Rumänien: Braunbär-Problem polarisiert die Politik

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ÜberpopulationHier bist du selbst in Städten nicht vor Bären sicher

Seit 2016 und dem Jagdverbot gegen Braunbären hat sich die Population in Rumänien vervielfacht. Dies führt immer wieder zu Konflikten mit den Menschen, weshalb eine Debatte über die Zukunft der Bären entfacht ist. 

Darum gehts

  • Rumäniens Politik fordert eine höhere Abschussquote für Bären.
  • Das Nationaltier wird in seiner Heimat zunehmend zum Problem.
  • Der Bestand hat sich in den letzten Jahren vermehrt und die Lebenswelten von Bären und Menschen kreuzen sich zunehmend.

Rumänien ist das Eldorado der Bären, rund 60 Prozent der europäischen Braunbären ausserhalb Russlands tummeln sich im waldreichen Land. Der Braunbär wird in seiner Heimat aber zunehmend zum Problem. Die Bären-Population hat sich über die letzten Jahre hinweg derart vermehrt, dass Konfliktsituationen mit den Menschen immer häufiger werden. Das Problem ist mittlerweile bis in die Politik vorgedrungen. In Rumänien werden Stimmen, die höhere Abschussquoten fordern, immer lauter, wie die «Frankfurter Rundschau» berichtet.

In den Dörfern und Städten der rumänischen Karpaten kommt es beinahe täglich zu beunruhigenden Szenen, wie die NZZ berichtet. Ein Anwohner berichtet von zahlreichen verängstigten Einwohnern, die mittlerweile zögern, ihre Kinder nach Einbruch der Dunkelheit nach Draussen zu lassen. 

Eine anderer Anwohner berichtet von einem Vorfall, bei dem ein achtjähriges Mädchen, das sich im Hinterhof ihres Elternhauses am helllichten Tag befand, von einem Bären angegriffen wurde: «Der Bär hat ihm mit seiner Pranke zugesetzt und es schwer verletzt,» erzählt er. Es habe das Mädchen in letzter Minute retten können, aber die Folgen des Angriffs seien ein Leben lang spürbar. Dem Mädchen würden heute Rippen fehlen und im Gesicht habe es sichtbare Verletzungen davongetragen. «Ihr Aussehen wird sich für immer von dem eines normalen Menschen unterscheiden,» fügt er hinzu.

14 Todesopfer binnen fünf Jahren

Wie viele Bären in Rumänien leben, weiss niemand so genau. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen von 6000 Tieren, Umweltschutzverbände von 4500 und in Rumänien selbst ist seitens der Politik von 7000 bis 8500 Tieren, seitens der Jagdverbände gar von 11’000 Exemplaren die Rede.

Einen gemeinsamen Nenner gibt es jedoch: Die Lebenswelten von Menschen und Bären vernetzen sich in Rumänien zunehmend. Es hagelt Klagen über gerissene Nutztiere, verwüstete Ackerfelder oder Bären, die in Wohngebieten Müllcontainer plündern und um Futter betteln. Zwischen 2016 und 2021 verzeichnete das Umweltministerium insgesamt 154 Bärenattacken, die 14 Menschenleben und 158 Verletzte forderten.

Politik fordert eine höhere Abschussquote

Seit 2016 ist die Jagd auf die geschützten Bären Rumäniens eigentlich verboten. Speziell die Trophäenjagd nach möglichst grossen männlichen Exemplaren ist strengstens untersagt, sind es doch vorwiegend weibliche Bären, die wegen ihres Nachwuchses mit den Menschen in Kontakt treten. Dennoch fallen jährlich rund 120 bis 140 sogenannte Problem-Bären dem Abschuss zum Opfer. Dies reiche nicht aus, viele Politiker, Hirten und Landwirte des Landes fordern eine höhere Abschussquote.

Selbst der frühere Umweltminister Barna Tánczos von der ungarischen Minderheitspartei UDMR kämpft gegen die angebliche Überpopulation der Bären an. Das Parlament «stehe in der Pflicht, den Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten», plädiert Tánczos. Schliesslich werde die Volksvertretung ja auch von Menschen und nicht von Bären gewählt. Im Juni musste er seinen Ministersessel räumen. Bevor er abtrat, veranlasste er an seinem letzten Samstag aber, dass künftig 500 Bären pro Jahr zum Abschuss freigegeben werden.

«Ein moralischer und wissenschaftlicher Bankrott»

Umwelt- und Tierschutzverbände reagierten empört: Die Erhöhung der Jagdquote sei ohne jede stichhaltige Begründung durchgewunken worden. Sie sei ein «moralischer und wissenschaftlicher Bankrott», hiess es. Wenn es nach ihnen geht, gäbe es auch gar keine Überpopulation an Bären. Die Abholzung der Wälder sei das Hauptproblem, sie zerstöre die natürliche Lebensgrundlage der Bären, sodass diese sich zunehmend den Wohngebieten der Menschen zuwendeten, lautet die Argumentation.

Ihre Klagen stiessen beim neuen Umweltminister Mircea Fechet auf Anklang. Auf Empfehlung von Rumäniens Akademie der Wissenschaften hat er die Abschussquote wieder auf 220 Tiere pro Jahr gesenkt, womit sie zwar immer noch fast doppelt so hoch ist wie bisher. Parallel dazu möchte er den genauen Bärenbestand Rumäniens nach wissenschaftlichen Standards ein für alle Mal klären. Weiter hat er auch eine Aufklärungskampagne zum Bärenproblem angekündigt. So solle man zum Beispiel das Füttern der Bären unterlassen, weil dies nicht nur gefährlich sei, sondern auch dazu führe, dass die Bären ihre natürliche Lebensweise aufgäben. 

Du weisst von einem Tier in Not?
Hier findest du Hilfe:
Feuerwehr, Tel. 118 (Tierrettung)
Polizei, Tel. 117 (bei Wildtieren)
Tierrettungsdienst, Tel. 0800 211 222 (bei Notfällen) 
Schweizerische Tiermeldezentrale, wenn ein Tier entlaufen/zugelaufen ist
Stiftung für das Tier im Recht, für rechtliche Fragen
GTRD, Grosstier-Rettungsdienst, Tel.  079 700 70 70 (Notruf)
Schweizerische Vogelwarte Sempach, für Fragen zu Wildvögeln, Tel. 041 462 97 00

Tierquälerei:
Meldung beim kantonalen Veterinäramt oder beim Schweizer Tierschutz (anonym möglich)

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