Fukushima-Störfall zerstört Fischer-Träume

Aktualisiert

Verseuchtes WasserFukushima-Störfall zerstört Fischer-Träume

Die Fukushima-Katastrophe hat die Fischer in der Region arbeitslos gemacht. Der jüngste Störfall in der Atomruine hat ihre Hoffnung zerstört, dass sich dies bald ändern könnte.

M. Toda und K. Ueda
ap
von
M. Toda und K. Ueda
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Alle sieben Wochen geht der Fischer Fumio Suzuki auf Fang - aber nicht, um die Fische zu verkaufen, sondern um sie auf radioaktive Strahlung untersuchen zu lassen: Suzuki, dessen Familie seit drei Generationen in der Fischerei arbeitet, lebt in Yotsukura in der Nähe des japanischen Kernkraftwerks Fukushima.

Seit der Atomkatastrophe im Frühjahr 2011 ist er quasi arbeitslos: Kontaminiertes Wasser strömte in den Pazifischen Ozean und verseuchte auch die Fische. Der Störfall in der vergangenen Woche - verstrahltes Kühlwasser aus der Atomruine lief aus - hat die Hoffnung der Fischer in Yotsukura zunichtegemacht, dass sie bald wieder ihrer Arbeit nachgehen können.

«Wir können ihnen nicht vertrauen»

«Die Betreiber der Atomanlage reagieren immer zu spät, was immer sie auch tun», schimpft der 47-jährige Suzuki, der die Fischerei gemeinsam mit seinem 79 Jahre alten Vater betreibt. «Wir sagen: ‹Passt auf, dass das kontaminierte Wasser nicht ausläuft›, und sie lassen es auslaufen. Sie hinken immer einen Schritt hinterher. Wir können ihnen nicht vertrauen.»

An diesem Morgen sind Suzuki und sein Vater mit ihrem Schiff «Ebisu Maru» etwa 45 Kilometer vor der Küste Fukushimas unterwegs. Bei ihrem Testfang geht es darum, möglichst viele unterschiedliche Fischarten zu fangen. Nachdem sie die Netze eingeholt haben, beginnen die beiden Fischer, ihre Ausbeute zu sortieren: Sardinen, Seezunge, Seesterne, Brassen usw. Die Fische werden dann in Plastiktüten unterschiedlicher Farbe verpackt.

Im Hafen von Yotsukura werden die beiden Stunden später schon erwartet: Andere Fischer helfen ihnen dabei, die Fischproben in Kühlboxen umzuladen und sie in ein Labor zu bringen, wo sie auf Verstrahlung untersucht werden. In Japan wird sehr viel Wert auf möglichst naturbelassene Lebensmittel gelegt: Solange auch nur der geringste Verdacht besteht, dass in der Nähe von Fukushima gefangener Fisch radioaktiv belastet sein könnte, ist er auf dem Markt unverkäuflich.

Kontaminiertes Kühlwasser

Seit der Reaktorkatastrophe leben Suzuki und seine Kollegen von Zuwendungen der Regierung sowie des Betreibers des Atomkraftwerks, dem Energiekonzern Tepco. Viele haben bereits aufgegeben und den Beruf gewechselt. Auch Suzukis Sohn arbeitet inzwischen auf dem Bau.

Die Fischerei-Kooperative, so berichtet Suzuki, hatte für kommenden Monat einen Grossfang geplant, der nach umfangreichen Tests möglicherweise als für den Verzehr geeignet auf den Markt gebracht werden sollte. Nach dem jüngsten Vorfall in Fukushima wurden diese Pläne auf Eis gelegt. Die Behörden gaben bekannt, dass in der Atomruine eine grössere Menge kontaminiertes Kühlwasser aus einem Tank ausgelaufen sei.

Die Katastrophe vor zweieinhalb Jahren hatte zu Kernschmelzen geführt. Seitdem muss ständig Wasser zur Kühlung in drei Reaktoren gepumpt werden. Dieses Wasser wird in Auffangtanks aufbewahrt, und dort gab es ein Leck. Zwar soll das meiste Wasser in den Boden gesickert sein, ein Teil gelangte aber auch ins Meer. Die Atomaufsicht bewertete das Leck als «ernsten Störfall» und stufte es auf Stufe 3 der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse ein.

Hoher Strontium-Gehalt in Meerwasser-Proben

Zunächst bleibt unklar, welche Folgen der Zwischenfall auf die Meereswelt hat. Der Direktor des Fischerei-Forschungszentrums der Präfektur Fukushima, Nobuyuki Hatta, zeigte sich zuversichtlich, dass Testfänge bereits im September wiederaufgenommen würden. Die Untersuchungsergebnisse vor dem jüngsten Störfall seien vielversprechend gewesen. Die Regierung, so erklärt er, schreibe vor, dass ein Kilogramm Fisch höchstens 100 Becquerel (Einheit der Radioaktivität) enthalten dürfe. Vor Ort sei man strenger und lasse höchstens 50 Becquerel zu. Wie hoch die Kontaminierung sei, hänge von der Fischart ab, dem Lebensraum und den Ernährungsvorlieben. Von den 170 Arten, die in den vergangenen Jahren getestet worden seien, hätten 15 so gut wie keine Kontaminierung gezeigt. 42 Arten seien so stark verseucht, dass ihr Verzehr nicht infrage komme.

Cäsium wurde nach seinen Worten nur in wenigen Arten nachgewiesen. Allerdings kann das Vorkommen anderer Elemente wie Strontium oder Tritium zumindest in Labors im Umkreis von Fukushima nicht untersucht werden. Und gerade Strontium kann eine Gefahr darstellen: Es sammelt sich nach Angaben von Wissenschaftlern in Knochen. Tepco-Testergebnisse ergaben in den vergangenen Wochen einen hohen Strontium-Gehalt in Meerwasserproben.

All das stimmt Suzuki nicht gerade zuversichtlich. «Die Leute in der Fischereiindustrie haben keine Wahl als aufzugeben», bedauert er. «Viele haben es auch schon getan.»

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