Die ersten AstronautenPiccards Höhenflug
Er gehört in eine Zeit, als Wissenschaftler noch Abenteurer sein konnten: Der Naturforscher Auguste Piccard stieg vor 80 Jahren mit einem Ballon in fast 17 Kilometer Höhe auf – Weltrekord.
Es war noch dunkel, als die beiden Männer am 18. August 1932 bei Dübendorf in die kugelförmige Kapsel stiegen. Um 5:07 Uhr hoben der Schweizer Wissenschaftler und Erfinder Auguste Piccard und sein belgischer Assistent Max Cosyns ab. Der Gasballon trug die Aluminiumgondel mit den wagemutigen Flugpionieren hoch in die Stratosphäre hinauf. In dieser unwirtlichen Höhe beträgt der Luftdruck nur noch ein Zehntel des Werts auf Meereshöhe, und die Temperatur sinkt auf ungefähr –60° C.
Als die beiden erschöpften Männer kurz vor 17 Uhr bei Monzambano südlich des Gardasees in Italien landeten, hatten sie einen neuen Höhen-Weltrekord aufgestellt: Um 10:40 hatten Piccard und Cosyns irgendwo hoch über dem Vierwaldstättersee die Höhe von 16 201 Meter (barometrische Messung) bzw. 16 940 Meter (geometrische Messung) erreicht.
Zwei Weltrekorde in Folge
Das war bereits Piccards zweiter Weltrekord. Ein gutes Jahr zuvor, am 27. Mai 1931, war er mit seinem Assistenten Paul Kipfer von Augsburg-Gersthofen aus in nur 30 Minuten in die Rekordhöhe von 15 781 Metern aufgestiegen. Sie waren die ersten Menschen, die mit eigenen Augen die Erdkrümmung betrachten konnten. Die NASA betrachte die beiden Pioniere deshalb als die ersten Astronauten, sagte 2006 Jean-François Rubin, Konservator des Musée du Léman in Nyon, anlässlich des 75-jährigen Jubiläums dieses ersten Flugs.
Bei diesem ersten Stratosphärenflug fand derselbe 14 000 Kubikmeter grosse und 800 Kilo schwere Seidenballon Verwendung, der dann auch beim zweiten Flug benutzt wurde. Der erste Ausflug in die Stratosphäre verlief freilich nicht problemlos: Ein Seil blockierte ein Gasventil, mit dem die Ballonfahrer Wasserstoff ablassen wollten, um den Sinkflug einzuleiten. Piccard kommentierte dies mit den Worten, er habe noch nie einen Ballon nicht wieder herunterkommen sehen – die Frage sei nur wann. Mit den sinkenden Temperaturen in der Nacht sank dann aber auch der Ballon und der erste Stratosphärenflug endete etwas unsanft auf einem Tiroler Gletscher.
Vom Höhen- zum Tiefenrekord
Nach seinem zweiten Rekordflug kehrte Piccard dem Himmel den Rücken zu und widmete sich künftig der Erforschung der Tiefsee. Auch hier brach der Erfinder Rekorde: Mit dem von ihm entworfenen Tauchboot, dem Bathyskaph «Trieste», tauchte er 1953 im Thyrrenischen Meer zusammen mit seinem Sohn Jacques in die bisher noch nie erreichte Tiefe von 3150 Metern. Auguste Piccard war damals bereits 69 Jahre alt. Darum wohl war er im Januar 1960 nicht an Bord der «Trieste», als Jacques zusammen mit dem Amerikaner Don Walsh den ultimativen Tiefenrekord aufstellte: Die beiden tauchten 10 916 Meter tief auf den Grund des Challengertiefs im Marianengraben. Gut zwei Jahre später starb Auguste Piccard am 24. März 1962 in Chexbres bei Lausanne.
Piccards zweiter Stratosphären-Rekordflug aus dem Jahr 1932 hielt übrigens nicht allzu lange. Schon am 23. Oktober 1934 stieg in Detroit, USA, ein Ballon auf beeindruckende 17 341 Meter Höhe. An Bord waren Piccards in die USA ausgewanderter Zwillingsbruder Jean Félix und dessen Gattin Jeannette. Der Höhenrekord blieb so gewissermassen in der Familie.
Die Piccards: Eine Wissenschaftler- und Abenteurer-Familie
Auguste Piccard (*28.1.1884 in Basel, 24.3.1962 in Chexbres) entstammte einer angesehenen Akademikerfamilie. Der Professor für Physik an den Universitäten Zürich und Brüssel brach, durch Jules Vernes Schriften angeregt, Rekorde in der Stratosphären- und der Tiefseeforschung. Seine Forschungen machten die moderne Luft- und Raumfahrt erst möglich. Er gilt als Vorbild für die Figur des Professors Bienlein (Professeur Tournesol) im Comic «Tim und Struppi» des belgischen Zeichners Hergé.
Jean Félix (*28.1.1884 in Basel, 28.1.1963 in Minneapolis) wurde ebenfalls Naturwissenschaftler. Der Chemiker wanderte in die USA aus und nahm 1931 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Er entwickelte neuartige Ballonhüllen und brach zusammen mit seiner Frau Jeannette der ersten Ballonpilotin den Höhenrekord seines Bruders. Nach Jean Félix wurde die Figur des Captain Jean-Luc Picard aus der Science-Fiction-Fernsehserie «Star Trek The Next Generation» benannt.
Jacques (*28.7.1922 in Brüssel, 1.11.2008 in La Tour-de-Peilz), studierte ursprünglich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und wurde dann Ozeanograph und Pionier der Tiefseeforschung. Als Tauchboot-Konstrukteur entwarf er auch die «Auguste Piccard», das grösste jemals gebaute Tourismus-U-Boot, in dem an der Expo 1964 insgesamt etwa 33 000 Passagiere in die Fluten des Genfersees tauchten.
Bertrand (*1.3.1958 in Lausanne), eigentlich ein Psychiater, ging auf Rekordjagd: Zusammen mit Brian Jones umkreiste er 1999 als erster Mensch die Erde in einem Ballon. 2014 will er mit dem Solarflugzeug «Solar Impulse» die Welt in fünf Etappen umkreisen.