Schlaflabors sind restlos ausgebucht

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Schweiz ohne RuheSchlaflabors sind restlos ausgebucht

Die Zahl der Menschen, die an Schlafstörungen leiden, nimmt zu: Schlaflabors werden von Anfragen überrannt und Firmen suchen mit Powernapping-Räumen nach neuen Lösungen.

Simona Marty
von
Simona Marty
In einem Schlaflabor will man Schlafstörungen auf den Grund gehen. (Keystone)

In einem Schlaflabor will man Schlafstörungen auf den Grund gehen. (Keystone)

Immer mehr Schweizer wälzen sich nachts im Bett und finden keine Ruhe. 2010 wurden in der Schweiz 4,57 Mio. Packungen Schlafmittel verkauft und im Vergleich zum Vorjahr damit 600 000 Franken mehr umgesetzt. Ein Trend, der sich laut Experten fortsetzten wird und der bereits jetzt Schlaflabors an ihre Grenzen stossen lässt. «2011 war unser Labor zu hundert Prozent ausgebucht. Wir verzeichnen bei allen Schlafstörungen eine Nachfrage­steigerung von 10 Prozent.

Das Beratungsangebot mussten wir ausbauen», sagt Karin Yerebakan, Sprecherin der KSM Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach. «Besonders gefährdet sind Menschen, die eine hohe Leistungsbereitschaft haben und schlecht entspannen können», so Werner Entenmann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der KSM. Auch die Höhenklinik Wald bestätigt die Entwicklung. Und der Schlafpsychologe Günther W. Amann-Jennson spricht gar von einer Vervierfachung der Anzahl Schlafgestörter in den vergangenen dreissig Jahren (siehe Interview).

Neben Privatpersonen greifen vermehrt auch Unternehmen wie Banken und Versicherungen auf Beratungen in den Kliniken zurück – erste Resultate sind beim Zürcher Ingenieurbüro Locher zu sehen. «Mit einem Powerraum bieten wir den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich innerhalb von 15 bis 20 Minuten durch einen Powernap zu erholen», sagt Geschäftsführer Rolf Bergmann und erhofft sich dadurch ein leistungsfähigeres Personal für die tagtäglichen Herausforderungen.

Herr Amann-Jennson, kommen sie als Schlafcoach noch zur Ruhe?

Es gibt tatsächlich sehr viel zu tun. Vor dreissig Jahren litten etwa 20 Prozent der Menschen an Schlafstörungen. Heute sind es laut Studien bereits 60 Prozent. In Insiderkreisen geht man davon aus, dass sich bis 80 Prozent der Menschen im Schlaf nicht mehr richtig erholen können.

Was hält so viele Menschen in der Nacht wach?

Neben alltäglichen äusseren Faktoren wie Licht und Lärm, ist es hauptsächlich der persönliche Stress. Menschen kommen in der 24 Stunden Leistungsgesellschaft nicht richtig mehr zu Ruhe. Sie machen am Tag keine Pausen mehr, nehmen zu viel koffeinhaltige Getränke und laufen ständig am Limit und haben dadurch das Gefühl am Abend alles nachholen zu müssen. So gehen sie mit zu vielen Stresshormonen ins Bett und ans Schlafen ist nicht mehr zu denken.

Wie äussern sich diese Schlafprobleme?

Jede Generation hat ihre eigene spezifische Form von Schlafstörungen – diese reichen von Einschlaf- über Durchschlafstörungen bis hin zu frühem Aufwachen. Klar ist aber, dass vom Baby bis hin zum Greis alle Menschen davon betroffen sein können. Weil der Druck in der Gesellschaft immer früher beginnt, sind aber zunehmend Schulkinder und Jugendliche von Schlafstörungen geplagt. Eine neue Studie belegt, dass in Österreich über 20 Prozent der Schulkinder schon nicht mehr richtig schlafen können – dieser Trend ist auch in der Schweiz feststellbar.

Hier hat sich aber doch auch die Schlafkultur enorm verändert…

Die Menschen gehen immer später ins Bett. Am Abend werden noch Sachen erledigt, für die am Tag keine Zeit war. Es wird Fern geschaut oder im Internet gesurft. Obwohl ein Mensch im Schnitt pro Nacht sieben bis acht Stunden schlafen sollte, schläft er durchschnittlich nur noch 6 Stunden. Dieser Schlafmangel kumuliert sich dann über Wochen und Monate hinweg.

Ein Teufelskreis der aus dem man schwer herauskommt...

Es ist wie ein Hamsterrad, das viele weitere schlafbezogene Erkrankungen nach sich zieht. Kurzfristig ist vielleicht nur die Leistungsfähigkeit gemindert. Längerfristig sind Bluthochdruck, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen die Folge. Es kommt im Strassenverkehr zu mehr Unfällen und das Gesundheits- und Wirtschaftssystem wird belastet.

Wie kann man Schlafstörungen behandeln?

Es gibt über 100 verschiedene Formen von Schlafstörungen. Wer länger als 3 Wochen 3 Mal in der Woche schlecht ein- oder durchschläft sollte mit seinem Arzt darüber sprechen. Der biologisch wichtigste Platz in Haus und Wohnung ist der Schlafplatz, wo wir uns vom Stress des Tages erholen müssen. Deshalb sollte man sein Schlafzimmer so einrichten, dass weder Licht noch Lärm den Schlaf stören. Auch das richtige Bett ist natürlich entscheidend. Zudem ist es wichtig, dass sich der Mensch nicht erst am Abend erholt, sondern bereits am Tag laufend Pausen einlegt. so dass er am Abend vom vielen Arbeiten paradoxerweise nicht zu müde ist, um einzuschlafen.

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