Schnell und gefährlichDie ewige Lust auf Geschwindigkeit
Die grössten Sportstätten der Welt sind Rennbahnen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das schon zu römischen Zeiten so war. Der Circus Maximus käme heute noch in die Top Ten.
Die Formel-1-Saison neigt sich dem Ende zu. Die Entscheidung, wer sich Weltmeister nennen darf, rückt näher. Hunderte Millionen Fans in der ganzen Welt werden sich dieses Spektakel um keinen Preis in der Welt entgehen lassen. Und nicht nur die Quote im Fernsehen zeugt von der enormen Popularität des Rennsports. Die weltweit grössten Sportstätten sind allesamt Rennbahnen, sei es für Autorennen, sei es für Pferderennen. Der Indianapolis Motor Speedway, Schauplatz des legendären Indy-500-Rennens, ist die unumstrittene Nummer 1 mit Platz für rund 400'000 Zuschauer. Geschwindigkeit, Gefahr und Geld ziehen die Menschen nicht erst seit der Neuzeit in ihren Bann, wie Wolfgang Behringer von der Saar-Universität aufzeigt.
Der Historiker hat die Kulturgeschichte des Sports von der Antike bis heute erforscht, darunter auch den Rennsport. Sein Fazit: «Der Motorsport ist keine olympische Disziplin, weil er zu gross ist für Olympia.» Diese enorme Beliebtheit hatte der Rennsport bereits im Altertum erreicht. Um 4000 vor Christus traten im Vorderen Orient Wagenlenker in Streitwagen gegeneinander an. In der Antike und der Spätantike gab es in griechischen, römischen und oströmischen Städten zahlreiche Rennbahnen. Auf der bekanntesten, dem Circus Maximus in Rom, konnten 150'000 Zuschauer die Wagen- und Pferderennen verfolgen. Heute würde der Circus Maximus mit diesem Fassungsvermögen auf Platz 10 der Rangliste der grössten Sportstätten landen. Auch das Hippodrom in Konstantinopel, der Hauptstadt Ostroms, bot zu seinen Glanzzeiten mehr als 100'000 Zuschauern Platz.
Es ging auch um Macht
Die Bedeutung des Rennsports unterstreicht die Tatsache, dass sowohl in Rom wie auch in Konstantinopel die Rennstätten in unmittelbarer Nähe zu den Kaiserpalästen lagen. «Diese Zahlen und die Nachbarschaft zum Palast, die dem Kaiser wichtig war, sprechen für sich: Sie belegen den ausserordentlichen Stellenwert des Rennsports. Der Kaiser wollte den Rennen jederzeit beiwohnen können», sagt Behringer. «Die Mischung aus Gefahr, Geschwindigkeit und Geld zog schon damals die Menschen in ihren Bann. Der Rennsport war teuer. Eine Quadriga kostete so viel wie ein Formel-1-Wagen heute, nur die Reichsten konnten sich solch ein Hobby leisten», erklärt der Sporthistoriker. Auch gewettet wurde im grossen Ausmass und mit hohen Einsätzen. «Das gilt übrigens für alle Sportarten zu allen Zeiten», sagt Behringer.
Da mit dem Rennsport die Massen erreicht werden konnten, wurde er auch zur Bühne für Politik und Machtkämpfe. So bildeten sich rivalisierende Stadionparteien, Rennställe, die politische Macht hatten. In Konstantinopel standen der Zirkuspartei des Kaisers die Zirkusparteien seiner Gegner gegenüber. Aus den Schlachtenrufen beim Rennen entwickelten sich blutige Aufstände, die Zehntausende das Leben kosteten.
Revival in der Renaissance
In der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert standen im Zuge der Wiederentdeckung der Antike auch Rennen hoch im Kurs. Es ging allerdings weniger martialisch und deutlich spielerischer zu und her. «Die Renaissance knüpfte an die Sportbegeisterung der Antike an. Auch Wagenrennen wurden wieder veranstaltet, zum Beispiel von Päpsten wie Pius II. oder Leo X. aus dem Hause Medici», sagt Behringer. Pferderennen waren beliebt – auch ausserhalb von Rennbahnen: Wie der Palio, das weltberühmte Rennen, das bereits seit dem Mittelalter in Siena ausgetragen wird. Auch im übrigen Europa waren Pferderennen weitverbreitet.
Die Tradition des Siegerpokals reicht 500 Jahre zurück: Pokale waren damals echte Wertgegenstände, ein Preisgeld für den Sieger. «Pokale aus den Augsburger Silberschmieden waren in der damaligen Welt berühmt. Einige davon stehen zum Beispiel im Topkapi-Palast in Istanbul», so Behringer. Es ist also durchaus kein neues Phänomen, dass man im Rennsport sehr viel verdienen konnte. Auch eine Bühne der Reichen und Schönen ist es nicht erst, seit Queen Elizabeth II. das Royal Ascot besucht und Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone immer neue VIP-Packages schnürt.