Mikrodosiertes LSD«Ich glaube nicht, dass das etwas bringt»
Nicht nur in den USA, auch hierzulande nehmen Leute Mikrodosen LSD, um besser arbeiten zu können. Ein Schweizer LSD-Forscher ist mehr als skeptisch.
Den Anfang machten 2015 die Soft- und Hardware-Entwickler in den USA. Ein Jahr später greifen auch in der Schweiz Menschen zu mikrodosiertem LSD (Lysergsäurediethylamid). Dies nicht um high, sondern um kreativer zu werden.
Dass dieser Plan aufgeht, bezweifelt Matthias Liechti, leitender Arzt am Universitätsspital Basel. Gemeinsam mit seinem Team erforscht der Klinische Pharmakologe die Wirkung von LSD auf gesunde Menschen.
Herr Liechti, können Sie nachvollziehen, dass Menschen zu Minidosen LSD greifen, um fitter für die Arbeit zu sein?
Nein, das kann ich nicht. In unseren Studien untersuchen wir die Wirkungen von 100 oder 200 Mikrogramm LSD auf den Menschen. Das sind Dosierungen, die einen Trip auslösen können und therapeutisch eingesetzt werden. Bei den Mikrodosen wird – je nachdem – nur ein Zehntel beziehungsweise ein Zwanzigstel davon konsumiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damit eine Steigerung der Leistung und Kreativität bewirkt wird.
Gibt es keine Studien zu solchen Minidosen?
Zu der Mikrodosierung gibt es nur sehr wenige Studien. Letztlich kann ich nicht sagen, ob die reduzierten Dosen wirken oder nicht und was die genaue Wirkung wäre.
Was erhoffen sich die Konsumenten vom Konsum?
Dabei geht es ums Neuro-Enhancement: Gesunde Leute nehmen eine Substanz ein, um zu profitieren. In der Regel, um besser arbeiten zu können. Normalerweise zielt es darauf ab, die Leistung und die Konzentrationsfähigkeit zu steigern. Deshalb greifen manche Menschen auch zu Ritalin. Andere genehmigen sich abends Alkohol – um besser abschalten zu können und sich in einen sozialen Modus zu bringen. Auch das kann karrierefördernd sein, wie schon der Ausdruck «Karrierebier» zeigt.
Mit dem Konsum von LSD kommt nun ein weiteres Element dazu: Dabei geht es weniger um Leistungssteigerung oder Entspannung. Vielmehr dürften die Konsumenten das als Möglichkeit sehen, kreativer zu werden.
Was denken Sie, bekommen die Konsumenten wirklich?
Möglicherweise kann man damit ganz leichte Effekte auf die Psyche auslösen. Vor allem bei Leuten, die sehr empfänglich dafür sind. Bei ihnen könnten Denkfluss und -geschwindigkeit angeregt werden. Auch die Emotionen dürften sich verändern.
Wie das?
Aus unseren Studien wissen wir, dass LSD – in 100 Mikrogramm Dosen – eine Veränderung der Gefühle bewirkt: Man nimmt negative Gefühle weniger negativ wahr. Allerdings hängt das auch immer vom Umfeld ab: Ein angenehmes Umfeld wird möglicherweise angenehmer. Ein aggressives Umfeld könnte aber als bedrohlicher wahrgenommen werden.
Der Schuss könnte also auch nach hinten losgehen?
Grundsätzlich schon. Allerdings ist bei den Mikrodosierungen nicht davon auszugehen, weil nur eine sehr kleine Menge konsumiert wird.
Welche Risiken birgt die Einnahme von geringen Dosen LSD?
LSD bewirkt keinerlei körperliche Schäden. Man müsste eher sagen: Man könnte nicht arbeiten gehen, wenn man 100 oder 200 Mikrogramm zu sich nehmen würde. Das wäre ein voller Trip. Aber bei einer Dosis von 10 Mikrogramm LSD dürfte das ausbleiben.
Man weiss: In den USA haben etwa 15 Prozent der Bevölkerung Erfahrung mit halluzinogenen Drogen. Und die sind in keiner Weise kränker als andere – weder körperlich noch psychisch. Im Gegenteil: Die Hospitalisierungsrate in Psychiatrien ist bei diesen Leuten sogar geringer. Es gibt keine wissenschaftlich soliden Daten, die eine schädigende Wirkung des LSD zeigen. Es ist einfach im Rahmen der Bekämpfung der Hippie-Bewegung verteufelt worden.
Wie sieht es mit psychischen Problemen aus?
Psychologisch ist das natürlich gefährlich: Man kann andere und sich selbst gefährden. Man kann auch eine akute Geisteskrankheit bekommen, die am Ende des Trips aber wieder verschwindet. So ist es zumindest bei normal dosiertem LSD. Unklar ist aber, was passiert, wenn man seine Psyche ständig leicht verändert.
Wer sollte auf jeden Fall die Finger von mikrodosiertem LSD lassen?
Personen, die ein Schizophrenie-Risiko haben, sollten von halluzinogenen Substanzen Abstand halten. Das sind etwa 1 Prozent der Schweizer Bevölkerung und damit recht viele.
Können Sie sich vorstellen, dass sich das hier durchsetzt?
Nein. Was ich mir sehr gut vorstellen kann, ist, dass Leute vor einer Prüfung nicht nur Wachmacher wie Kaffee einnehmen, sondern auch Amphetamin oder Ritalin. Das praktizieren derzeit weniger als ein Prozent der Studenten in der Schweiz. Halluzinogene hingegen sind eher Sache von Künstlern oder Kreativen – wenn überhaupt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der eine rein kognitive Leistung erbringen muss, dazu greift.
Global Drug Survey 2017: Machen Sie mit!
Machen Sie mit bei der weltweit grössten Umfrage zum Thema Drogenkonsum. Der Global Drug Survey richtet sich nicht nur an Menschen, die illegale Drogen nehmen. Auch wer raucht, ab und zu Alkohol trinkt oder überhaupt nichts konsumiert, ist angesprochen. Die Umfrage wird in rund 50 Ländern durchgeführt. 20 Minuten ist der offizielle Medienpartner und wird im Frühling 2017 die Schweizer Ergebnisse exklusiv veröffentlichen.
So wirkt LSD
Wie LSD wirkt, ist sehr stark von Dosis, Set und Setting abhängig. Als Halluzinogen intensiviert und verfremdet LSD Sinneswahrnehmungen und das Raum-Zeit-Empfinden. Stimmung und Gefühle können sich abrupt verändern. Bei höheren Dosierungen kann es zur Loslösung vom eigenen Körper kommen. Besonders in der Anfangsphase des Trips können leichte Atembeschwerden, Herzrasen, Schweissausbrüche, veränderter Blutdruck und Übelkeit auftreten. (saferparty.ch)