ErdbebenWenn das Wallis baden geht
Die Schweizer Atomkraftwerke liegen fern von Erdbebenregionen. Der Mega-Stausee Grande Dixence im Wallis aber nicht. Würde er einem Beben standhalten?

Das Damoklesschwert, das über dem Wallis hängt: Die Grande Dixence.
Fukushima strahlt bis nach Baden-Württemberg, und Japan bebt bis ins Wallis: In ihrer neusten Ausgabe fragt sich das Lausanner Magazin «L'Illustré», ob Europas grösster Staudamm, die Grande Dixence im Wallis, einem Erdbeben à la Japan standhalten würde.
Täte es das nicht, zeigte 20 Minuten Online vor einem Jahr, würden die 400 Millionen Kubikmeter Wasser durch das Dix-Tal schiessen, Sion überschwemmen und Verwüstung säen, bis es in den Genfersee fliessen würde.
Steinhäuser eingefallen
Ganz an den Haaren herbeigezogen ist das apokalyptische Szenario nicht. Das Wallis ist eine erdbebenempfindliche Region. 1855 ereignete sich in Visp in Oberwallis ein schweres Beben. Ein Augenzeuge berichtete: «Die von Stein erbauten Häuser sind gleich eingestürzt, andere später eingefallen, oder ihrer starken Beschädigungen wegen abgebrochen worden. Höchstens die Hälfte der Steinhäuser wird noch zu retten sein.» Am 25. Januar 1946 richtete ein Erdbeben mit der Magnitude 6.1 (Vergleich Erdbeben Japan: 9.0) ebenfalls Schäden an. 2005 rüttelte es zwischen Chamonix und Martigny mit der Magnitude 4.9.
Wie der Lausanner Ingenieur Laurent Mouvet gegenüber «L'Illustré» versichert, hätte keines dieser Erdbeben die Dixence zum Einsturz bringen können. Ein solches Ereignis könne der Staumauer mit einer Kraft von 133 Millionen Tonnen nichts anhaben, sagt Geologe Pascal Tissières. In der Schweiz, so Tissières, komme es alle zehn Jahre zu einem Erdbeben der Stärke fünf, alle hundert Jahre zu einem mit der Stärke sechs, alle tausend Jahre zu einem mit der Stärke sieben.
40 Beben dieses Jahr
Es gibt aber auch weniger beruhigende Stimmen: «Die Schweiz wurde in den vergangenen 50 Jahren von Erdbeben verschont. Aber die Ruhe trügt. Wo sich kleine Erdbeben abspielen, wird sich früher oder später auch ein grosses ereignen», zitiert die Zeitschrift einen Bericht der Geologen Nicolas Deichmann und Donat Fäh. Im laufenden Jahr haben sich im Bergkanton Wallis bereits rund 40 kleinere Beben ereignet.
Georges Darbre vom Bundesamt für Energie beschwichtigt: Im Wissen und der Erfahrung über Bau und Kontrolle von Staudämmen sei die Schweiz weltweit führend. Szenarien mit Erdbeben, Hochwasser, Erdrutsche, Flugzeugabstürze, Attentate, Cyber-Attacken – alle möglichen Risiken seien evaluiert, kalkuliert und analysiert. Trotzdem, so Darbre, dürfe man ein Horrorszenario nicht ausschliessen. Dies könne geschehen, wenn mehrere Szenarien zusammentreffen. Für das Wallis könnte das heissen: Ein Erdbeben, das Erdrutsche und Lawinen auslöst.
Die Kleinen sind die fiesen
Wie 20 Minuten Online aber bereits in der Staudamm-Apokalypse-Rundschau im vergangenen Jahr herausgefunden hat, lauert die Gefahr nicht bei den gut kontrollierten Kolossen. Die vielen kleinen, kaum kontrollierten und zum Teil alten Staumauern drohen viel eher zu bersten.