Xherdan Shaqiri«Noch so ein Jahr will ich nicht erleben»
Kein Nationalspieler ist populärer als Xherdan Shaqiri (22). 20 Minuten sprach exklusiv mit dem Bayern-Star über Titel, Transfergerüchte und die bevorstehende Weltmeisterschaft.
20 Minuten: Xherdan Shaqiri, mit dem Triple 2013 und dem Double 2014 ist für Sie das Hamstern von Titeln nach dem Wechsel vom FC Basel in die Bundesliga weitergegangen. Wie gross wird die Umstellung für Yann Sommer und Valentin Stocker sein, die wahrscheinlich vorerst ohne Kübel auskommen müssen?
Xherdan Shaqiri: Darauf muss man sich einstellen. Ich habe zu einem Topverein gewechselt, wo Titelgewinne erwartet werden – wie das auch beim FCB der Fall ist. Das ist schon anders als für Sommer und Stocker, die bei Klubs untergekommen sind, die wohl kaum um Titel spielen werden – ohne respektlos klingen zu wollen. Aber das ist weit weg. Sie müssen sich erst an Land, Leute und den Klub gewöhnen. Das wird in den ersten Monaten vorrangig sein.
Sommer und Stocker waren Stars in Basel. In Deutschland wird jeder ein Spieler von vielen sein. Wie schwierig ist es, sich daran zu gewöhnen?
Es wird wohl nicht immer alles so gut laufen, wie es beim FCB gelaufen ist. Vielleicht muss man gerade am Anfang auch mal untendurch, sich aufrappeln und wieder aufstehen. Aber ich glaube, das ist wie in jedem anderen Geschäft auch, wenn man den Arbeitsplatz wechselt. Man muss sich erst beweisen und sich eine Position erarbeiten.
Sie haben jetzt Ihre zweite Saison in der Bundesliga beendet. Wie hat sich Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft in dieser Zeit verändert?
Ich war schnell integriert und habe mir einen Namen in der Mannschaft gemacht. Ich konnte durch Leistungen in den Spielen und Trainings zeigen, was ich kann. Meine Mitspieler nehmen mich wahr und sehen mich nicht mehr nur als den jungen Spieler an.
Und wie hat sich Ihre Rolle unter Trainer Pep Guardiola gegenüber der Zeit unter Jupp Heynckes verändert?
Ich habe von Heynckes mehr Vertrauen gespürt, vielleicht auch, weil Guardiola weniger mit uns Spielern spricht. Die vergangene Saison hatte ich Pech mit mehreren kleinen Muskelverletzungen und war deshalb nicht ganz so nah dran. Aber ich bin froh, dass ich meine Leistungen bringen konnte, wenn ich gespielt habe und mich weiterentwickeln konnte. Ich bin besser geworden.
Inwiefern?
Ich habe mehr Erfahrung gesammelt und auch sportlich ging es voran – taktisch wie spielerisch. Enttäuscht bin ich nur deshalb, weil ich weniger gespielt habe.
Denken Sie an einen Wechsel?
Wir werden sehen. Klar ist, dass ich so nicht weitermachen will. Wenn sich nicht viel ändert, werde ich etwas ändern müssen. Ich bin jung und muss mich weiterentwickeln. Ich will auch in den wichtigen Spielen von Anfang an spielen und nicht nur in der Bundesliga, wenn schon alles klar ist. So ein Jahr will ich nicht noch einmal erleben.
Aber was kann für Sie nach den Bayern in Frage kommen?
Für mich ist klar, dass ich nur in einem Topverein spielen will. Die Champions League ist mir wichtig. Man wird sehen, was passiert. Aber grundsätzlich will ich meinen Vertrag erfüllen.
In Transferforen wurden Sie zum Beispiel mit Liverpool in Verbindung gebracht. Ist England ein Thema?
Klar. Wenn ich wechsle, dann ins Ausland, innerhalb der Bundesliga eher nicht. Aber es muss ein Klub sein, der um den Titel mitspielt.
Sie haben es angesprochen, dass Sie wegen Muskelverletzungen in der abgelaufenen Saison weniger gespielt haben als noch im Jahr zuvor. Wie geht es Ihnen jetzt?
Ich bin wieder topfit und freue mich auf die Zeit mit der Nationalmannschaft. Ich freue mich auf die WM und wir werden versuchen, etwas Unglaubliches zu erreichen.
Sie sind vielleicht auch nicht so überspielt wie andere, die 60 und mehr Spiele in den Beinen haben. Kann das ein Vorteil sein für die WM?
Das kann sicher ein Vorteil sein. Aber ich glaube, dass bis zum Start am 12. Juni alle ausgeruht und auf dem gleichen Level sein werden – auch wenn wir am liebsten gleich loslegen würden, so sehr freuen wir uns auf die WM.
In der Nati gelten Sie als der Hoffnungsträger, während bei den Bayern der Lead älteren Profis obliegt. Wie einfach wechseln Sie zwischen diesen unterschiedlichen Rollen?
Es ist nicht einfach, umzuschalten und schnell in zwei verschiedene Rollen hineinzuwachsen. Aber das gelingt mir ganz gut. Wir haben eine gute Mannschaft, wir helfen einander und unterstützen uns gegenseitig. Das ist wichtig. Wenn wir zusammenhalten und alle denselben Weg gehen wollen, dann werden wir weit kommen.
Man sagt der aktuellen Generation nach, sie sei die Nati mit dem grössten Potenzial überhaupt. Was denken Sie?
Ich denke auch, dass wir noch nie eine bessere Mannschaft hatten. Auch wenn ich noch jung bin und mich mit der Vergangenheit nicht so intensiv beschäftige. Eine bessere Konstellation hat es meiner Meinung nach nie gegeben. Wir haben viele Spieler, die sich sehr gut entwickelt haben, viele spielen im Ausland in guten Klubs. Die Schweiz hat sich einen guten Namen gemacht. Ich spüre, wie beliebt die Nati bei den Fans ist und wie sich alle auf die WM freuen. Ich kann mich gut an die Zeit vor der WM 2010 erinnern. Damals rechneten alle damit, dass für uns nach der Vorrunde Schluss sei. Jetzt reden alle vom Achtelfinal als Minimalziel. Das zeigt doch, dass wir in diesen Jahren Unglaubliches geschafft haben.
2010 in Südafrika war da der unglaubliche Sieg im Startspiel gegen Spanien – und danach ging nichts mehr. Die Schweiz ist nach der Vorrunde ausgeschieden. Wurden daraus Lehren gezogen?
Man muss die Mannschaft sehen, mehr als die Hälfte ist nicht mehr dabei. 2011 kam der Umbruch, es kam zu einem Generationenwechsel, wir sind jünger geworden. 2010 ist lange her, unser Fussball hat sich stark verändert. Wir stehen nicht mehr nur hinten rein wie gegen Spanien. Wir versuchen mitzuspielen, offensiver aufzutreten – gegen jede Mannschaft. Wir versuchen auch die Grossen zu schlagen. Aber klar, wir müssen die Nerven behalten, wir sind sehr temperamentvoll und müssen uns im Zaum halten. Gelb kannst du immer holen wegen Foul oder so, aber wegen Reklamierens? Das geht für mich gar nicht.
Ist das die Bayern-Schule?
Nein. Ich glaube allgemein, dass es für einen Trainer nichts Schlimmeres gibt, als wenn ein Spieler in einer wichtigen Partie Gelb-Rot holt, weil er einmal reklamiert und einmal gefoult hat. Ich bin aber sicher, dass wir an der WM in allen Belangen top sein werden.
Was können Sie zur Gruppe mit den WM-Gegnern Ecuador, Frankreich und Honduras sagen?
Auf den ersten Blick sieht man einen Hochkaräter – das ist Frankreich. Die Franzosen wollen auch weit kommen. Ecuador und Honduras sind Mannschaften, gegen die es schwierig ist zu spielen. Das hat man 2010 bei unserem Unentschieden gegen Honduras gesehen. Aber wir spielen gegen jede Mannschaft auf Sieg und sehen, was rauskommt. Der Achtelfinal ist sicher einmal das erste Ziel.
Wie weit planen Sie für sich?
Ich plane Spiel für Spiel in der Vorrunde. Danach werden wir sehen. Es kommt, wie es kommt.
Für wie viele Wochen packen Sie?
Für drei Wochen und mehr.
Und was darf in Ihrem Gepäck nicht fehlen?
Meine Musikboxen sind wichtig für mich, damit ich laut Musik hören kann.
Farbe bekennen mit Shaqiri und der T-Flag
Ab sofort werden - solange der Vorrat reicht - in Credit Suisse-Filialen Fahnen in Form eines Nationalteam-Shirts, die sogenannten T-Flags, abgegeben. Holen Sie sich schnell Ihr persönliches Exemplar und bringen Sie es an Ihrem Balkon, Fenster oder an einem anderen geeigneten Ort an, um selber Teil des Teams zu werden. Denn das Motto lautet: Wir alle sind das Team! 20 Minuten sprach mit Xherdan Shaqiri im Rahmen eines Sponsoren-Events der Credit Suisse.