FetischPornoindustrie sucht Magersüchtige
Anorektische Frauen erzählen über ihre Leiden in Blogs und zeigen dabei ihre spindeldürren Körper. Das wird von der skrupellosen Pornobranche ausgenutzt.
«Wie du weisst, gibt es nur ein Synonym für schön: schlank», beginnt der Text einer E-Mail, die Hunderte von magersüchtige Frauen immer wieder erhalten. Schon dieser erste Satz lässt vermuten, dass die Absender keine guten Absichten haben. Aber es kommt noch schräger: «Unsere Models sind alle untergewichtig, dünn und knochig – genau wie du. Und wir wollen dich - egal, welche Kosten das mit sich bringt - in unserer Agentur aufnehmen.» Die Agenturbetreiber sprechen dann Klartext: «Seien wir doch ehrlich: Viele Männer masturbieren beim Anblick deiner Bilder. Du bist ein Superstar unter den Hungernden und wenn du bereit bist, deinen Körper zu vermarkten, garantieren wir dir einen guten Gewinn, weil diese Männer alles zahlen würden, um deine Fotos sehen zu dürfen.»
Sasha McDonald ist eine von vielen Magersüchtigen, die diese Nachricht erhalten haben. Als bei ihr die Krankheit diagnostiziert wurde, war sie 15. «Damals fühlte ich mich wertlos und einsam», erzählt sie in einem Bericht der britischen Tageszeitung «The Guardian». «Ich machte Bilder von mir und lud sie auf Foren, die über das Thema diskutierten. Ich führte später selber einen Blog, in dem ich dokumentierte, wie viel ich abnahm und wie wenig ich ass. Aber ich hätte nie gedacht, dass jemand mit derart obskuren Absichten Nutzen daraus schlägt», meint sie.
Die fürsorgliche «Freundin» ist ein Spammer
Sie sei so dünn und so schwach gewesen, dass sie in ihren Wahnvorstellungen sogar stolz auf die Kommentare einiger ihrer Blog-Besucher gewesen sei, die sie für ihren abgemagerten Körper lobten. Sie habe damals gedacht, die «positiven» Meinungen seien gut gemeint. Doch bald stellte sich heraus, dass ihre «Freundin» in Wirklichkeit ein 46-jähriger Mann mit einer Vorliebe für magersüchtige Mädchen war. «Sie» hatte McDonald oft wegen Bildmaterial angefragt. Erst, als die vermeintliche Freundin den Wunsch nach explizitem Pornostoff äusserte, war es McDonald klar geworden, dass hinter ihrer «Freundin» jemand anders stecken musste.
Die junge Frau machte sich nach dieser schlechten Erfahrung auf die Suche nach ihrem Bildmaterial, um es zu löschen. Mit grossem Schrecken stellte sie fest, dass ihre Bilder sich inzwischen auf Fetisch-Seiten verbreitet hatten. Dabei waren sie oft mit neuen Bildlegenden versehen worden wie zum Beispiel «Wunderschönes Mädchen – viel schöner als die ganzen Fettberge» oder «Knochen und Rippen müssen sichtbar sein. Alles mit einem BMI oberhalb von 15 ist nicht attraktiv.»
Webseiten erleben Boom
Sasha McDonald ist inzwischen 19. Von der Magersucht hat sich die Medizinstudentin erholt – zumindest genug, um einen starken Willen zu entwickeln und der Pornofalle zu entkommen. Sie weiss aber, dass dies nicht jeder jungen Magersüchtigen gelingt. Obwohl sie nicht mehr selber als Magermodel «angeheuert» wird, bekommt sie ab und zu noch E-Mails, in denen ihr angeboten wird, als «Magerscout» zu arbeiten, mit dem Versprechen einer saftigen Provision. Tatsächlich soll das Geschäft mit dem Anorexie-Porno derzeit florieren. Internet-Provider können dies bestätigen: Zwischen 2006 und 2008 ist die Anzahl von Magersucht-Webseiten um 470 Prozent gestiegen. McDonald geht davon aus, dass unter den Besuchern viele mehr als nur Information zur Krankheit suchen.