SezessionskriegVor 150 Jahren zerbrachen die USA
Vor 150 Jahren begann mit dem Beschuss von Fort Sumter der amerikanische Bürgerkrieg. Es sollte der mit Abstand verlustreichste Krieg der USA werden.
Mitte des 19. Jahrhunderts waren die jungen Vereinigten Staaten ein tief gespaltenes Land. Im Norden schritt die Industrialisierung mit grossen Schritten voran, während im Süden auf riesigen Plantagen unter dem Einsatz von immer mehr Sklaven billige Rohstoffe wie Baumwolle und Tabak produziert wurden. Die Interessen der beiden Landesteile waren so grundverschieden, dass die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen innerhalb der Union von Jahr zu Jahr zunahmen, bis schliesslich ein Krieg unausweichlich wurde.
Auf der wirtschaftlichen Ebene entzündeten sich die Konflikte an der Zollpolitik. Der Norden wollte mit Schutzzöllen seine Industrieproduktion vor billigen Importen schützen, während der Süden die Zölle möglichst tief halten wollte. Einerseits weil er fast alle Industrieprodukte einführen musste, andererseits weil er den Grossteil der Baumwollproduktion ausführte und Strafzölle in Abnehmerländern wie Grossbritannien und Frankreich fürchtete. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lagen sich die Nord- und Südstaaten wegen dieses Streitpunkts immer wieder in den Haaren.
Auch die Gesellschaften in Nord und Süd hatten sich auseinanderentwickelt. Im Norden stellten neben Kleinbauern gut qualifizierte Arbeiter der Industrie die Bevölkerungsmehrheit. Daneben gab es eine kleine Mittelschicht und Oberschicht. Im Süden dominierte die alteingesessene Pflanzeraristokratie das Geschehen. Das Gros der Bevölkerung war schlecht gebildet und arm. Trotzdem gab es innerhalb der weissen Bevölkerung kaum Spannungen, da auch der unterprivilegierteste Weisse noch weit über einem schwarzen Sklaven stand. Im Gegensatz zum Norden zweifelte im Süden denn auch niemand an der Rechtmässigkeit der Sklaverei oder forderte gar deren Abschaffung.
So war es neben wirtschaftlichen und sozialen Faktoren die Sklavenfrage, die 1861 entscheidend zur Spaltung der USA beitrug. Nach der Gründung der Vereinigten Staaten wurde das Recht auf Sklaven für Bundesstaaten, in denen es bereits Sklaven gab, in der Verfassung festgeschrieben. Die Zahl der Sklaven wurde in diesen Staaten zu drei Fünfteln auf die Bevölkerungszahl draufgeschlagen, wodurch die Südstaaten im Repräsentantenhaus in Washington mehr Gewicht hatten, als ihnen aufgrund ihrer stimmberechtigten Bevölkerung zugestanden hätte. Jedes Mal, wenn nun ein neuer Staat in die Union aufgenommen wurde, fürchteten die Sklavenhalterstaaten, an Einfluss zu verlieren. Mit verschiedenen Kompromissen wurde versucht, die Zahl der sklavenhaltenden und der sklavenfreien Staaten im Gleichgewicht zu halten. In den 1850er Jahren wurde allerdings absehbar, dass die sklavenfreien Staaten über kurz oder lang die Oberhand gewinnen würden.
Lincoln wird Präsident
Auslöser für die Sezession der Südstaaten war der Sieg Abraham Lincolns in den Präsidentschaftswahlen von 1860. Lincoln gehörte der republikanischen Partei an, die sich den Kampf gegen die Ausbreitung der Sklaverei auf die Fahnen geschrieben hatte. Er wurde ausschliesslich mit den Stimmen des Nordens gewählt. Die sklavenhaltenden Südstaaten sahen sich nicht mehr repräsentiert. Sieben von ihnen traten noch vor dem Amtsantritt Lincolns aus der Union aus, vier weitere folgten. Im Gegensatz zum Norden sahen die Südstaaten die Sezession als ihr gutes Recht an und argumentierten, die Einzelstaaten hätten mit dem Beitritt zur Union ihre Souveränität nicht aufgegeben. Sie gewichteten die Rechte der Einzelstaaten höher als die der Union. Ein Austritt war demnach jederzeit möglich.
Am 4. Februar 1861 gründeten die Staaten South Carolina, Mississippi, Florida, Alabama, Georgia und Louisiana die Konföderierten Staaten (CSA), einen von den USA unabhängigen Staatenbund. Kurz darauf schloss sich Texas den CSA an. Bis im Mai folgten Virginia, Tennessee, Arkansas und North Carolina. Zum Präsidenten wurde ein ehemaliger Senator aus Mississippi, Jefferson Davis, gewählt. Hauptstadt wurde Richmond, Virginia, das nur 100 Meilen vom direkt an die CSA grenzenden Washington D.C. entfernt liegt. Doch nicht alle Sklavenhalterstaaten traten der Konföderation bei. Missouri, Kentucky, Maryland und Delaware blieben als sogenannte Grenzstaaten in der Union. Auch der industriell geprägte Westen Virginias entschied sich für einen Verbleib in den USA. 1863 wurde das Gebiet als eigener Bundesstaat in die Union aufgenommen.
Vergebliche Suche nach diplomatischer Anerkennung
Die Konföderation gab sich eine Verfassung, die der US-Verfassung sehr ähnlich war. Einzig in der Sklavenfrage unterschieden sich die beiden Gesetzestexte deutlich. Anfänglich bemühte sich der Süden, der von der Rechtmässigkeit seines Tuns überzeugt war, um Anerkennung durch die USA, musste aber schnell einsehen, dass Washington die Sezession nie akzeptieren würde. Denn für die Nordstaaten stand viel auf dem Spiel. Der Süden war im Selbstverständnis der Menschen im Norden ein integraler Bestandteil der Union. Die Industrien des Nordens waren auf den Süden als Abnehmer ihrer Produkte angewiesen. Zudem profitierten die Wirtschaftskapitäne des Nordens davon, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Südens mit ihren Eisenbahnen und Schiffen transportiert wurden.
Auch die Hoffnungen auf Anerkennung durch die europäischen Mächte erfüllten sich nie. Dabei hatten die CSA besonders von Grossbritannien, wohin ein Grossteil der Baumwollernte ging, einen solchen Schritt erwartet. Doch Grossbritannien hatte bereits grosse Vorräte an Baumwolle angehäuft und konnte den Bedarf auch aus Ägypten und Indien decken. Schwer wog zudem die Kriegsdrohung der USA im Falle einer britischen Anerkennung der Konföderation. Auf Getreideimporte aus Nordamerika angewiesen, konnte sich das Empire keinen Krieg mit seiner ehemaligen Kolonie leisten. Während des Kriegs schwanden die Chancen auf Anerkennung weiter. Immer deutlicher zeichnete sich die militärische Unterlegenheit der Konföderation ab. Ein Sieg des Südens rückte in weite Ferne, was auch in Europa nicht unbemerkt blieb. Als Präsident Lincoln in seiner Emanzipationserklärung schliesslich auf den 1. Januar 1863 alle Sklaven des Südens für frei erklärte, war es für Europa endgültig unmöglich geworden, sich auf die Seite der CSA zu schlagen.
Ungleiche Voraussetzungen
Im Frühjahr 1861 rechneten die Sezessionisten allerdings noch stark mit Unterstützung aus Europa und einem Eingreifen der englischen Kriegsmarine zu ihren Gunsten. Auch sonst stand der Süden zu Kriegsbeginn nicht von vornherein auf verlorenem Posten. Zwar standen nur 5 Millionen weisse Einwohner den 21 Millionen Bewohnern des Nordens gegenüber. Doch als Folge der stärkeren militärischen Tradition im Süden gab es dort die fähigeren Offiziere und Soldaten. Ausserdem konnte die Konföderation den Feind «kommen lassen» und musste keinen Eroberungskrieg führen, um ihre Kriegsziele – die Unabhängigkeit – zu erreichen. Zur Verteidigung sind im Krieg naturgemäss weniger Truppen nötig als zur Eroberung.
Der Kriegsverlauf zeigte dann allerdings, dass der Norden die besseren Voraussetzungen mitbrachte. Ein entscheidender Vorteil der Union war das deutlich besser ausgebaute Eisenbahnnetz. Um dringend benötigten Nachschub zu transportieren, standen dem Norden zu Kriegsbeginn über 30 000 Schienenkilometer zur Verfügung, während sich der Süden mit knapp der Hälfte begnügen musste. Einen uneinholbaren Vorteil besass der Norden in den überlegenen Kapazitäten der Industrie, die innert kürzester Frist auf Kriegsproduktion umstellte. Allein die Produktion des Staates New York war vor dem Krieg etwa viermal grösser als die der gesamten Konföderation zusammen. Dazu lagen die Währungsreserven der Vereinigten Staaten in den Händen der Bundesregierung in Washington. Militärisch konnte nur die Union auf eine Kriegsmarine zurückgreifen, die diesen Namen auch verdient hatte.
Der Süden schiesst zuerst
Trotzdem war es die Konföderation, die am 12. April 1861 die ersten Schüsse abfeuerte. Sie galten Fort Sumter im Hafen von Charleston in South Carolina. Die Festung, obwohl auf Konföderationsgebiet gelegen, war zu diesem Zeitpunkt noch immer durch Unionstruppen besetzt. Von jeglichem Nachschub abgeschnitten, harrte die Besatzung unter Major Robert Anderson aus - bis Brigadegeneral Pierre Gustave Toutant Beauregard am 12. April um 04:30 Uhr das Feuer eröffnen liess. Einen Tag später ergaben sich die Unionssoldaten, wurden gefangengenommen und dem Norden übergeben.
Der Beschuss Fort Sumters forderte keine Opfer, doch war damit der Startschuss gegeben für den verlustreichsten Krieg, den das amerikanische Volk je führen musste. Bis zum Kriegsende am 9. April 1865 sollten über 600 000 Amerikaner sterben. Zum Vergleich: Im Zweiten Weltkrieg beklagten die USA rund 400 000 Todesopfer. Der Norden hatte mit seinem Sieg den Erhalt der Union gesichert und den Aufstieg der USA zur industriellen Wirtschaftsmacht eingeläutet. Der Süden verlor dagegen an Einfluss und wirtschaftlicher Bedeutung, und bis zum heutigen Tag sind die Wunden des Kriegs in den Köpfen mancher Südstaatler nicht verheilt.