Forscherin erkundet antike Tierkarikaturen

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Den Affen verspottenForscherin erkundet antike Tierkarikaturen

Dumme Esel, diebische Affen und lüsterne Hähne – mit Tierkarikaturen aus Terrakotta drückten die Menschen der Antike ihre Geringschätzung für gewisse Personen aus.

Der Lehrer als Esel, die Schüler als Affen: Karikatur auf einer römischen Lampe (l.); Hahn mit Männergesicht als Lüstling. (Bilder: Uni Bern, Unipress)

Der Lehrer als Esel, die Schüler als Affen: Karikatur auf einer römischen Lampe (l.); Hahn mit Männergesicht als Lüstling. (Bilder: Uni Bern, Unipress)

Ein Relief auf einer antiken Lampe zeigt einen Lehrer mit Eselskopf, der vor einer Klasse voller Affen steht. Für Simone Voegtle von der Universität Bern illustriert dieses Beispiel deutlich, wie die alten Römer und Griechen Tierkarikaturen einsetzten: Der Berufsstand der Lehrer hatte einen tiefen sozialen Status und wurde mit Spott auf Distanz gehalten. Die Archäologin erforscht, welche Weltanschauung hinter dieser Art von Humor steckte.

Wie im heutigen Sprachgebrauch stand auch im alten Rom der Esel für Dummheit. Die Tierfigur stelle etwas dar, was man nicht sein wollte, erklärte Voegtle in einem Bericht des «Unipress»-Magazins der Universität Bern. Diese Art von humoristischen Darstellungen sei stets abwertend eingesetzt worden - auslachen war bei den Römern erlaubt.

Die Bedeutung der verschiedenen Tierfiguren ist überliefert, etwa durch physiognomische Schriften, in denen aus tierähnlichen Körpermerkmalen auf den Charakter von Menschen geschlossen wird, aber auch durch Schimpfwörter oder Fabeln. Die Karikaturen, die Voegtle für ihre Dissertation in Bibliotheken und Archiven aufspürt, zeigen oft Menschen in ganzer oder teilweiser Tiergestalt.

Lüsterner Hahn aus dem Tessin

So wurde zum Beispiel im Tessin ein Terrakotta-Hahn mit Männergesicht gefunden. Der Hahn war ein gängiges Symbol für Lüsternheit - die Karikatur stellte offenbar einen besonders frivolen oder triebhaften Mann dar. Eine soziale Zuordnung sei bei der Hahnkarikatur nicht möglich, sagte Voegtle, da keine weiteren Fundstücke mit ihr zusammen gefunden worden seien.

Klar sind hingegen die sozialen Grenzen bei der Tonfigur von einer Münzstube mit einem Geldwechsler in Affengestalt: Dieser Beruf wurde im Römischen Reich von niederen Beamten oder gar ehemaligen Sklaven ausgeübt. Der tierische Vergleich offenbare, dass Geldwechsler in der Wahrnehmung der Römer nicht besser als Affen waren, die ihnen Dinge stibitzten, sagte Voegtle.

Mittel zur Ausgrenzung

Die witzigen Figürchen hatten eine klare soziale Funktion, glaubt Voegtle. «Lachen war in erster Linie ein Mittel zur Ausgrenzung», erklärte sie in dem Bericht. Indem sich die alten Römer über andere lustig machten, schufen sie sich selbst eine Identität und markierten ihren Platz in der Gesellschaft.

Laut der Archäologin ist das kein Wunder. Denn in der Zeit zwischen 300 vor bis 300 nach Christus wurden in Europa die Reichen immer zahlreicher, Völker vermischten sich, und die Gesellschaft fiel auseinander. Das Auslachen anderer war eine Strategie der Leute, sich in dieser quasi globalisierten Welt ihren Platz zu sichern.

Dazu dienten manchmal auch Tiervergleiche. Besonders weit verbreitet seien die Tierkarikaturen nicht gewesen, es sei eher ein kulturelles Randphänomen. Immerhin haben Archäologen tierische Spottbilder in praktisch allen Regionen Europas gefunden.

Schamlos verspotten

Mit dem heutigen Humor in der westlichen Welt liessen sich die römischen Tierkarikaturen nicht vergleichen, sagte Voegtle. Während Karikaturen heute oft Momentaufnahmen von Ereignissen oder Personen zeigten oder auch auf Missstände aufmerksam machen, sei die Abgrenzung im alten Rom im Vordergrund gestanden.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Lachens sei damals anders gewesen als heute, sagte die Archäologin. Auslachen gilt uns als verwerflich. «Aber die alten Römer verspotteten einander schamlos.» (sda)

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