OrganspendeWann ist ein Toter tot genug?
Organspende ist ein sensibles Thema. Das Transplantationsgesetz sollte die Rahmenbedingungen schaffen. Doch dieses halten Experten für praxisuntauglich.

Mehr Lebertransplantationen durch Revision des Gesetzes.
Weil keine Aussicht auf Heilung besteht, wird jährlich bei rund 2450 Patienten auf Schweizer Intensivstationen die Therapie abgebrochen. Während die Betroffenen langsam aus dem Leben scheiden, sprechen viele Angehörige bereits die Möglichkeit einer Organspende an.
Doch gemäss Schweizerischem Transplantationsgesetz dürfen die Ärzte darauf nicht reagieren. Sie müssen selbst bei Patienten mit einer aussichtslosen Diagnose so lange zuwarten, bis alle Funktionen des Gehirns unwiderruflich ausgefallen sind und der Patient für hirntot erklärt wird. Das kann mehrere Stunden, mitunter aber auch Tage dauern.
Thema frühzeitig ansprechen
Diese Praxis soll sich nun mit der Revision des Transplantationsgesetzes ändern. Künftig sollen Ärzte das Thema Organspende bereits dann besprechen dürfen, wenn der Patient noch nicht verstorben ist, sich die Angehörigen aber definitiv für einen Therapieabbruch ausgesprochen haben.
Entscheiden sich diese für eine Spende, werden daraufhin die kreislauferhaltenden Massnahmen weitergeführt – damit die Organe für eine Transplantation bewahrt werden können. «Dies jedoch nur, wenn die Behandlungen dem Sterbenden nicht schaden oder Schmerz zufügen», sagt Franz Immer, CEO von Swisstransplant.
Können diese Massnahmen nicht durchgeführt werden, kommt es zum Verlust von Organen wie beispielsweise der Leber, da diese nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und
Blut versorgt werden und deshalb abzusterben beginnen.
Welche Massnahmen zugelassen sein werden und welche nicht, wird im überarbeiteten Gesetz erstmals aufgeschlüsselt sein.
Interview: «Theorie blockiert Praxis»
Markus Béchir, Leiter der Intensivstation des Unispitals und des Transplantationsnetzwerks Zürich.
20 Minuten: Herr Béchir, das geltende Transplantationsgesetz ist zu wenig praxistauglich. Inwiefern?
Mit dem Transplantationsgesetz ist es wie mit der ersten Auflage eines Buches. Auch sie wird überarbeitet, wenn sich zeigt, dass Verbesserungsbedarf besteht. Im Moment blockiert das Gesetz die Praxis.
Kritiker befürchten, Ärzte würden sich künftig häufiger für einen Therapieabbruch einsetzen, um Organe zu bekommen. Ist das möglich?
Nein, denn bis zu dem Moment, in dem sich die Angehörigen für einen Abbruch entscheiden, ist das Behandlungsteam für den Patienten verantwortlich. Danach übernehmen speziell ausgebildete Experten vom Organspender-Netzwerk. Die beiden agieren unabhängig voneinander.
Neu sollen Angehörige gleichzeitig über einen Therapieabbruch und über eine Organspende entscheiden. Kann man ihnen das zumuten?
Die grösste Belastung für Hinterbliebene ist, wenn sie nicht wissen, was der Verstorbene zu Lebzeiten wollte. Wer sich um das Wohl seiner Angehörigen sorgt, sollte seinen eigenen Willen auf einem Spenderausweis notieren.
(fee)
Wenn Angehörige die Entscheidung treffen müssen
Um besser zu verstehen, was für die Entscheidungsfindung bei der Organspende für die direkt Involvierten wichtig ist, führen Uni und Unispital Zürich die Studie «Ethische Aspekte der Organspende» durch. Dazu befragen sie Angehörige von Verstorbenen zu ihren persönlichen Erfahrungen. Die Forscher suchen dazu noch Teilnehmer, die der Spende von Organen ihres verstorbenen Angehörigen zwischen 19952005 oder 20112012 nicht zugestimmt haben.
(cho)
Kontakt: Sohaila Bastami, bastami@ethik.uzh.ch
«Wissen»
in 20 Minuten wird unterstützt durch die GEBERT RÜF STIFTUNG und die Stiftung Mercator Schweiz.