Köbi Kuhn und die Sheffield-Girls

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Unvergessene WM-MomenteKöbi Kuhn und die Sheffield-Girls

Seit der WM 1966 in England ist die Industriestadt Sheffield auch in der Schweiz ein Begriff - wegen zwei Girls, drei Nationalspielern und einer langen Nacht.

Marius Egger
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Marius Egger

Franz Beckenbauer trifft 1966 gegen die Schweiz. Köbi Kuhn und seine Kumpels sind bei diesem Spiel gesperrt. (Quelle: YouTube)

Die Schweiz hatte sich mit Ach und Krach für die WM 1966 in England qualifiziert. Als eines der damals noch 16 besten Teams reiste die Nationalmannschaft mit Spielern wie Odermatt, Künzli und Kuhn auf die Insel und bezog in Sheffield ihr Quartier. Am 12. Juli stand das erste Spiel gegen Deutschland auf dem Programm.

Doch das interessierte später nur noch am Rande. Geschichte schrieben in der Nacht zuvor die Spieler Köbi Kuhn und Werner Leimgruber vom FCZ und Leo Eichmann, der bei La Chaux-de-Fonds unter Vertrag stand.

«Dieses dumme Auto»

Am Abend vor dem Spiel hatte Nationaltrainer Dr. Alfredo Foni, ein Italiener mit Sinn für Disziplin, die Spieler ermahnt, um 22.30 Uhr im Zimmer zu sein. Spät erst haben die Schweizer an diesem Tag das Abendessen eingenommen. Was dann passierte, schilderte Köbi Kuhn Jahre später in der «Schweizer Familie» wie folgt: «Der Leimgruber, der Eichmann und ich hatten noch Lust auf einen Spaziergang. Wir gingen zur Strasse, ich hielt den Daumen hoch, und dann hielt dieses dumme Auto auch schon an.»

In dem Auto, einem Mini, sassen zwei junge Engländerinnen – und kurz darauf drei Schweizer Nationalspieler. Das war um 22.15 Uhr. Zu fünft begab sich die Gruppe auf Spritztour durch die Industriestadt in South Yorkshire. «Natürlich hatten wir unseren Spass», sagte Kuhn später, «aber nicht so, wie die Leute denken. Stellen Sie sich vor: Zu fünft waren wir in diesem Mini eingepfercht. Die beiden Frauen vorne, und wir auf dem Rücksitz konnten uns zu dritt kaum bewegen. Es war eine harmlose Chalberei.»

Der Trainer wartete vor der Zimmertüre

Doch die harmlose Chalberei blieb nicht unentdeckt. Im Hotel wurden sie von Dottore Foni empfangen. «Der Trainer hatte sich auf eine Materialkiste vor unser Zimmer gesetzt und gewartet.» Kuhn und seine Mitstreiter waren 45 Minuten zu spät in ihren Zimmern. Das fand Foni gar nicht lustig. Er sperrte Kuhn, Eichmann und Leimgruber für das Spiel gegen Deutschland. Und Verbandsdirektor Ernst B. Thomann flehte die paar angereisten Schweizer Journalisten «buchstäblich auf Knien» an, den Vorfall nicht aufzubauschen, wie es in der «Saga des Weltfussballs» beschrieben wird.

Das Auftaktspiel gegen Deutschland ging 0:5 verloren und die «Sperre» der drei Spieler schlug in der Heimat ein wie eine Bombe. Verbandspräsident Thomann lud darauf die Frauen der Gesperrten ein und sorgte für noch mehr Unruhe: Die restlichen Spieler, die sich an die Regeln hielten, forderten gleiches Recht – erhielten es aber nicht.

Zwei Jahre gesperrt

Nach der 0:5-Schmach wurden die drei Spieler begnadigt. Zu einem Punkt reichte es trotzdem nicht mehr. Die Schweiz verlor gegen Spanien 1:2 und gegen Argentinien 0:2. Die WM war damit vorbei – die legendäre «Nacht von Sheffield» aber hatte ein Nachspiel. Der Verband sperrte die Spieler «auf Zeit», diese klagten die Verbandsspitze wegen Ehrverletzung ein. Erst 1968 wurden die Spieler begnadigt, nachdem sie die Klagen zurückgezogen hatten.

Zusammenfassung des Spiels Deutschland - Schweiz von 1966. (Quelle: YouTube)

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