Die U-Bahn-Ikone feiert Geburtstag

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London UndergroundDie U-Bahn-Ikone feiert Geburtstag

Sie hat nicht das längste Netz und befördert nicht die meisten Reisenden. Doch als sie vor genau 150 Jahren den Betrieb aufnahm, war sie weltweit einzigartig: die Londoner Untergrundbahn.

Sie hassen und sie lieben sich - die Londoner und ihre Tube. Am 10. Januar 1863 fuhr vom Bahnhof Paddington nach Farringdon die erste U-Bahn der Welt. Heute hat London mit mehr als 400 Kilometern das zweitgrösste U-Bahn-Streckennetz nach Schanghai.

«Mind the gap!» - Man möge doch bitteschön die Lücke zwischen Zug und Perronkante beachten. An vielen der 270 Stationen der Londoner U-Bahn gibt es diesen Satz jeden Tag zehntausende Male zu hören. Für viele der jedes Jahr Millionen Touristen, die sich die Tube als eine Art Anti-Attraktion antun, ist das ein Stückchen britische Folklore.

London Underground ist längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sicherheit, Leistungsfähigkeit, Komfort - der ratternden, stöhnenden, häufig verspäteten Tube merkt man an allen Ecken und Enden ihr hohes Alter an. Die Auf- und Abgänge sind viel zu eng, die Bahnsteige zu schmal.

Bis 2006 gab es noch Rolltreppen aus Holz. Die Regierung hat bis 2036 die gigantische Summe von 16 Milliarden Pfund, umgerechnet rund 23,9 Milliarden Franken, zur Verfügung gestellt, um die Tube - benannt nach der runden Röhren-Form ihrer Tunnels - auf Vordermann zu bringen.

Test bestanden

Das heisst aber nicht, dass sie nicht immer wieder auch zu Überraschungen gut ist. Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen im Sommer 2012 zeigte die Tube im hohen Alter von 149 Jahren noch einmal, was sie kann. «Während der Olympischen Spiele und der Paralympics gab es das niedrigste Niveau an Ausfällen und Störungen», verkündete Transport for London, die Londoner Nahverkehrsgesellschaft, voller Stolz.

Dabei musste die U-Bahn gerade zu dieser Zeit auf ihren elf Linien Höchstleistungen erbringen. Mehr als 4 Millionen Fahrten wurden am Spitzentag gezählt - normalerweise sind es an einem verkehrsreichen Werktag rund 3,3 Millionen.

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Deutlich mehr als eine Milliarde Fahrgäste transportiert die Tube jährlich durch das verschlungene Netz des Londoner Untergrunds - rund die Hälfte der 402 Kilometer U-Bahn-Schienen liegen allerdings oberhalb der Erdoberfläche.

Skepsis zu Beginn

An solch olympische Höchstleistungen war vor 150 Jahren noch nicht zu denken. Züge unter der Erde? Noch kurz vor der Eröffnung urteilte die Zeitung «The Times», die ganze Idee sei «eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes». Die Stimmung schwankte zwischen Skepsis und Technikbegeisterung.

Schnell aber siegte die Praktikabilität über ideologische Fragen. Schon im ersten Jahr nutzen 11,8 Millionen Passagiere die Metropolitan Line, die Pionierlinie im Londoner Untergrund. London selber hatte damals gerade mal rund 3,2 Millionen Einwohner.

Londons Pendlerstrom wuchs. Wo vorher kleine Dörfer standen, breitete sich die Stadt rasant aus. Dieses Muster hielt Jahrzehnte an: Als 1926 die Northern Line bis zum damaligen Dörfchen Morden ausgebaut wurde, lebten dort 1000 Menschen. Fünf Jahre später waren es 12'600. Ohne die Tube sähe London heute ganz anders aus.

Hochs und Tiefs

Und auch zeitgeschichtlich hatte die U-Bahn einen Einfluss. Im Zweiten Weltkrieg rettete die Tiefe der Tunnel zigtausende Menschenleben. Londons Bevölkerung nutzte die U-Bahn als Bunker und versteckte sich dort vor den Bomben der Nazis.

Die tiefen Tunnel bargen aber auch Gefahren. Am 7. Juli 2005 erlebte London die schlimmsten Terroranschläge seiner Geschichte: In drei U-Bahn-Zügen und einem Bus gingen Bomben hoch, 52 Menschen wurden getötet. (sda)

Kurioses aus der Anfangszeit

Die Entwicklung der Londoner U-Bahn brachte vor allem in der Anfangszeit vorher nicht da gewesene Probleme mit sich, mit denen teils kurios umgegangen wurde:

Beim feierlichen Bankett zur Eröffnung der ersten Linie am 10. Januar 1863 fehlte der damalige britische Premierminister Lord Palmerston. Er war fast 80 Jahre alt und liess verlauten, er wolle noch so viel Zeit über der Erde verbringen, wie er nur könne.

Die ersten U-Bahn-Züge fuhren noch mit Dampf. Die Luft im Untergrund war derart schlecht, dass den Zugfahrern auf deren Forderung hin erlaubt wurde, sich Bärte wachsen zu lassen. Damit sollte Dreck herausgefiltert werden.

Die Betreiber der ersten U-Bahn-Linie verteidigten die schlechte Luft und behaupteten, die «belebende Atmosphäre» in den Schächten liefere «eine Art Gesundheits-Zufluchtsort für Menschen, die unter Asthma leiden».

Einige der Zuglinien hatten in den ersten Jahren keine Fenster, weil die Hersteller der Meinung waren, im Untergrund gebe es ja ohnehin nichts zu sehen. Bei den Fahrgästen waren sie extrem unbeliebt. Später wurden sie komfortabler.

Um den Menschen die Angst vor der ersten Rolltreppe, die in die Tiefe führte, zu nehmen, wurde ein Mann mit einem Holzbein angestellt, der demonstrativ mit der Treppe hoch- und hinunterfuhr.

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