Die Spur führt in den «Kartoffel-Keller»

Aktualisiert

EHEC-EpidemieDie Spur führt in den «Kartoffel-Keller»

Bei der Suche nach dem Auslöser der EHEC-Infektionswelle steht ein Restaurant in Lübeck im Zentrum. Entlastet ist das Hamburger Hafenfest, welches im Lauf des Tages in den Fokus gerückt war.

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Der Lübecker «Kartoffel-Keller» steht im Fokus der Behörden.

Der Lübecker «Kartoffel-Keller» steht im Fokus der Behörden.

Bei der Suche nach dem Auslöser der EHEC-Infektionswelle haben Gesundheitsbehörden in Deutschland jetzt ein Lübecker Restaurant überprüft. Insgesamt 17 Erkrankte hätten dort zwischen dem 12. und dem 14. Mai gegessen, berichteten die «Lübecker Nachrichten». Ein Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums bestätigte auf dapd-Anfrage, dass Teilnehmerinnen eines Seminars der Steuergewerkschaft nach einem Besuch in Lübeck erkrankt seien. Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts (RKI) seien inzwischen in der Hansestadt gewesen.

Die schleswig-holsteinischen Behörden erklärten, sie gingen dem Fall nach, wollten aber nicht von einer heissen Spur sprechen. Der Bericht der Zeitung sei «überzogen», sagte ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums in Kiel.

«Das Restaurant trifft keine Schuld, allerdings kann die Lieferantenkette möglicherweise den entscheidenden Hinweis geben, wie der Erreger in Umlauf gekommen ist», wird Werner Solbach, Mikrobiologe am Universitätsklinikum Lübeck, zitiert.

«Angestellte essen dasselbe - und da ist keiner krank»

Der Zeitung zufolge hatte in dem Restaurant unter anderem eine dänische Besuchergruppe zu Mittag gegessen, die für einen Tagesausflug in die Hansestadt gekommen war. Acht Teilnehmer hätten sich infiziert. Zur selben Zeit hätten auch 30 Frauen einer Gewerkschaft in dem Lokal gespeist. Die Teilnehmerinnen, die aus ganz Deutschland stammten, seien zu einem Seminar in Lübeck gewesen. «Bislang wissen wir von acht, teilweise sehr schweren Fällen. Eine Teilnehmerin aus Nordrhein-Westfalen ist verstorben», sagte Dieter Ondracek, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft in Berlin, der Zeitung.

Der Besitzer des Restaurants «Kartoffel-Keller», Joachim Berger, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, in seinem Restaurant seien keine Erreger festgestellt worden. «Unsere Leute essen ja dasselbe. Und keiner von unseren Mitarbeitern ist krank.» Berger muss sich nun darauf einstellen, dass in seiner Gaststätte alles auf den Kopf gestellt werden wird. Gegenüber der Tagesschau der ARD wehrte sich der Restaurant-Besitzer: «Diese Gäste haben ja alle auch noch in anderen Lübecker Betrieben gegessen!»

Jede Gabel wird inspiziert

Ein weiterer schwerer Infektionsfall scheint im Zusammenhang mit dem Lokal zu stehen. Ein erkranktes Kind aus Süddeutschland sei bei einer Familienfeier ebenfalls im betreffenden Zeitraum in dem Restaurant gewesen, sagte Solbach den «Lübecker Nachrichten».

«Hier wird wirklich akribisch, detektivisch jede Schublade, jede Gabel, jedes Lebensmittel einmal umgedreht», sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller. Denn selbst Wochen nach einer EHEC-Infektion könne der Keim an einer Quelle noch nachgewiesen werden, solange die Umgebung das Wachstum eines Erregers begünstige.

Das Gesundheitsministerium in Berlin bestätigte, dass es Untersuchungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) in einem Lokal in Lübeck gegeben habe. Ergebnisse lägen aber noch nicht vor, sagte ein Sprecher.

Hamburger Hafengeburtstag unverdächtig

Vermutungen, nach denen der Hamburger Hafengeburtstag für den EHEC-Ausbruch verantwortlich ist, wiesen die Behörden zurück. RKI-Experten hätten bereits vor zehn Tagen das Hafenfest als Auslöser der EHEC-Welle ausgeschlossen, erklärte die Hamburger Gesundheitsbehörde.

Das RKI betonte, solche Pressemeldungen «decken sich nicht mit den Erkenntnissen des RKI und stehen im Widerspruch zum epidemiologischen Profil des Ausbruchs».

Am Samstag hatte das Nachrichtenmagazin «Focus» vorab berichtet, der Ausbruch falle womöglich mit dem Hamburger Hafengeburtstag Anfang Mai zusammen. Diese These werde intern beim RKI favorisiert.

2500 Fälle

Hamburg und Schleswig-Holstein, wo Lübeck liegt, sind am stärksten von den EHEC-Infektionen betroffen. Bis Freitag wurden in ganz Deutschland über 1700 EHEC-Infektionen registriert. Bei weiteren 800 Patienten wird eine Infektion vermutet.

Bei vielen Patienten entwickelt sich das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das lebensgefährlich ist. Nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation gibt es neben Deutschland auch EHEC- Infektionen in der Schweiz (3 Fälle), in Italien, Österreich, Tschechien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, Grossbritannien und den USA. Von den meisten Patienten ist bekannt, dass sie zuvor in Deutschland waren.

Die USA erklärten am Samstag, sie wollten Tomaten, Gurken und Salat aus Deutschland und Spanien streng kontrollieren. Russland hatte den Import von Gemüse aus der EU komplett gestoppt. (jam/sda)

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