FreeTheBeesGuerilla-Imker wollen Bienen wieder auswildern
Ein Verein von Bienenfreunden will für die Rettung der Honigbiene in der Schweiz wieder wilde Völker ansiedeln. Der Bund und Imkerverbände lehnen das ab - aus Angst vor Krankheiten.
Wilde Honigbienen sind in der Schweiz praktisch ausgestorben. Und wenn mal ein Volk entwischt und sich irgendwo in der Natur einnistet, wird es in der Regel eingefangen oder notfalls vernichtet. Grund: Die Imker befürchten, dass wilde Bienenvölker die Verbreitung von Krankheiten wie Faul- und Sauerbrut und die Weitergabe von Parasiten wie der Varroa-Milbe noch mehr beschleunigen.
Doch eine Gruppe von politisch engagierten Bienenfreunden fordert eine radikale Abkehr von dieser Praxis. Stattdessen fordern sie eine gezielte Auswilderung von Bienenvölkern, in der Hoffnung, dass sich durch natürliche Auslese Völker entwickeln, die trotz eines Befalls mit der Varroa-Milbe in einem Gleichgewicht leben können.
«Überzüchtet und übernutzt»
Um ihrer Forderung nach einer nachhaltigen Bienenevolution in der aktuellen Debatte ums Bienensterben Nachdruck zu verleihen, gründeten die Imker diese Woche den Verein FreeTheBees. Die Biene sei nicht nur Nutztier und Honiglieferant, sondern auch ein wichtiges Element für die Erhaltung der vom Bundesamt für Umwelt angestrebten Biodiversität, sagt Gründungspräsident André Wermelinger: «Wenn man uns liesse, würden wir in der ganzen Schweiz Nistkästen für wilde Bienenschwärme aufstellen. Doch das ist leider zurzeit noch verboten.»
Zumindest mitschuldig am weltweiten Bienensterben ist aus Sicht von FreeTheBees die starke und unnatürliche Übernutzung der Tiere: «Die Honigbiene wird heute in einem extrem engen Korsett von Ertragsoptimierung, Zuchtziel und Krankheitsbekämpfung gehalten. Die Summe der Eingriffe macht die moderne Bienenhaltung vergleichbar mit der Batteriehaltung von Legehennen. Dass unter solchen Umständen die Bienen immer weniger in der Lage sind, Krankheiten zu widerstehen, liegt auf der Hand.»
Auf Friedfertigkeit gezüchtet
Konkret kritisiert «Free the Bees», dass in der gängigen Praxis Königinnen gezielt auf Friedfertigkeit und Ertrag gezüchtet und künstlich in bestehende Völker eingesetzt werden. Die natürliche Vermehrung von Bienen, bei der sich bestehende Völker in mehrere Schwärme teilen, wird nach Möglichkeit verhindert.
«Durch die Unterdrückung der natürlichen Instinkte werden die Völker geschwächt und eine natürliche Auslese, die die Chance auf neue, krankheitsresistentere Völker mit sich brächte, komplett unterbunden», so Wermelinger.
Am schärfsten kritisiert FreeTheBees aber die offizielle Strategie zur Bekämpfung der existenzbedrohenden Krankheiten: «Die Behandlung der Bienenstöcke mit Medikamenten, Ameisen- oder Oxalsäure eignet sich offensichtlich nicht dazu, die Krankheiten wirksam einzudämmen. Im Gegenteil: Die Chemikalien, die zum Teil die gesamte Bienenbrut auslöschen, schwächen die Völker und machen sie damit noch anfälliger für die nächste Infektion.» Das Ziel müsse deshalb sein, dass die Bienen mit den Krankheiten leben können, so Wermelinger. Sein Verein fordert vom Bund, eine naturnahe Bienenhaltung und autonom lebende Bienenvölker zuzulassen, um so Stämme herauszubilden, die kräftig genug seien, um es mit den Krankheiten und Parasiten aufzunehmen.
Wilde Völker wären klein und aggressiv
Doch beim Bund und bei den Imkerverbänden stösst FreeTheBees mit seinen Ideen auf Skepsis. Hans-Ulrich Thomas, Mitautor des «Schweizerischen Bienenvaters», eines Standardwerks für Imker, bezeichnet den Forderungskatalog von FreeTheBees als unausgegoren und ignorant. Versuche im Ausland mit der Auswilderung von Bienenvölkern hätten zu «keinen verwertbaren Ergebnissen» geführt: «Die überlebenden Völker sind klein, schwärmen viel und sind aggressiv.» Ausserdem seien solche Völker Varroa- und Bakterienschleudern. «Zudem züchten nur zirka 2 bis 3 Prozent aller ImkerInnen aktiv ihre eigenen Königinnen. Die meisten folgen also bereits dem 'Ratschlag' von FreeTheBees und arbeiten mit Schwärmen und natürlich nachgezogenen Königinnen.»
Unterstützung von Pro Natura
Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik von Pro Natura, begrüsst die Gründung des Vereins: «Die Forschung hat sich stark fokussiert auf die Varroa-Bekämpfung und blendet die übrigen Problemfelder der Bienen weitgehend aus. Der Verein FreeTheBees schliesst eine Lücke, indem er sich um die Haltungsbedingungen der Bienen kümmert.»
Zumindest teilweise Unterstützung erhält FreeTheBees auch von Markus Imhoof, Regisseur des preisgekrönten Bienen-Films «More than Honey»: «Bienen wurden zu lange auf Sanftmut und Ertrag gezüchtet statt auf Widerstandsfähigkeit», sagt er im Interview (siehe Box). Doch Auswilderung in der Schweiz sieht er zwiespältig: «Wild lebende Honigbienen wären sehr kostbar als Genpool, aber in der dicht besiedelten Schweiz sind sie auch ein Problem, weil sie Krankheitsträger sein können. Ich verstehe beide Seiten. Man muss zur Lösung international zusammenarbeiten.»

Markus Imhoof: "Wild lebende Bienen wären ein wertvoller Genpool"
Was halten Sie von den Guerilla-Imkern vom Verein FreeTheBees?
Markus Imhoof: Artgerechte Bienenhaltung ist sicher sehr erstrebenswert. Um das durchzusetzen, braucht es auch diplomatisches Geschick.
Was sagen Sie zur Forderung nach einer Abkehr von der chemischen Krankheitsbekämpfung bei den Bienen?
Auf ganz lange Sicht wäre das interessant, aber ich weiss nicht, ob die Imker Zeit haben, auf die Evolution zu warten. Man müsste viele Verluste in Kauf nehmen.
Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, die wilde Ansiedlung von Bienenvölkern in der Schweiz wieder zuzulassen beziehungsweise sogar zu fördern?
Der Verein FreeTheBees kritisiert, die moderne Imkerei verhindere jede natürliche Auslese, was aber bei der Herausbildung von resistenteren Völkern notwendig wäre.
Die Bienen sind zu lange auf Sanftmut und Fleiss gezüchtet worden statt auf Widerstandsfähigkeit.
Glauben Sie, die Bestrebungen des Bundes, die in Richtung einer flächendeckend koordinierten Zwangsbehandlung aller Völker mit Oxal- oder Ameisensäure weisen, sind zielführend?
Die Behandlung mit Säuren ist viel weniger gefährlich als die von der chemischen Industrie angebotenen Medikamente, welche die Milben resistent machen. Diese soll so reduziert wie möglich eingesetzt werden und kombiniert mit allen anderen nicht chemischen Methoden, die aber allein nicht ausreichen.
Markus Imhoof ist Regisseur des preisgekrönten Bienenfilms "More than Honey". Er hat sich dafür intensiv mit dem weltweiten Bienensterben beschäftigt.