Das Wahl-Chaos von Florida

Aktualisiert

Bush vs. GoreDas Wahl-Chaos von Florida

Die Präsidentschaftswahl 2000 machte die USA weltweit zum Gespött. Erst eine umstrittene Nachzählung und ein Gerichtsurteil verhalfen George W. Bush zum Sieg.

Peter Blunschi
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Peter Blunschi

In den Memoiren von George W. Bush scheinen die Umstände seiner Wahl zum Präsidenten vor zehn Jahren kein grosses Thema zu sein. Dabei wurden die USA damals weltweit zur Lachnummer, die stolze Demokratie hinterliess den Eindruck einer Bananenrepublik. Das Chaos begann am Tag der Wahl, dem 7. November 2000. Bush und sein Gegenkandidat, der amtierende Vizepräsident Al Gore, lieferten sich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen.

Am Ende lief alles auf den Staat Florida hinaus. Wer ihn und seine 25 Elektorenstimmen gewann, hatte die Präsidentschaft in der Tasche. Die Fernsehsender sahen anfangs Gore vorne, erklärten im Lauf des Abends jedoch Bush zum Sieger und damit zum Präsidenten. Worauf ihm Gore telefonisch gratulierte und in einer Rede in seiner Heimatstadt Nashville seine Niederlage eingestehen wollte. Kurz bevor er die Bühne betrat, wurde Gore zurückgepfiffen: Das Resultat in Florida war so knapp, dass eine Nachzählung nötig wurde.

Die dubiose Ministerin

Nun nahm das Chaos seinen Lauf. Während die Wahlzettel überprüft wurden, tauchten laufend neue Ungereimtheiten auf. So hatte im Bezirk Palm Beach der Rechtsaussen Pat Buchanan von der Reform-Partei überraschend viele Stimmen geholt. Verantwortlich gemacht wurden die «Butterfly Ballots», aufklappbare Wahlzettel, mit ihrer verwirrenden Anordnung der Kandidatennamen. Buchanan selber befand, es sei «leicht vorstellbar, dass Leute mich gewählt haben im Glauben, sie würden eigentlich für Al Gore stimmen».

Für Stirnrunzeln sorgte auch, dass der Gouverneur von Florida Jeb Bush hiess und der Bruder von «W» war. Eine dubiose Rolle spielte auch seine Innenministerin Katherine Harris. Sie war zuständig für den Ablauf der Wahl und gleichzeitig Mitglied von Bushs Wahlkomitee in Florida. Am 26. November erklärte Harris die Nachzählung für beendet und George W. Bush zum Sieger. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigte das Verdikt am 12. Dezember in einem umstrittenen Urteil mit 5:4 Richterstimmen.

Neues Drama vier Jahre später

Tags darauf warf Al Gore das Handtuch, obwohl er im ganzen Land 500 000 Wählerstimmen mehr gewonnen hatte als sein Gegenkandidat. Bis heute haftet George W. Bush der Makel an, nicht durch einen Volksentscheid, sondern durch ein Gerichtsurteil Präsident geworden zu sein. Zumal sich das Drama vier Jahre später fast wiederholt hätte. Diesmal stand der Bundesstaat Ohio im Zentrum der Kontroverse, doch der Demokrat John Kerry gestand bereits am Tag nach der Wahl seine Niederlage ein.

Wer 2000 in Florida wirklich gewonnen hat, dürfte wohl nie geklärt werden. Zwei grosse Untersuchungen von US-Medien kamen zum Schluss, dass es wohl doch Bush war. Für viele war der Konsumentenschützer Ralph Nader der Sündenbock. Er hatte für die Grünen kandidiert und Gore nach dieser Interpretation die entscheidenden Stimmen gekostet. Letztlich aber trägt Al Gore die Hauptschuld. Er schaffte es nicht einmal, in seinem Heimatstaat Tennessee zu gewinnen. Dieser hätte für das Weisse Haus gereicht.

Abgesang auf die «goldenen Neunziger»

Gore fiel nach dem umstrittenen Verdikt in ein tiefes Loch, aus dem er sich erst mit der «Neuerfindung» als Klimaschützer und dem Friedensnobelpreis 2007 befreien konnte – eine Auszeichnung, die Bush garantiert nie bekommen wird. Manche glaubten, die Wahl 2000 werde das Land nachhaltig entzweien, doch nur 247 Tage nach dem Entscheid des Obersten Gerichts sorgten vier Flugzeuge dafür, dass die Nation zusammenrückte. Heute ist sie wieder tief gespalten, dennoch scheint «Bush vs. Gore» weit zurückzuliegen.

Zehn Jahre danach wirkt die Kontroverse wie ein Abgesang auf die «goldenen Neunziger», in denen Amerika nach dem Ende des Kalten Kriegs die unangefochtene Weltmacht Nummer eins war, die Wirtschaft florierte und die US-Politik sich monatelang mit dem Blowjob eines Präsidenten beschäftigte. «'Bush vs. Gore' hat die Welt nicht verändert», heisst es auf der Website «Politics Daily». «Die Welt hat sich kurz nach 'Bush vs. Gore' verändert, und sie wird wohl nie wieder so sein wie damals.»

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