Tückisches TreibhausgasKohlendioxid soll dick machen
Dänische Forscher stellen eine kühne Hypothese auf. Sie glauben, dass uns der steigende CO2-Ausstoss übergewichtig werden lässt - und stossen auf Widerstand.
Wenn man Lars-Georg Hersoug von der Universität Kopenhagen glauben darf, dann wurde jetzt ein wichtiger Verantwortlicher für die wachsende Anzahl übergewichtiger Menschen auf der Welt enttarnt: Das Kohlenstoffdioxyd, kurz CO2.
CO2 ist ein gefährliches Treibhausgas, entweicht in grossen Mengen aus Kraftwerken, Flugzeugen, Autos und Heizanlagen und trägt damit massgeblich zur Klimaerwärmung bei. Und was unserem Klima schadet, soll uns dick machen?
Gemeinsam mit seinen Kollegen Anders Mikael Sjödin und Arne Astrup stützt Hersoug seine gewagte Hypothese auf eine kleine Pilotstudie, an der sechs junge Männer im Jahr 2011 teilgenommen hatten. Dabei mussten sich die Probanden in speziellen Räumen aufhalten, in denen sie einer erhöhten Menge CO2 ausgesetzt wurden. Nach dem Test wurde ihnen Blut abgenommen. Sieben Stunden später durften die Herren dann essen, so viel sie wollten.
Saures Blut und erhöhter Appetit
Die Forscher fanden heraus, dass die Probanden, bei denen ein höherer CO2-Wert nachgewiesen werden konnte, sechs Prozent mehr Nahrung zu sich nahmen als die anderen Testpersonen mit «normalen» CO2-Werten im Blut.
«Wir stellten ausserdem fest, dass das zusätzliche CO2 die Herzschlag-Frequenz der Männer erhöht hatte. Das lässt darauf schliessen, dass das CO2 die Nervenzellen im Gehirn beeinflusst, das geschieht durch die Neuropeptid-Hormone Orexine, die unseren Appetit kontrollieren», sagte Hersoug im Gespräch mit Sciencenordic.com. Gemäss Hersoug hat bereits eine kleine Veränderung der Aktivität der Nervenzellen Einfluss darauf, ob jemand sein Gewicht hält oder übergewichtig wird. Der dänische Wissenschaftler beruft sich auf eine Studie aus dem Jahr 2007: Sie zeigte, dass das Säureverhältnis im Blut (PH-Wert) mit der Aktivität der Orexine zusammenhängt.
Lars-Georg Hersoug untermauert seine Hypothese durch Erkenntnisse, die er im Laufe jahrelanger Forschung bezüglich des möglichen Zusammenhangs zwischen CO2 und dem Essverhalten bei Tieren erlangt hat. In einer Studie aus dem Jahr 2010, in die 20 000 Labortiere eingeschlossen waren, konnte laut Hersoug gezeigt werden, dass alle Tiere an Gewicht zulegten, obwohl sie unter «kontrollierten Bedingungen» gefüttert wurden.
Eine luftige Behauptung?
Die Behauptungen des Forschers aus dem hohen Norden wirft auf der anderen Seite des grossen Teichs bereits hohe Wellen. «Diese Hypothese ist schlicht unerhört», findet Devanjan Sikder, vom Sanford-Burnham Medical Research Institute in Orlando (USA). Der Assistenz-Professor beteuerte gegenüber Foxnews.com, dass «Mediziner keine Hinweise auf Veränderungen des PH-Wertes bei Menschen über die vergangenen Jahre oder Jahrzehnte» gefunden hätten.
Sein Kollege David Katz, Direktor am Prevention Research Center der Yale University School behauptet hingegen, dass winzige Veränderungen des PH-Wertes nicht unwahrscheinlich seien. Doch die von den dänischen Wissenschaftlern genannte Reduktion von 7,4 auf 7,3 könne es bei «normal funktionierenden Lungen und Nieren», so Katz, nicht geben.
Dass die Probanden im Experiment aufgrund des hohen CO2-Gehalts in der Luft mehr assen, zaubert bei Katz ein mildes Lächeln auf die Lippen: «Um den erhöhten CO2-Gehalt auszugleichen, atmet man schneller. Dadurch verbraucht man mehr Energie.» Dass man dadurch mehr esse, sei wenig verwunderlich.
Also alles nichts als heisse Luft? Hersoug und seine Forscherkollegen wollen weiter an der «CO2 macht dick»-Hypothese forschen. Demnächst startet das Team eine Studie mit Ratten.