Loblied auf Mani Matter«... und das i geng no dr Himel gseh»
Vor vierzig Jahren verunglückte Mani Matter tödlich. Der wohl bedeutendste Schweizer Liedermacher war plötzlich verstummt. Warum sind seine Lieder immer noch lebendig?
«Kunscht isch geng es Risiko / so isch är um ds Läbe cho» – In seinem Lied «Dr Eskimo» wies Mani Matter augenzwinkernd auf die Gefahren der Kunst hin. Und man könnte versucht sein, den Berner Liedermacher ebenfalls als Opfer der Kunst zu bezeichnen. Denn er verunglückte am 24. November 1972 tödlich – auf der Fahrt zu einem Auftritt.
Doch Matter war kein Opfer der Kunst, er war ihr Meister. Möglicherweise war er ein unachtsamer Autolenker. Sicher aber war er ein höchst aufmerksamer Beobachter. Und was er sah, das vermochte er in knappster, verdichteter Form wiederzugeben. Trotz – oder wohl gerade wegen – dieser Kürze, dieser Beschränkung auf das Wesentliche, sind seine Texte immer eingängig und leicht verständlich. Dass sie heute noch aktuell und beliebt sind, liegt nicht zuletzt an Matters Zurückhaltung: Er vermied den erhobenen Zeigefinger genauso wie die eindeutige politische Parteinahme.
Heimeliges und Unheimeliges
Wer wie der Schreibende mit Mani Matters Liedern gross geworden ist, der weiss auch, dass sie mit ihm wachsen. Ihre Einfachheit und Bildhaftigkeit, ihr Schalk, aber auch ihre Drastik leuchten dem kindlichen Gemüt ein und gefallen ihm. Schon das Kind aber wittert hinter dem Bild das Gleichnis, hinter dem Gefälligen das Tief- und Abgründige. Im bequemen Kleid des Mundartlieds steckt eine Kunst, die sperriger ist, als man beim ersten Hören vermuten würde. «Ich probiere in meinen Chansons immer, Heimeliges mit Unheimeligem zu verbinden», sagte Matter kurz vor seinem Tod in einem Interview mit der Zeitschrift «Femina».
Das Berndeutsche mit seiner urwüchsigen Kraft wirkt gern behäbig, gemütlich – staatstragend. Dies allein kann es gleichwohl nicht gewesen sein, was einen Liedermacher, der Dynamit ans Bundeshaus legen wollte, in bürgerlichen Kreisen vor der Ächtung bewahrte. Natürlich hat Matter, der Beamte und Jurist, in seinem Lied nicht zur Sprengung des Bundeshauses aufgerufen, sondern sie im Gegenteil verhindert – doch davon sollten wir uns nicht täuschen lassen. Denn das Fazit lautet: «louf i am Bundeshus sider verby / mues i gäng dänke, s'steit numen uf Zyt / s'länge fürs z'spränge paar Seck Dynamit».
Keine plakativen Schuldzuweisungen
Was hat Matter also davor bewahrt, als Subversiver geächtet zu werden? Immerhin sprechen wir von einer Zeit, in der das ominöse Zivilverteidigungsbuch Kalte-Kriegs-Hysterie verbreitete und das Bürgertum sich über die Studentenrevolte entsetzte. Wenn es nicht das harmlos anmutende Berndeutsch und wohl auch nicht das Witzig-Gefällige in seinen Liedern war, dann vielleicht sein Verzicht auf plakative Schuldzuweisungen, seine Weigerung, eindeutige Lösungen zu benennen.
Er fragt vielmehr, er zweifelt. «Ich wirke nicht wie ein rotes Tuch für das Publikum. Das ist ein Vorteil. Die Leute haben mir gegenüber vielleicht weniger Vorurteile als andern gegenüber, die ihr ‹Engagement› mit dem Holzhammer zum Ausdruck bringen», erklärte Matter 1971 in einem Interview mit dem «Bieler Tagblatt».
Was wäre aus Mani Matter geworden, wäre er nicht so früh aus dem Leben gerissen worden? Wäre er zu einer Art «Mani National» geworden, hätte er sich zurückgezogen, vielleicht gar sich selbst demontiert? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass sein Werk seinen frühen Tod überstanden hat. Und dass wir einen Kloss im Hals spüren, wenn wir sein Lied «Di Strass won i drann wone» hören:
«Ir Lüt, i wonen anere Strass
und nid symbolisch meinen i das
i wonen anere Strass, wi gseit
wo zum Fridhof geit
i cha vom Fänschter us d'Umzüg gseh
mit Efeuchränz und Bluemebouquet
wen alben eine derhär chunnt da
mit de Füess vora
en andre vilicht mahneti das
geng dra, gly näm dr Schryner scho ds Mass
ou ihm für ds tannige letschte Chleid
und das tät ihm leid
ig aber findes schön das mys Bett
vorlöifig no ke Holztechel het
und das i geng no dr Himel gseh
fröit mi drum descht meh
die Strass won i drann wonen isch zwar
so dänken i e Sackgass s'isch wahr
hingäge für mi und i gniesse das
no ke Einbahnstrass»
Eine etwas eigenwillige, aber äusserst kreative filmische Umsetzung des Liedes «Di Strass won i drann wone» hören Sie hier:
(Video: Youtube/hotchilli88)