Indiz statt BeweisDarum reichen auch Indizien
Meist sind sie spektakulär und spannend: Indizienprozesse wie im Fall der Leiche vom Katzensee fesseln uns besonders.

Indizien sind Belege für Tatsachen, die ihrerseits auf einen relevanten Sachverhalt hinweisen. (Bild: Colourbox)
Was geschah wirklich zwischen dem 3. April 2010, als die 50-jährige Bosnierin verschwand, und dem 1. Mai 2010, als ihre verweste Leiche im Flachmoor Hänsiried beim Zürcher Katzensee entdeckt wurde?
Das Zürcher Bezirksgericht ist überzeugt, dass der einzige Tatverdächtige, der Ehemann der Getöteten, die Frau umgebracht hat. Da der Angeklagte kein Geständnis abgelegt hatte und seine Unschuld beteuerte, musste die Staatsanwaltschaft seine Schuld in einem Indizienprozess nachweisen. Mit Erfolg: Das Gericht befand, das «Indizienmosaik» sei erstellt.
«Indiz» vs. «Beweis»
Für den Laien sind die juristischen Begriffe «Indiz» und «Beweis» schwierig zu entwirren. Im Strafrecht machen die Juristen aber einen klaren Unterschied: Ein Beweis belegt unmittelbar einen relevanten Sachverhalt, während ein Indiz (von lat. indicare = anzeigen) lediglich eine Tatsache belegt, die ihrerseits auf einen relevanten Sachverhalt hinweist. Ein Indiz ist sozusagen eine Stufe weiter vom Sachverhalt entfernt als der Beweis.
Als Beweis gilt beispielsweise die Aussage einer direkt involvierten Person; in der Form einer Zeugenaussage oder auch als Geständnis. Dieser Beweis muss natürlich noch gewürdigt werden, da Menschen lügen oder sich täuschen können. Wichtig ist aber: Die Aussage belegt einen relevanten Sachverhalt direkt, zum Beispiel wenn ein Zeuge aussagt, dass er den Täter bei der Tat beobachtet hat, oder wenn der Täter aussagt, dass er die Tat begangen hat.
Klassisch: der Fingerabdruck
Ein klassisches Beispiel für ein Indiz ist der Fingerabdruck auf der Tatwaffe. Dieses Indiz, das selbstredend bewiesen sein muss, belegt die Tatsache, dass der Verdächtige die Tatwaffe berührt hat – nicht aber, dass er den Mord damit begangen hat. Immerhin kann der Fingerabdruck je nach Umständen auch aus anderen, harmlosen Gründen auf die Waffe gelangt sein. Genau wie der Beweis muss auch das Indiz gewürdigt werden.
Reine Indizienprozesse finden immer dann statt, wenn der Angeklagte Aussagen zu der ihm zur Last gelegten Tat verweigert, was sein gutes Recht ist. In solchen Verfahren ist es eine Indizienkette, die zur Urteilsfindung führt; oder ein «Indizienmosaik», wie es das Zürcher Bezirksgericht nennt. Das Geflecht der Indizien muss so dicht und überzeugend sein, dass die Richter keinen erheblichen Zweifel an der Schuld hegen, da sonst der Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten) einen Schuldspruch verhindert. Das Bundesgericht hat dazu 2010 wie folgt befunden: «Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich alleine nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft oder die Tat hinweisen und einzeln betrachtet die Möglichkeit des Andersseins offenlassen, können einen Anfangsverdacht verstärken und in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das bei objektiver Betrachtung keine Zweifel bestehen lässt, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat.»
Grosses Medieninteresse
Im spätmittelalterlichen Rechtsverständnis war das Geständnis des Angeklagten unabdingbar, um ein Urteil fällen zu können. Notfalls erzwang man dieses Geständnis eben durch die «peinliche Befragung», also die Folter. Indizienprozesse wurden erst mit der Aufklärung möglich. Sie sind oft mit grossem Medieninteresse verbunden – vielleicht, weil die Neugier besonders angestachelt wird, wenn ausser der Täterschaft niemand die Wahrheit kennt. Vielleicht beängstigt und fesselt uns aber auch die Möglichkeit, dass ein Unschuldiger verurteilt wird, der hartnäckig seine Unschuld beteuert hat.
Jedenfalls haben Indizienprozesse oft enormes Aufsehen erregt: Der Mord in Kehrsatz zum Beispiel, für den der Ehemann des Opfers 1987 zu lebenslänglicher Haft verurteilt und 1993 in einem Revisionsverfahren wieder freigesprochen wurde. Oder der Fall des Tierarztes Gabor Bilkei, der 1999 für den Mord an seiner Gattin verurteilt wurde. Nicht so viel Zeit ist seit dem Mord in Rheinfelden vergangen, für den ebenfalls der Ehemann des Opfers ins Gefängnis wanderte. Schlagzeilen in der internationalen Presse machte schliesslich der Prozess gegen die Amerikanerin Amanda Knox, die 2009 mit ihrem damaligen Freund wegen Mordes an einer britischen Studentin zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt und 2011 von einem Berufungsgericht freigesprochen wurde.