Staatsgeheimnisse weitergegebenSpion im deutschen BND verriet Russland hochsensible Informationen
Es ist wohl einer der grössten Spionagefälle in der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND): Ein Mitarbeiter soll dem Kreml Staatsgeheimnisse verraten haben. Nun wurde er verhaftet.
Darum gehts
- Ein Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes soll für Russland gearbeitet haben.
- Carsten L. soll hochsensible Daten weitergegeben haben.
- Gegen ihn wird nun wegen Landesverrats ermittelt.
Weil er einem russischen Nachrichtendienst Staatsgeheimnisse verraten haben soll, sitzt ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) jetzt in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt verdächtigt Carsten L. nach Angaben vom Donnerstag des Landesverrats. Der Deutsche soll in diesem Jahr Informationen, die er im Zuge seiner Arbeit erlangt hat, an Russland übermittelt haben. Ob dies erst nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine passiert sein soll, sagte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde nicht.
Beamte des Bundeskriminalamtes hätten den Mann am Mittwochabend in Berlin festgenommen. Die Wohnung und der Arbeitsplatz des Beschuldigten sowie einer weiteren Person wurden durchsucht. Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete am Donnerstag Untersuchungshaft an. Nach BND-Angaben wurden auch zwei Liegenschaften des Geheimdienstes durchsucht.
Nachdem der BND «im Rahmen seiner nachrichtendienstlichen Arbeit von einem möglichen Verdachtsfall in den eigenen Reihen Kenntnis bekommen» habe, habe der Dienst sofort umfangreiche interne Ermittlungen eingeleitet, teilte BND-Präsident Bruno Kahl in Berlin mit. Als diese den Verdacht erhärtet hätten, sei umgehend der Generalbundesanwalt eingeschaltet worden. «Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit den Ermittlungsbehörden zusammen, um den Fall gründlich aufzuklären», sagte Kahl.
Bei Landesverrat droht lebenslange Haft
Landesverrat kann nach dem Strafgesetzbuch in besonders schweren Fällen wie diesem mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren oder auch einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet.
Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen werde sich der BND zu Einzelheiten des Falles bis auf weiteres nicht öffentlich äussern, betonte Kahl. «Zurückhaltung und Diskretion sind in diesem besonderen Fall sehr wichtig.» Mit Russland habe man es auf der Gegenseite mit einem Akteur zu tun, «mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben», ergänzte der Präsident des deutschen Auslandsnachrichtendienstes. Hintergrund für diese Äusserungen könnte die Sorge vor möglichen Gefahren für Kontaktpersonen und Zuträger des deutschen Geheimdienstes in Russland sein, die durch den mutmasslichen Spion in den Reihen des BND verraten worden sein könnten.
Kahl betonte, jedes Detail des Vorgangs, das an die Öffentlichkeit gelange, «bedeutet einen Vorteil dieses Gegners in der Absicht, Deutschland zu schaden». Deshalb hänge in diesem Fall der Erfolg der Ermittlungen davon ab, «dass möglichst wenig öffentlich wird, bis der Generalbundesanwalt seine Ermittlungen abgeschlossen hat».
GRU-Agent in Österreich enttarnt
Erst Anfang der Woche hatte das österreichische Innenministerium mitgeteilt, ein 39-jähriger Grieche sei als mutmasslicher Spion des russischen Militärgeheimdienstes GRU enttarnt worden. Der Mann russischer Abstammung stehe im Verdacht, Informationen zu politischen und gesellschaftlichen Diskursen in Österreich im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geliefert zu haben.
Beim BND selbst war zuletzt 2014 ein sogenannter Maulwurf – ein Doppelagent – aufgeflogen. Zwei Jahre später wurde der Mann vom Münchner Oberlandesgericht wegen jahrelanger Spionage vor allem für den US-Geheimdienst CIA zu acht Jahren Haft verurteilt. Der damals 32-Jährige wurde des Landesverrats und der Verletzung von Dienstgeheimnissen schuldig gesprochen.
Der gelernte Bürokaufmann hatte zwischen 2008 und 2014 mehr als 200 teils streng geheime oder brisante Dokumente des BND an die CIA weitergegeben und dafür mindestens 80’000 Euro kassiert. Vor Gericht legte er ein Geständnis ab. Als Motive gab er Langeweile, Frust und Unterforderung an seinem Arbeitsplatz an. Unter den weitergegebenen Dokumenten war eine Datenbank mit Tarn- und Klarnamen deutscher Agenten im Ausland. Der Mann soll dabei auch das Leben einer BND-Quelle im Ausland gefährdet haben. 2014 hatte er sich zudem per E-Mail dem russischen Geheimdienst angedient.