«Ein Grossraumbüro kann wunderbar sein»

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Experten-Tipps«Ein Grossraumbüro kann wunderbar sein»

Der Ruf von Grossraumbüros ist angeknackst. Doch lässt sich auch dort konzentriert arbeiten. Man muss es nur richtig anpacken.

Fee Riebeling
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Fee Riebeling
Den Büros ohne Wände scheint die Zukunft zu gehören: Sie sollen die Kommunikation der Mitarbeiter erleichtern und das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Doch oft kommen sie nicht gut an: Grossraumbüros haben einen schlechten Ruf.
Der grösste Kritikpunkt: Man kann nicht konzentriert arbeiten. Die Gründe dafür sind verschieden.
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Den Büros ohne Wände scheint die Zukunft zu gehören: Sie sollen die Kommunikation der Mitarbeiter erleichtern und das Gemeinschaftsgefühl stärken.

Colourbox.com/Eric Audras

Die Kollegin isst am Platz gern überreife Bananen, der Kollege schreit ins Telefon und mindestens ein anderer beschwert sich lautstark über die Temperatur: Ein Arbeitstag im Grossraumbüro ist voller Ärgernisse. «Dieses Bild vermitteln zumindest viele Medien – allerdings zu Unrecht», sagt Lukas Windlinger vom Institut Life Sciences and Facility Management an der ZHAW, denn «ein gescheites Grossraumbüro kann wunderbar sein». Dann habe es auch nichts mehr mit den «Kaninchenställen» zu tun, die man aus US-Filmen kenne.

Herr Windlinger, wann ist ein Grossraumbüro ein gutes?

Wenn es die Leute unterstützt, die darin arbeiten. Was das konkret bedeutet, hängt immer von den Aufgaben und Anforderungen des Unternehmens und den Bedürfnissen der dort Arbeitenden ab.

Aber unabhängig vom Arbeitgeber lautet der Vorwurf häufig: Man kann sich in Grossraumbüros nicht konzentrieren. Wie lässt sich das lösen?

Natürlich kommt es in ihnen öfter zu Störungen und Ablenkungen als in Einzelbüros – durch Telefonate oder Face-to-Face-Gespräche unter den Kollegen. Deshalb ist es unerlässlich, Rückzugsorte zu schaffen. Das kann eine Zelle, ein Raum, aber auch eine Fläche sein, wo man beispielsweise nicht telefonieren darf oder wohin man sich zum Telefonieren zurückziehen kann.

Solche Räume gibt es vielerorts. Trotzdem beschweren sich viele über die Akustik. Wie lässt sich die in den Griff bekommen?

Nach unseren Erfahrungen ist die Akustik in vielen Grossraumbüros nicht schlecht, sondern zu gut. Das heisst, dass die Büros so gut gedämmt sind, dass man die Gespräche von den Kollegen zu gut versteht. Das Problem: Es ist unglaublich schwer, Sprache auszublenden. Wenn es gelingen würde, die Akustik so zu steuern, dass es eine Art Grundrauschen gibt und man das einzelne Gespräch nicht mehr versteht, würde es vieles verbessern.

Wie lässt sich das erreichen?

Steht das Gebäude schon, kann man baulich nicht allzu viel tun. Es bleibt also nur das Erstellen von Verhaltensregeln, die am besten gemeinsam erarbeitet werden. Das kann hilfreich sein. Und ansonsten sind Rückzugsmöglichkeiten wirklich das A und O. Natürlich kann man sich auch Kopfhörer aufzusetzen, wenn man sich abkapseln will. Aber das ist natürlich nicht überall gewünscht. Und es ist sicher nur die zweitbeste Lösung.

Welche Rolle spielt die Einrichtung?

Mitarbeiter schätzen es sehr, wenn sie in einer schön gestalteten Umgebungen arbeiten. Das heisst nicht, dass es jedem im Detail gefallen muss. Aber wenn ein Gestaltungskonzept sichtbar ist und die Ausstattung eine gewisse Wertigkeit hat, dann wird das als Wertschätzung empfunden. Dann sind sie auch bereit, gut und effizient zu arbeiten. Das Gleiche bewirken auch die Faktoren Tageslicht und Blick ins Freie sowie Pflanzen.

Warum ist Natürlichkeit so wichtig?

Natürliches – ob drinnen oder draussen, ob echt oder gut imitiert – trägt zum Wohlbefinden der Menschen bei. Und das allein über das Visuelle, weil Pflanzen keine Auswirkungen auf die Luftqualität haben. Da bräuchte man viel mehr Pflanzen, als man in ein Grossraumbüro stellen könnte.

Sollten Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz personalisieren und beispielsweise Fotos oder Dekorationen aufstellen dürfen?

Unbedingt. Mehrere Studien haben ergeben, dass das Darstellen von Identität wichtig ist. Genauso wie die Möglichkeit der Einflussnahme auf die eigene Umgebung: So fühlt sich der Arbeitnehmer deutlich wohler, wenn er beispielsweise die Storen selbständig bedienen kann. All das führt dazu, dass er gerne zur Arbeit kommt.

Gesundheit am Arbeitsplatz

Schweizer Arbeitnehmer wechseln immer häufi ger den Job. Umso mehr sind Firmen gefordert, als attraktive Arbeitgeber Angestellte längerfristig an sich zu binden. Dabei hilft das Label «Friendly Work Space» der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Es bescheinigt Firmen, dass ihr Arbeitsumfeld von Respekt und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern geprägt ist. In einer Serie berichtet 20 Minuten über die Thematik Gesundheit am Arbeitsplatz. Es geht um Aspekte wie Burn-out, Grossraumbüros oder Vereinbarkeit von Familie und Karriere. friendlyworkspace.ch

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