GeschlechterfrageStress macht Männer zu Egoisten
Frauen und Männer ticken anders. Auch auf stressige Situationen reagieren beide Geschlechter ganz unterschiedlich: Frauen werden sanfter, Männer hingegen kämpferisch.

Psychischer Stress, wie ihn auch die Protagonisten im Film «Blair Witch Project» erleben, hat bei Männern und Frauen andere Auswirkungen.
Prüfung, Ärger mit dem Partner oder ein spannender Film im Kino: Während solche Momente Frauen eher einfühlsam machen, werden Männer egozentrisch. Das zeigt eine Studie von Psychologen der Universität Wien, die in der Fachzeitschrift «Psychoneuroendocrinology» erschienen ist.
Stress mobilisiert den Organismus, um belastende Situationen bewältigen zu können. Menschen und Tiere zeigen bei Stress entweder eine Kampf- oder Fluchtreaktion. Wie sich das auf das menschliche Sozialverhalten und insbesondere auf das Einfühlungsvermögen – die Empathie – auswirkt, ist noch weitgehend ungeklärt, schrieb die Hochschule am Mittwoch in einer Mitteilung.
Anders als gedacht
Die Wissenschaftler sind in ihrer Studie daher davon ausgegangen, dass Personen in einer belastenden Situation «aufgrund der Schutzfunktion von Stress egozentrischer werden und sich dies negativ auf deren Empathiefähigkeit auswirkt», erklärte Livia Tomova von der Uni Wien.
In der Studie mussten 40 Männer und 40 Frauen eine öffentliche Präsentation halten und anspruchsvolle Rechenaufgaben unter Zeitdruck lösen. Dass dies tatsächlich stressig für sie war, wurde über einen Anstieg der Pulsfrequenz sowie des Stresshormons Cortisol bestätigt. Es folgten Aufgaben, mit denen sich Empathie messen lässt – die Fähigkeit, seine eigenen Gefühle und Gedanken von jenen des Gegenübers zu unterscheiden.
Männer kämpferisch, Frauen empathisch
Die Resultate zeigen, dass Frauen unter Stress besser zwischen selbst- und fremdbezogenen Emotionen und Kognitionen unterscheiden konnten und dadurch in der Lage waren, empathischer auf andere Personen zu reagieren. Männer hingegen zeigten ein Verhaltensmuster, das eher mit einer klassischen Kampf- oder Fluchtreaktion erklärt werden konnte. Dies führte dazu, dass sie unter Stress egozentrischer und weniger einfühlsam wurden.
«Neben möglichen erziehungsbedingten und kulturellen Einflüssen» könnten dahinter auch biologische Ursachen stecken, erklärte Studienleiter Claus Lamm. So zeigen Frauen unter Stress eine höhere Ausschüttung des Hormons Oxytocin als Männer. Oxytocin hat einen starken Einfluss auf soziale Interaktionen, es ist auch als Kuschel- oder Bindungshormon bekannt.
Um diese Annahme zu überprüfen, wollen die Wissenschaftler in einer weiteren Studie untersuchen, ob tatsächlich Unterschiede in der hormonellen Stressreaktion die unterschiedlichen Auswirkungen von Stress auf Frauen und Männer erklären können.
(fee/sda)