Neu-DelhiDreckigste Stadt der Welt ist dreckiger als gedacht
In einer Rikscha sitzend misst ein Forscher die Luftverschmutzung Neu-Delhis. Die Ergebnisse alarmieren. Denn die Belastung ist weit höher als bislang angenommen.
Eine Rikscha schleicht durch die verstopften Strassen von Indiens Metropole Neu-Delhi. Auf dem Rücksitz: ein Forscher und Geräte zur Messung der Luftverschmutzung. Ein ziemlich mitgenommener Töff fährt vorbei und bläst eine schwarze Rauchwolke aus – eines der Messgeräte schlägt aus.
Joshua Apte hat alarmierende Funde gemacht für jeden, der Zeit auf oder in der Nähe der Strassen der 25-Millionen-Stadt verbringt. Seine Zahlen sind noch weit schlimmer als diejenigen, die die Weltgesundheitsorganisation WHO dazu gebracht haben, Neu-Delhi als die am schlimmsten verschmutzte Stadt der Welt einzustufen.
Acht Mal höher
Das Ergebnis der Messungen von Apte und seinem Forschungsteam von der Universität Berkeley und vom Institut für Technologie sind beängstigend: Die durchschnittliche Verschmutzung war bis zu acht Mal so hoch wie die bisherigen Zahlen.
«Und man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Konzentrationen an den Stellen, wo die offiziellen Messgeräte stehen, schon sehr hoch sind», sagt er. Es handle sich nach seiner Aussage um die höchsten Level von Luftverschmutzung, die weltweit in Fahrzeugen gemessen wurden.
Dieser Punkt ist besonders wichtig. Etwa die Hälfte der Menschen leben im Umkreis von 300 Metern um eine grosse Strasse. Die Stadt hat ihre Messgeräte jedoch weit entfernt von primären Verschmutzungsquellen wie Schnellstrassen oder Fabriken platziert – damit nicht eine einzelne Quelle die Zahlen nach oben treibt, sondern ein Durchschnittswert von allen Emittenten ermittelt wird. «Aber dort verbringt kein Mensch viel Zeit», sagt Apte. Im Strassenverkehr seien es zwei oder drei Stunden pro Tag.
Erste Massnahmen
Der indische Premierminister Narendra Modi hat begonnen, die Attraktivität von Dieselfahrzeugen zu reduzieren, die zu den grössten fahrbaren Dreckschleudern im Land zählen. Die Preise wurden erhöht und Subventionen gestrichen. Doch solange Indien nicht die Standards für die Reinheit von Treibstoffen auf internationale Normen erhöht, wird dieser Schritt nach Einschätzung von Experten ohne Wirkung bleiben.
Apte wollte mit seinen Forschungen die grossen Unterschiede zwischen den offiziellen Zahlen und den tatsächlichen Belastungen für die Menschen deutlich machen. Um Daten zu sammeln, liess er sich zweimal täglich während des Berufsverkehrs vom Stadtzentrum in einen Vorort im Südosten fahren. Dabei nutzte er das typische Fortbewegungsmittel vieler Inder: eine offene Rikscha, in der er die schlechte Luft am eigenen Leib spürte: Nach einem Viertel der Fahrten hatte er Husten.
Zeit zu handeln
Umweltberater Ajay Ojha, der in Pune bei Mumbai arbeitet, sagt, es sei noch ein langer Weg, bis die Politiker die Risiken der Luftverschmutzung verstanden hätten und wüssten, was sie dagegen tun müssten. Sie seien sich zudem nicht einig, was die schlimmste Quelle der Luftverschmutzung ist. Neben dem Autoverkehr werden auch Industrie und Kraftwerke, die Müllverbrennung und die vielen kleinen Unternehmen wie Ziegelbrennereien verantwortlich gemacht.
Für Apte ist klar, dass es eine Menge Wege gibt, die Luft sauberer zu machen. Die gute Nachricht sei, dass es viele wirklich leicht umzusetzender Mittel gebe, die man ins Visier nehmen könnte. Er verweist darauf, dass man in den USA und in Europa auch erst angefangen habe, sich für die Sauberkeit ihrer Luft zu interessieren, nachdem die Einkommen gestiegen seien und die Menschen Änderungen gefordert hätten. «Ich bin überzeugt, dass wir in Indien das Gleiche erleben werden.»
Die dicke Luft hat einen Grund
Die dicke Luft hat einen Grund
Laut WHO sterben jedes Jahr mehr als 627 000 Menschen in Indien an den Folgen der Luftverschmutzung ausserhalb ihrer Häuser. Einer der Hauptgründe dafür ist der Autoverkehr in dem schnell wachsenden Land mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern. 1991 besassen 20 Millionen Inder ein Auto, 2011 waren es 140 Millionen – 2030 sollen es gar 400 Millionen sein.