Problematischer StoffAuch Zahnpasta steht nun unter Krebsverdacht
Sie helfen, Mund und Zähne sauber und gesund zu halten. Doch offenbar haben Zahnpasten ungeahnte Nebenwirkungen.
Zwei Minuten Zähneputzen reicht aus, um im Mund für Ordnung zu sorgen. Wer seine Beisserchen länger schrubbt, vergrössert das Risiko, Zahnfleisch und Zahnschmelz zu verletzen. Zu diesem Schluss kamen vor einigen Jahren Forscher der Newcastle University.
Doch offenbar birgt auch kurzes Putzen Gefahren: So scheint ein Inhaltsstoff, der in Zahnpasta weit verbreitet ist, alles andere als gesund zu sein. Der Farbstoff Titandioxid (siehe Box) kann in nanotechnologischer Grösse Krebs auslösen, wie ein französisch-luxemburgisches Forscherteam aktuell im Fachjournal «Scientific Reports» berichtet.
Tumorbildung
Für die Studie hat das Team um Eric Houdeau von der Universität von Toulouse 100 Tage lang einer Gruppe von Ratten Titandioxid mit dem Trinkwasser verabreicht. Dies in der gleichen Menge, die proportional gesehen auch in Kosmetika oder Lebensmitteln für Menschen enthalten sind. Dann beobachteten sie, was passierte.
Ergebnis: Bei rund 40 Prozent der Tiere bildeten sich Tumore in Darm und Dickdarm. Das Titandioxid beschleunige die Entwicklung dieser Wucherungen, die zunächst nicht gefährlich sind, sich aber zu bösartigen Krebsarten entwickeln können. Weiter schwächte es das Immunsystem der Nager.
Titandioxid so gefährlich wie Asbest
Schon frühere Studien haben die Unbedenklichkeit von Titandioxid in Frage gestellt: So kamen Untersuchungen der Internationalen Agentur für Krebsforschung (hier als PDF erhältlich) zu dem Schluss, dass das Inhalieren des Stoffs krebserregend ist.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2010 setzte die Wirkung von Titandioxid im menschlichen Körper mit jener von Asbest gleich: Beide Stoffe lösen Entzündungsreaktionen aus. Zudem regen beide die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies an, die das Gewebe oder die DNA schädigen können, wie das Team um Amir Yazdi von der Universität Lausanne in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» berichtete.
Wirkung auf den Menschen
Die aktuelle Studie legt nun nahe, dass Titandioxid auch dann Krebs fördert, wenn es oral eingenommen wird. Ob die Substanz beim Menschen genauso wirkt, können Houdeau und seine Kollegen nicht sagen.
Die französische Regierung ordnete deshalb eine sofortige Untersuchung des Lebensmittelfarbstoffes in Bezug auf die menschliche Gesundheit an. Die Ergebnisse sollen bis März vorliegen.
Forderungen werden ignoriert
Auch bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist der Inhaltsstoff ein Thema: «Es ist schon länger bekannt, dass Titandioxid, wenn es in nanotechnologischer Grösse eingesetzt wird, als gesundheitsgefährdend gilt», sagt Josianne Walpen von der SKS. Deshalb fordere man schon seit Jahren, dass Nanotechnologie in Produkten und insbesondere in Lebensmitteln und Kosmetika deklariert werden soll.
Während das in der EU bereits Pflicht ist, dauert es in der Schweiz noch. Zwar tritt das entsprechende Lebensmittelgesetz schon im Mai in Kraft, erklärt Walpen, aber für Deklarationsvorschriften gelten Übergangsfristen von vier Jahren.
«Auch ein Register mit Produkten, die die noch kaum auf Risiko erforschte und erprobte Nanotechnologie enthalten, existiert trotz unseren Forderungen nicht», moniert die Expertin. Damit würden die Konsumenten unbekannten Risiken ausgesetzt, denen sie wegen der fehlenden Deklaration nicht ausweichen können.
Titandioxid steckt in Vielem
Das als Bleichstoff bekannte Titandioxid kommt nicht nur in Zahnpasten vor, sondern ist ein wahrer Alltagsbegleiter. So trifft man es auch in Süssigkeiten, Schokolade und Kosmetika an. Zudem wird es in Farben und Lacken, in Textilien, Papier und Kunststoffen, in Lebensmitteln und Medikamenten und sogar in Pflastersteinen verwendet. Auf den Verpackungen taucht der Stoff bei den Inhaltsstoffen oft auch unter den Bezeichnungen E171, CI 77891, titanium white oder Pigment White 6 (PW6) auf.