Steinman verstorbenVor dem Nobelpreis kam der Tod
Einer der diesjährigen Nobelpreisträger, Ralph Steinman, ist tot. Er verstarb nur drei Tage, bevor er für seine Verdienste in der Immunologie mit dem Medizin-Nobelpreis belohnt werden sollte.

Die Nobelpreisträger für Medizin (v.l.n.r.): Bruce Beutler, Ralph Steinman, Jules Hoffmann.
Der Forscher Ralph Steinman erlebte den Zenit seiner Karriere nicht mehr: Zusammen mit seinen beiden Kollegen sollte der Immunologe mit dem diesjährigen Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet werden. Vor drei Tagen verlor er im Alter von 68 Jahren den Kampf gegen seine schwere Krankheit: Steinman litt seit vier Jahren unter einer der aggressivsten Krebsformen, dem Bauchspeicheldrüsen-Krebs.
Die Wissenschaftler Bruce Beutler und der gebürtige Luxemburger Jules Hoffmann müssen den Nobelpreis nun ohne ihren Forscher-Kollegen entgegennehmen. Laut Reglement kann der Nobelpreis nur dann posthum vergeben werden, wenn der Preisträger zwischen Bekanntgabe und Verleihung der Auszeichnung verstarb. Derzeit berät die Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm, ob diese Regelung auch im Falle Steinmans greift.
Die Preisträger hatten entschlüsselt, wie sich der Körper gegen Eindringlinge von aussen, wie etwa Bakterien oder Viren, wehrt. Beutler und der gebürtige Luxemburger Hoffmann entdeckten in den 1990er Jahren Rezeptorproteine, die Bakterien und andere Mikroorganismen bei ihrem Eintritt in den Körper erkennen und die erste Verteidigungslinie des Immunsystems aktivieren können. In einer weiteren Phase der Immunabwehr kommt die von Steinman 1973 entdeckte dendritische Zelle zum Einsatz. Sie hilft dabei, das Ausscheiden eingedrungener Mikroorganismen aus dem Körper zu aktivieren und zu regulieren.
Zwei Verteidigungslinien der Immunabwehr
Durch die Forschungen der drei Wissenschaftler sei das Rätsel gelüftet worden, wie die beiden Phasen der menschlichen Immunabwehr - die angeborene und die spezifische Immunabwehr - aktiviert werden und miteinander kommunizieren, hiess es in der Begründung des Nobelpreiskomitees weiter. Die erste Verteidigungslinie kann eindringende Mikroorganismen zerstören und Entzündungen auslösen, die die Abwehr der Viren unterstützen. Teile der Mikroorganismen binden sich dabei an sogenannte Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR), die in vielen Zellen im menschlichen Körper vorkommen. Das aktiviert - wie von Beutler und Hoffmann entdeckt - die angeborene Immunabwehr und führt zu der Abwehrreaktion des Immunsystems.
Wenn Mikroorganismen diese Verteidigungslinie dennoch durchbrechen, wird die erworbene Immunität eingesetzt. Mit ihren T- und B-Zellen (Lymphozyten) produziert sie Antikörper und Killerzellen, die infizierte Zellen zerstören. Die T-Lymphozyten werden von Steinmans dendritischer Zelle aktiviert.
Zwei Amerikaner, ein Europäer
Der 53-jährige Beutler ist Professor für Genetik und Immunologie am Scripps-Forschungsinstitut in Kalifornien. Hoffmann, 70, war bis 2009 Leiter eines Forschungslabors in Strassburg. Hoffmanns Entdeckung erfolgte im Jahr 1996, als er Infektionen bei Fruchtfliegen untersuchte. Zwei Jahre später zeigten Beutlers Forschungen an Mäusen, das auch Säugetiere ihre Immunabwehr ähnlich aktivieren. Steinman war seit 1970 für die Rockefeller-Universität in New York tätig und leitete bis zu seinem Tod deren Zentrum für Immunologie und Immunkrankheiten.
Bis zum 7. Oktober werden auch die Preisträger für Physik, Chemie, Literatur und Frieden bekannt gegeben. Der Träger des erst später gestifteten Wirtschaftsnobelpreises wird am 10. Oktober bestimmt. Die Preisverleihung erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
Nobelpreis für Medizin oder Physiologie
Den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie soll alljährlich derjenige Mediziner erhalten, der sich mit seinen Forschungen auf herausragende Weise um die Menschheit verdient gemacht hat. So lautet der Wunsch des Stifters Alfred Nobel. Die Ehrung für die medizinische Forschung ist eine von fünf, mit denen der 1896 verstorbene schwedische Chemiker und Industrielle über seinen Tod hinaus Einsätze zugunsten der Mitmenschen fördern wollte.
Nobel, der mit seiner Erfindung des Sprengstoffs Dynamit im Jahre 1867 zu Reichtum gelangte, verfügte in seinem Testament den Aufbau einer Stiftung für jene, die in Medizin, Physik, Chemie und Literatur sowie bei der Völkerverständigung jeweils «im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben». Die Bestimmung in Nobels Testament über das «verflossene Jahr» ließ sich allerdings nicht halten, da sich der Wert von Entdeckungen bisweilen erst spät zeigt. Die Nobel-Stiftung gab sich dazu Statuten, die die schwedische Regierung 1900 ratifizierte. Demnach sind auch später erkennbare Verdienste nobelpreiswürdig.
1968 stiftete die Schwedische Reichsbank im Einvernehmen mit der Nobel-Stiftung einen Preis für Wirtschaftswissenschaften, der 1969 erstmals vergeben wurde. Die Verleihung der Nobelpreise erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters.
Die Preise für Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaft werden in Stockholm vergeben. Den Friedensnobelpreisträger bestimmt ein gewählter Ausschuss des norwegischen Parlaments in Oslo. Da zu Lebzeiten Nobels eine Union zwischen Schweden und Norwegen bestand, deren Verhältnis gespannt war, brachte diese Verfügung dem Forscher von schwedischer Seite den Vorwurf ein, unpatriotisch gehandelt zu haben. Die Nobelpreise sind derzeit mit jeweils zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert.