Vogelgrippe-Erreger H5N1Ist die Arbeit am tödlichen Virus zu gefährlich?
Ein im Labor entwickeltes Supervirus sorgt für Angst: Was könnte geschehen, wenn es in die falschen Hände gerät? Die beteiligten Forscher unterbrechen vorsichtshalber ihre Arbeiten.

Das H5N1-Virus ist hochgradig gefährlich: Es tötet fast alle Vögel und bis zu 60 Prozent aller infizierten Menschen.
Aus Angst vor Bioterrorismus haben Wissenschaftler ihre Forschungen an einem im Labor entwickelten Supervirus gestoppt. Freiwillig unterbrechen sie für 60 Tage Experimente mit der neuen Variante des Vogelgrippe-Erregers H5N1. Gesundheitspolitiker sollen in dieser Zeit Massnahmen beschliessen, damit der Erreger nicht in falsche Hände gerät.
Die US-Regierung hatte im Dezember an die Forscher und Fachjournale appelliert, die Daten des Erregers unter Verschluss zu halten. Die USA und andere Länder fürchten, dass Terroristen mit dem gefährlichen und hochansteckenden Virus Biowaffen bauen könnten.
Debatten geplant
«Wir sehen ein, dass wir und andere Wissenschaftler die Vorteile unserer wichtigen Untersuchungen klar darlegen und Massnahmen zur Reduzierung möglicher Risiken vorschlagen müssen», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung der Forscher, die von den renommierten Fachzeitschriften «Nature» und «Science» veröffentlicht worden ist.
Darin fordern die Unterzeichner, 39 H5N1-Experten aus aller Welt, ein internationales Forum zur Debatte über die Gefahren des Erregers und angemessene Gegenmassnahmen. Nach Angaben der Journale will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Experten und Behörden zu einer Konferenz Ende Februar in Genf einladen.
Der grösste internationale Wissenschaftlerverband AAAS (American Association for the Advancement of Science) werde das Thema bei seiner Jahresversammlung Mitte Februar im kanadischen Vancouver ebenfalls in Vorträgen und Seminaren erörtern, hiess es.
Hochansteckend und tödlich
Die Viren waren von Ron Fouchier (Erasmus Universität in Rotterdam/Niederlande) und Yoshihiro Kawaoka (US-Universität von Wisconsin-Madison) hergestellt worden. Beide Teams entdeckten, dass es nur weniger Mutationen bedurfte, um den tödlichen Erreger unter Säugetieren – Menschen eingeschlossen – hochansteckend zu machen.
Die Nationalen Gesundheitsforschungsinstitute (NIH) der USA hatten die Studien finanziert, um die Infektionsgefahr des H5N1- Virus besser einschätzen und Vorbeugung treffen zu können. Die Forscher wollen mit ihren Arbeiten dazu beitragen, mögliche Veränderungen des Vogelgrippe-Erregers in der Natur frühzeitig zu entdecken.
Vorsichtig agieren
Das H5N1-Virus ist hochgradig gefährlich. Es tötet fast alle Vögel und bis zu 60 Prozent aller infizierten Menschen. Seit 2003 sind weltweit fast 600 Erkrankungsfälle beim Menschen bekannt geworden.
Der Leiter des Nationalen Forschungsinstituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) der USA, Anthony Fauci, begrüsste das Moratorium der Forscher. «Wir müssen extrem vorsichtig sein, was die Sicherheit angeht. Jeder stimmt darin überein. Aber ich sorge mich auch um Überreaktionen». (sda)
Stichwort H5N1
Wissenschaftler klassifizieren Grippe-Viren nach ihren Oberflächenproteinen. H steht dabei für Hämaggluttinin, N für Neuraminidase. Es gibt 16 verschiedene H-Typen und neun verschiedene N-Typen, wobei die Nummern nichts über die Schwere der Krankheit aussagen. Die Schweinegrippe hat den Virenstamm H1N1, die Vogelgrippe den Typ H5N1.
Der grösste Teil einer Virusoberfläche ist mit dem Eiweiss Hämagglutinin bedeckt. Das Protein ermöglicht Viren das Ankoppeln an die Zelle, in der schliesslich neue Grippeviren entstehen. Neuraminidasen sind Enzyme, die sich auf der Oberfläche von Influenzaviren befinden. Sie ermöglichen das Eindringen von Krankheitserregern in körpereigene Zellen. Diese viralen Enzyme schleusen dann auch von infizierten Zellen neu produzierte Viren aus der Zelle. (ap)