Tierschützer vereiteln Jagd auf diesen Schädling

Aktualisiert

Gefährliche SpeziesTierschützer vereiteln Jagd auf diesen Schädling

Das amerikanische Grauhörnchen, eines der schädlichsten Tiere der Welt, bedroht unser Eichhörnchen und soll darum ausgerottet werden. Dagegen wehren sich militante Tierschützer.

von
A. Hirschberg

Es ist putzig und viel zutraulicher als unsere einheimischen Eichhörnchen: Das Grauhörnchen aus den USA. Darum hat ein italienischer Diplomat 1948 zwei bis drei Pärchen im Piemont ausgesetzt. Seither verbreiten sich die Tiere dort ungehindert. Doch das sciurus carolinensis gehört gemäss DAISIE (Bestandesaufnahme über fremde invasive Arten in Europa) zu den 15 schädlichsten Wirbeltieren der Welt.

Eine Gefahr ist der Nager vor allem für seinen kleineren Cousin, das europäische Eichhörnchen (sciurus vulgaris). Mit seinem Fressverhalten richtet das Grauhörnchen aber auch grossen Schaden an den europäischen Laubbäumen an.

Eichhörnchenjagd wegen Beschwerde aufgeschoben

Damit der Schädling sich nicht von Italien aus in die Schweiz und nach Frankreich ausbreitet, sollen nun Massnahmen gegen das Grauhörnchen ergriffen werden – per Dekret und teilfinanziert von der EU. Eine entsprechende Willenserklärung wurde im Rahmen der Berner Konvention verabschiedet und das Projekt EC-Square im September 2010 gestartet. Ende Dezember 2011 gab die italienische Regierung grünes Licht: Die amerikanischen Nager sollten so weit wie möglich eingefangen und bis zum Tod in Käfigen gehalten werden. Auf ein Töten verzichtet man den Tierschützern zuliebe.

Dennoch laufen militante italienische Tierschützer gegen das Projekt Sturm. Sie haben in der Region Piemont eine Beschwerde gegen die Einfangaktion eingereicht. Dieser wurde Mitte Mai die aufschiebende Wirkung gewährt. «Es ist ein wichtiger Sieg. Sonst töten wir in ein paar Jahren alle Farben, die nicht italienischer Nationalität sind und kehren zurück zu Charakteristika aus dem zweiten Weltkrieg», lässt sich Walter Caporale Präsident der Animalisti Italiani Onlus (gemeinnützige Organisation Italienischer Tierschützer) in einer Medienmitteilung zitieren.

Tierschützer vor 15 Jahren schon erfolgreich

Die Tierschützer stellen sich auf den Standpunkt, dass das Grauhörnchen nicht mehr auszurotten ist und die Massnahmen der Wissenschaftler nur ein Töten von Tieren ohne Zweck und Nutzen ist. Ausserdem sei es abnormal eine Tierart auszurotten, um eine andere zu retten.

Den Mitarbeitern von EC-Square läuft derweil die Zeit davon. Schon im Jahr 1997 hat Sandro Bertolino von der Universität Turin zusammen mit einem Team von Wissenschaftlern eine Versuchsreihe gestartet, um die Grauhörnchen zu vernichten. Nach zwei Wochen musste die Aktion abgebrochen werden, weil Tierschützer gegen sie klagten. 220 Grauhörnchen wurden damals im Rahmen eines Versuchs im Naturpark Racconigi im Piemont eingefangen und eingeschläfert. Ein Gericht entschied später, dass die Aktion unrechtmässig erfolgt sei.

Die Hörnchen stehen bald an der Schweizer Grenze

Währenddessen haben sich die Grauhörnchen ungehindert vermehrt. Gemäss Zählungen von Sandro Bertolino lebten sie 1997 auf einer Fläche von 380 km2. 2003 waren es bereits geschätzte 2000 km2. Das europäische Eichhörnchen haben sie dort bereits weitflächig ausgerottet. Wenn die Population so weiter wächst, werden die Grauhörnchen gemäss Hochrechnungen in 15 bis 20 Jahren im Tessin sein. «Wenn wir Pech haben, noch früher», sagt der Wissenschaftler Sandro Bertolino gegenüber 20 Minuten Online.

In der Schweiz ist man darum wenig erfreut, dass das Projekt so kurz nach dem Start schon wieder blockiert ist. Je grösser die Population der Grauhörnchen in Italien, desto schwieriger wird auch eine Bekämpfung in der Schweiz. Darum sagt Caroline Nienhuis, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Umwelt: «Die Schweiz würde eine Durchführung des Projekts in Italien begrüssen.»

Was geschieht, wenn sich das Grauhörnchen uneingeschränkt verbreiten kann, sieht man in Grossbritannien. Dort hat das Grauhörnchen seinen roten Cousin praktisch ausgerottet: 140 000 einheimische sind verblieben, während es bereits Millionen amerikanische gibt.

Wieso das Grauhörnchen so überlegen ist

Das Grauhörnchen ist mit durchschnittlich 550 Gramm Körpergewicht deutlich schwerer als das Eichhörnchen, das rund 300 Gramm wiegt. In einer direkten Begegnung ist das Grauhörnchen also überlegen. Zudem ist es beim Futter weniger wählerisch – es frisst zum Beispiel auch unreife Eicheln – und macht im Winter keinen richtigen Winterschlaf. Das bedeutet, dass es mehr Zeit für die Suche nach Nahrung hat und auch die Nuss- und Samenverstecke der Eichhörnchen entdeckt und plündert. Dies wiederum schwächt die Eichhörnchen und sie bekommen weniger Junge. Ausserdem übertragen die Grauhörnchen auch das Parapox-Virus. Während sie selbst immun sind, sterben die Roten kläglich daran.

Deine Meinung zählt