«Gentech-Insekten wären im Obstbau interessant»

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Erste Tiere freigesetzt«Gentech-Insekten wären im Obstbau interessant»

Eine britische Firma hat Gentech-Mücken in der freien Natur getestet. Der Ökologe Wolfgang Nentwig von der Uni Bern zu Gefahren und Nutzen gentechnisch veränderter Insekten.

Claudia Hoffmann
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Claudia Hoffmann
Vorläufig noch nicht in der Schweiz: Gentech-Insekt.

Vorläufig noch nicht in der Schweiz: Gentech-Insekt.

Herr Nentwig, tummeln sich bald Gentech-Insekten in der Schweiz?

Wolfgang Nentwig: Definitiv nicht in nächster Zeit! Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist bei uns streng geregelt. Eine Firma müsste sehr komplexe Auflagen erfüllen und wäre damit wohl jahrelang beschäftigt. Und: Bisher wurde kein einziger Antrag bei den Behörden gestellt.

Gab es bereits anderswo Freisetzungen?

Ja, aber nur sehr wenige. Die britische Firma Oxitec schreibt auf ihrer Website, dass sie gentechnisch veränderte Insekten bereits in Brasilien, Malaysia und auf den Cayman-Inseln freigesetzt hat. Also alles Länder, in denen die gesetzlichen Regelungen sehr schwammig sind. Das ist aus meiner Sicht unseriös, wenn man auf diesem Wege strenge Auflagen in anderen Ländern umgehen will. Oxitec hat unter anderem auf den Cayman-Inseln gentechnisch veränderte Gelbfieber-Mücken in die Umwelt entlassen, um das von dieser Mückenart übertragene Denguefieber zu bekämpfen.

Wie funktioniert das?

Bei den freigesetzten Mücken handelt es sich um sterile Männchen. Diese können sich zwar weiterhin mit normalen Weibchen paaren, aber ihre Nachkommen sind nicht lebensfähig. Dadurch schrumpft die Mücken-Population. Die Methode der sterilen Männchen ist nicht neu und wird auch bei anderen Insektenarten verwendet. Nur wurden die Männchen bisher nicht gentechnisch, sondern chemisch oder durch Bestrahlung sterilisiert. In Spanien beispielsweise werden sterile Fruchtfliegen millionenfach ausgesetzt, um den Schädling in Obstplantagen zu bekämpfen – mit Erfolg.

Welche Vorteile hat die gentechnische Methode gegenüber der konventionellen?

Mit der konventionellen Behandlung erreicht man keine hundertprozentige Sterilität. Das heisst, ein bis fünf Prozent der Männchen können trotzdem noch gesunde Nachkommen zeugen. Mit Gentechnik sollten hingegen sämtliche Männchen steril sein. Ausserdem will man so vermeiden, dass die Tiere durch die chemische Behandlung geschwächt sind und deshalb weniger lang überleben, sich also nicht mehr paaren können. Es gibt aber bisher keine öffentlich zugänglichen Daten, die belegen würden, dass die gentechnische Methode tatsächlich besser funktioniert.

Kritiker befürchten, dass Rückstände von Gentech-Insekten in der Nahrung gesundheitsschädlich sein könnten.

Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn Rückstände da wären, würden diese beim Verdauungsprozess vollständig abgebaut. Dass Gesundheitsprobleme aufgetreten sind, ist mir nicht bekannt.

Welchen Nutzen könnten Gentech-Insekten der Schweiz bringen?

Ein Einsatz in der Landwirtschaft wäre vielleicht interessant, zum Beispiel von sterilen männlichen Fruchtfliegen im Obstbau. Ich bin aber überzeugt, dass es hierzulande auch in Zukunft keine Anträge auf Freisetzungen geben wird. Die Schweiz ist im Gegensatz zur EU ein viel zu kleiner Markt. Gleichzeitig sind die gesetzlichen Hürden so gross, dass sich eine Investition für Firmen nicht lohnt.

Wolfgang Nentwig

ist seit 1988 ordentlicher Professor für Ökologie am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern. Er studierte von 1974 bis 1979 Biologie an der Universität Marburg und promovierte 1981 über die Dynamik von Räuber-Beute-Systemen. 1985 habilitierte er sich in Zoologie.

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