Doppeladler-VerfahrenVerpassen gleich drei Schweizer den Achtelfinal?
Die drängendsten Fragen zum Fall der Schweizer Doppeladler-Jubler Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Stephan Lichtsteiner.
Das sagt der Verband zum Doppeladler-Jubel und zu einer möglichen Sperre durch die Fifa. (Video: sda)
Welche Strafe droht Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Stephan Lichtsteiner vonseiten der Fifa?
Die Fifa verbietet zwar politische oder religiöse Symbole. Es ist aber fraglich, ob sie den von den Schweizern gezeigten Doppeladler als politisches Statement interpretiert. Allerdings könnte sie das Verhalten der beiden Schweizer Torschützen als Provokation der serbischen Fans verstehen. Dann käme Artikel 54 des Disziplinar-Reglements der Fifa zur Anwendung. Dort steht: «Wer während einer Partie die Zuschauer provoziert, wird mit mindestens zwei Spielsperren und einer Geldstrafe von mindestens 5000 Franken belegt.»
Xhaka, Shaqiri und Lichtsteiner würden also nicht nur die Partie gegen Costa Rica verpassen – sondern auch den zu erwartenden Achtelfinal! Kein Wunder, sagt Peter Gilliéron, Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes SFV: «Eine Sperre wäre ein Hammerschlag.»
Gibt es keine mildernden Umstände?
Die Fifa muss bei ihrem Urteil auch das Verhalten der serbischen Fans berücksichtigen. Teilen von ihnen wird vorgeworfen, die albanisch-stämmigen Schweizer vor und während der Partie schwer beleidigt zu haben (der Doppeladler von Lichtsteiner ist als Solidaritätsbekundung zu werten). Wegen des Verhaltens seiner Fans ermittelt die Fifa auch gegen den serbischen Verband. Unter anderem wegen «beleidigender politischer Slogans».
Was kann der Schweizerische Fussballverband bei einer Sperre tun?
Gilliéron sagt: «Wir wären Manns genug, uns weitere Schritte zu überlegen.» Das Problem: Ein allfälliger Schweizer Protest hätte keine aufschiebende Wirkung. Sprich: Selbst wenn der SFV gegen die Sperre vorginge, würden Xhaka, Shaqiri und Lichtsteiner während der weiteren Verhandlungen gesperrt bleiben.
Alex Miescher, Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) und Chef de Mission der WM-Delegation, hat ein gewisses Verständnis für Doppeladler-Geste von Granit Xhaka und Sherdan Shaqiri. Video: SDA
Auf wann wird das Urteil erwartet?
Der SFV muss der Fifa bezüglich Xhaka und Shaqiri bis am Sonntag kurz nach 22 Uhr Schweizer Zeit eine Stellungnahme schicken. Bei Lichtsteiner hat der Verband bis am Montagabend Zeit, weil das Verfahren gegen den Captain erst am frühen Sonntagabend eröffnet wurde. Das Urteil wird dennoch auf den Montag erwartet.
Die Stellungnahme wird von Claudio Sulser verfasst. Der Delegierte der Schweizer Nationalmanschaft war früher selbst Präsident der Fifa-Disziplinarkommission und weiss deswegen genau, welche Argumente nun gefragt sind. Die Nati stellt sich auf den Standpunkt, dass der Jubel eine spontane Reaktion auf dem Rasen gewesen sei und keine geplante Provokation.
Gibt es vergleichbare Fälle?
Der Kroate Josip Simunic wurde 2013 von der Fifa für zehn Spiele gesperrt. Allerdings war sein Vergehen weitaus gravierender. Simunic brüllte nach einem WM-Qualifikationsspiel gegen Island fünfmal einen Faschisten-Gruss in ein Megafon. Die Fifa sperrte ihn wegen «Anstiftung zur Fremdenfeindlichkeit».
Verhält sich der Schweizer Verband clever?
Die offizielle Haltung des SFV wirkt reichlich naiv. Seit dem 1. Dezember 2017 war bekannt, dass die Schweizer gegen Serbien antreten würden. Und dass Granit Xhakas Vater Ragip über drei Jahre als politischer Gefangener im Gefängnis sass, ist auch kein Geheimnis.
Trotzdem will niemand vom Verband vor dem Serbien-Spiel mit Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri über ihre Gefühle und Gedanken gesprochen haben. Verbandspräsident Gilliéron fragt rhetorisch: «Worüber will man sprechen, wenn man ihre Erfahrungen nicht gemacht hat?»
So unwissend, wie sich der SFV gibt, kann er gar nicht sein. Natürlich wird das Spiel mit Xhaka und Shaqiri besprochen worden sein. Würden die Schweizer das jetzt aber zugeben, wäre das ein weiterer Grund für die Fifa, von einer vorsätzlichen Provokation auszugehen. Also ist die gespielte Schweizer Naivität vielleicht recht clever.