InformatikAls ein Rechenfauler den Computer erfand
Konrad Zuse hatte 1936 den Urcomputer Z1 gebaut. Er sei zu faul zum Rechnen, begründete er seine Entwicklung. Zuse wäre am 22. Juni 100 Jahre alt geworden.

Heute dominieren US-Amerikaner wie Bill Gates und Steve Jobs die Welt der Informatik. Doch der Computer ist eine Erfindung aus Europa: In den 1930er-Jahren baute Konrad Zuse in Berlin den ersten Rechner zusammen. Vielleicht wäre Konrad Zuse ein reicher Mann wie Bill Gates geworden, wenn er ähnliche Vermarktungschancen gehabt hätte. Doch der studierte Bauingenieur mit einem Faible für Architektur und Maschinenbau lebte in Nazi-Deutschland. 1936 baute Zuse, gerade mal 26 Jahre alt, in einer Berliner Altbauwohnung einen Rechner zusammen.
Der war so gross wie ein Doppelbett und bockte, wenn sich die mechanischen Schaltglieder verklemmten. Doch er hatte fast alles, was ein moderner Computer braucht. Zuse nannte seine Erfindung Z1 - Z wie Zuse. Als er den Rechner 1941 zum Z3 weiterentwickelt hatte, dem ersten funktionsfähigen Digitalrechner weltweit, herrschte bereits Krieg.
«Zu faul zum Rechnen»
Kontakte nach Grossbritannien oder in die USA, wo Forscher für grosse Firmen an Rechnern tüftelten, hatte Zuse deshalb nicht. Der Erfinder blieb ein Einzelkämpfer, der sein Geld als Ingenieur bei den Berliner Henschel-Flugzeugwerken verdiente. Dort hatten die monotonen Berechnungen für Flugstatik in ihm den Wunsch aufkommen lassen, eine Maschine für die lästige Arbeit zu konstruieren.
«Ich bin zu faul zum Rechnen», begründete Zuse humorvoll seinen Erfinderdrang. Privat gründete er in Berlin die Zuse-Apparate-Bau, die erste Computerfirma der Welt. Doch 1945 fiel eine Bombe auf den Firmensitz, der Z3 wurde zerstört, der Nachfolger Z4 war unfertig. Konrad Zuse fing in Westdeutschland neu an.
Es war eine Zeit, an die sich Horst Zuse, sein ältester Sohn, Jahrgang 1945, noch gut erinnert. Als kleiner Junge durfte er aus der Computerbau-Firma seines Vaters in Hessen Abfallteile mitnehmen. «Die habe ich in meine Märklin-Eisenbahn eingebaut», sagt er heute schmunzelnd.
Von Siemens geschluckt
Konrad Zuse war ein Vater wie viele Wirtschaftswunder-Väter. Er arbeitete 16 Stunden am Tag und sah seine Kinder selten. «Er lebte bescheiden und war eher zurückhaltend», erinnert sich sein Sohn. Nach den ersten Märklin-Versuchen verwundert es nicht, dass Horst Zuse später Elektrotechnik studierte und Informatik-Professor wurde.
Mit den Leistungen seines Vaters setzt er sich jedoch erst seit wenigen Jahren im Detail auseinander. Mit 64 baut er gerade den zerstörten Z3-Computer von 1941 für ein Technikmuseum nach und zieht den Hut vor seinem alten Herrn. «Das ist eine geniale Architektur für eine Maschine, ganz wenige Bausteine und hoch abstrakt», lobt er.
Genutzt hat Konrad Zuse das alles wenig. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte blieb seiner Firma versagt. Die Konkurrenz in den USA und Deutschland holte in Sachen Computern schnell auf, 1967 schluckte Siemens die verschuldete Zuse KG. Natürlich sei sein Vater damals traurig gewesen, erinnert sich Horst Zuse.
«Verkannter Weltverbesserer»
Später rettete sich Konrad Zuse in Galgenhumor und gab als Berufsbezeichnung «verkannter Weltverbesserer» an. Erst im Alter baute er seinen zerstörten Z1 für das Berliner Technikmuseum nach und malte - vielleicht nicht zufällig auch ein Porträt von Bill Gates.
«Wenn er die heutige Aufmerksamkeit erleben könnte, bekäme er feuchte Augen», sagt Horst über seinen im Dezember 1995 gestorbenen Vater. Im Zuse-Jubiläumsjahr gibt es in Deutschland diverse Ausstellungen. Denn noch im kleinsten Laptop findet sich oft eine Zuse-Grundstruktur aus binären Zahlen, Rechen-, Speicher- und Programmwerk. (sda)