachstum und den zunehmenden materiellen Wohlstand zurückzuführen ist.

Dann müssen wir in Zukunft auch nicht mit mehr extremen Wetterereignissen rechnen?

Peiser: Die meisten Modelle gehen davon aus, dass sich extreme Wetterereignisse häufen können, wenn die globale Erwärmung weiter voranschreitet. Das ist aber Spekulation.

Hauri: Das sind nicht Spekulationen, sondern die Aussage wissenschaftlicher Modelle, die von einem weltweiten Gremium von führenden Klimaforschern entwickelt wurde. Der erhöhte Anteil von Treibhausgasen führt zu weiterer Erwärmung der Atmosphäre und der Meere. Diese Zunahme an Wärmeenergie in unserem Ökosystem führt zu den Ausprägungen des Klimawandels wie Meeresspiegelanstieg, schmelzende Eisschilder, Dürren und Überschwemmungen.

Peiser: Diese Position wird von vielen Wissenschaftlern vertreten. Bisherige Daten lassen aber den Schluss nicht zu, dass aufgrund einer Erwärmung – wenn sie denn stattfindet – automatisch häufiger extreme Wetterereignisse auftreten. Das Klimasystem ist unglaublich komplex und entwickelt sich chaotisch, was Voraussagen notwendigerweise ungenau macht.

Ist es denn überhaupt möglich, rechtzeitig vor Wetterkatastrophen zu warnen?

Peiser: Die Anzahl der Todesopfer bei Naturkatastrophen hat in den letzten 100 Jahren um 90 Prozent abgenommen, weil die Bevölkerung aufgrund präziser und leistungsfähiger Frühwarnsysteme immer häufiger rechtzeitig evakuiert werden kann.

Hauri: Um auch ärmeren Ländern präzise Frühwarnsysteme zu ermöglichen, sind aber Gelder notwendig. Leider fehlt aber bisher die Bereitschaft, den Klimafonds mit genügend finanziellen Mitteln auszustatten.

Im Moment findet in Warschau die 19. UN-Klimakonferenz statt. Entwicklungsländer wie China und Brasilien wollen ihren historischen CO2-Ausstoss den Industrieländern anlasten, die Verhandlungen stocken. Bleibt es auch dieses Mal bei unverbindlichen Absichtserklärungen?

Hauri: 194 Länder auf ein globales Klimaregime einzuschwören, ist ein extrem schwieriges Unterfangen. Das ist die schwierigste Aufgabe, der die Menschheit in den letzten zwei Jahrzehnten gegenüberstand, und sie ist dringend.

Peiser: Ich bin überzeugt, dass die Chancen auf eine verbindliche Erklärung gleich null sind. Das hat in den letzten Jahren nicht geklappt und wird auch in Zukunft nicht möglich sein.

Die Annahme, dass durch einen geringeren CO2-Ausstoss Naturkatastrophen verschwinden werden, ist ohnehin eine naive Illusion. Die Menschheit muss weiterhin mit extremen Wetterereignissen rechnen. Die Internationale Gemeinschaft sollte sich überlegen, ob die Investitionen in erneuerbare Energien nicht lieber in die Adaption an Naturkatastrophen stecken würden.

Hauri: Es ist falsch und unmoralisch, im Bereich der Massnahmen eine Entweder-oder-Diskussion zu führen. Die Reduktion des Treibhausgasausstosses und die Adaption an veränderte Klimabedingungen schliessen sich nicht aus, im Gegenteil. Der Klimawandel kostet je länger je mehr Menschenleben und Geld. Ein Abwarten kann sich die Menschheit daher nicht leisten. Die Internationale Gemeinschaft muss sofort handeln.

Auch das Wetter in der Schweiz spielte in den letzten Jahren verrückt. Im Hitzesommer 2003 wurden erstmals seit Messbeginn Temperaturen über 40 Grad gemessen, der Februar 2012 brachte eine extreme Kälteperiode mit Temperaturen von Minus 20 Grad im Mittelland. Muss auch die Schweiz vermehrt mit Wetterextremen rechnen?

Hauri: Ich bin überzeugt, dass der Klimawandel auch in der Schweiz Auswirkungen haben wird. Sichtbarstes Beispiel sind die schmelzenden Gletscher in den Alpen. Das bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte ETH-Studie. Demnach ist 2080 die Wahrscheinlichkeit gross, dass jeder zweite Sommer in der Schweiz dem Hitzesommer 2003 gleicht, der europaweit ungefähr 70'000 Menschenleben gefordert hat.

Peiser: Ich kenne die klimatischen Bedingungen in der Schweiz nicht sehr gut. Vor zehn Jahren wurden in Grossbritannien aber trockenere Sommer und niederschlagsreichere Winter prognostiziert. Bisher ist jedoch das Gegenteil eingetroffen.

Das Streitgespräch wurde schriftlich geführt

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