Singles statt AlbenMit diesem Trick verdient US-Rapper Russ auf Spotify Millionen
Kaum jemand hat seine Musikproduktion so an den Streamingplattformen ausgerichtet wie der Rapper Russ. In der Schweiz gilt er darum als Vorbild und als Teil eines grösseren Problems.
Darum gehts
Der US-Rapper Russ hat mit Kontoauszügen auf Twitter gezeigt, dass er pro Woche bis zu 231’000 Dollar verdient.
Obwohl er relativ unbekannt ist, haben es viele seiner Songs in Spotifys Goldgruben geschafft: die Playlists.
Das liegt daran, dass kaum einer sich so nach Algorithmen der Streamingplattformen richtet wie Russ. Damit gilt er als Vorbild, aber auch als Teil eines grösseren Problems.
Bis zu 231’000 US-Dollar verdient der US-Rapper Russ (31) pro Woche mit seinen Songs. Das hat er jüngst bei X (ehemals Twitter) offenbart. Bitte, wer? Ausserhalb der Hip-Hop-Bubble dürften die wenigsten den Musiker mit den langen Locken kennen. Trotzdem gilt er in der hiesigen Musikbranche als Vorbild. Denn kaum ein Künstler hat seine Musikproduktion so stark an die Algorithmen der Streamingdienste angepasst wie er.
Zwischen 2014 und 2017 hat Russ als unabhängiger Rapper ohne Label im Rücken jede Woche einen neuen Song veröffentlicht. An die Chartspitze schaffte er es zwar nie, aber immerhin landeten zwei Singles in der «Billboard Hot 100», der wichtigsten Hitparade der USA.
Die Taktik der Massenproduktion zahlt sich jedoch aus anderen Gründen aus. «Mit jedem Release hat er die Chance, bei einer Streamingplattform einer Playlist zugeordnet zu werden», erklärt Baldy Minder (56) gegenüber 20 Minuten. Der Berner kennt die Schweizer Hip-Hop-Szene wie kein zweiter und managt Chlyklass, eine der ältesten Rapcrews des Landes.
Warum Alben weniger wert sind
Von Algorithmen zusammengestellte Playlists gelten als Goldmine. Wenn es ein Song bei Spotify oder Apple Music dort rein schafft, wird er automatisch öfters abgespielt, auch von Menschen, die noch nie vom Künstler gehört haben und bringt damit mehr Geld. Darum haben vermutlich viele schon Lieder von Russ gehört, ohne es zu merken. Der Rapper aus Atlanta ist regelmässig in den Playlists von Spotify vertreten – aufgrund der Fliessband-Kadenz, in der er Musik veröffentlicht. Dabei bestrafen die meisten Algorithmen den Aufwand, der hinter einem Album steckt. Ein Album mit zwölf Songs darauf gilt als einzelner Release – genauso wie eine Single.
Hörst du lieber eine Playlist oder ein ganzes Album?
Darum veröffentlichen Schweizer Künstlerinnen und Künstlern wie Pronto, Gigi oder L Loko & Drini öfters einzelne Songs statt ganzen Alben, was ausserdem günstiger ist. «Ich bin kein Fan dieser Entwicklung, weil es künstlerisch viel einfacher ist, ständig Singles zu droppen, als ein Album zu machen», sagt Hip-Hop-Experte Minder. Bis heute gilt in der Szene das 2010 mit dem Literaturpreis ausgezeichnete Album «Seiltänzer» von Tommy Vercetti (42) aufgrund seiner Stimmigkeit als Leitstern. Jüngst hat sich etwa Bligg (47) wieder an ein Konzeptalbum gewagt, das von Anfang bis Ende gehört werden soll. Seine Songs sind über die Jahre zwar kürzer und damit spotifykonformer geworden, trotzdem will er weiter Musik machen, die Ansprüche von Streamingplattformen dabei ignorieren. Als etablierter Künstler ist er damit allerdings eine Ausnahme.
Was sich andere von Russ abschauen können
«Musik ist spätestens seit dem Streaming ein Billigprodukt geworden», sagt Minder. Vom Streaming könnten nur Musikerinnen und Musiker leben, deren Songs monatlich mindestens 100’000-mal gehört werden. Spotify-Königin Taylor Swift (33) mit 105 Millionen monatlichen Hörerinnen und Hörern verdient laut den Finanzexperten von Bloomberg 120 Millionen im Jahr mit Streams. Zum Vergleich: Mit Fanartikeln und Konzerttickets verdient die US-Amerikanerin dreimal mehr.
Minder propagiere darum «organisches Wachstum» und eine Fanbase aufzubauen, die einem auch nach einem Monat ohne neuen Song erhalten bleibt. Der US-Rapper Russ wollte seine Follower mit seinem Post zu den wöchentlichen Einkünften ermutigen. «Du musst nicht im Radio vorkommen oder bei einem grossen Musiklabel unter Vertrag sein, um abzusahnen. Du musst viel gute Musik haben und die Rechte daran besitzen», schreibt Russ. Als er 2013 aus einem Song von Ed Sheeran (32) seine eigene Version mixte, war das Russ’ erster Hit. «Drei Monate lang verdiente ich damit monatlich 1000 Dollar, ich fühlte mich reich.» Mittlerweile ist er es tatsächlich.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.