Gewaltfreies Hundetraining«Man kann seinem Hund auch freundlich Grenzen setzen»
Bei der Initiative für gewaltfreies Hundetraining geht es um angstfreies, belohnungsbasiertes Hundetraining. Wir haben nachgefragt, was es mit der Methode auf sich hat.

Dem Hund einfach ein Leckerli geben, damit er gehorcht? Die bekannte Hundetrainerin Gabriela Frei-Gees ist davon kein Fan, wie sie 20 Minuten kürzlich in einem Interview verraten hat.
Sogenanntes belohnungsbasiertes Training (zum Beispiel die Methode Positive Rocks) ist in aller Munde. Frei-Gees vertritt die Meinung, dass diese Erziehungsmethode den Hunden nicht gerecht werde und die wissenschaftlichen Grundlagen veraltet seien.
Der Artikel hat für zahlreiche Reaktionen gesorgt – darunter viele Leserinnen und Leser, die sich mehr Informationen zu dieser Methode wünschen. Wir haben mit Bettina Stemmler von der Non-Profit-Organisation Initiative für gewaltfreies Hundetraining gesprochen und offene Fragen geklärt.
So funktioniert gewaltfreies Hundetraining
Frau Stemmler, welche Ideen und Trainingsmethoden stehen hinter der Initiative für gewaltfreies Hundetraining?
Ziel ist die Verbreitung und Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen im Training und Umgang mit Hunden. Nicht nur ist es ethisch vertretbarer, auch neueste Studien zeigen: Ein Hund lernt am besten, wenn er sich auf eine Belohnung freut, anstatt Einschüchterung, Kontrollverlust oder schmerzhafte Einwirkungen zu erwarten.

Funktioniert diese Methode auch bei aggressiven Hunden?
Natürlich! Das Hirn eines Säugetiers ist in seiner Funktionsweise über alle Arten vergleichbar. Bei Aggressionen sind neben Schmerzen auch Ängste, Unsicherheiten oder Traumata mögliche Ursachen. Oft ist aggressives Verhalten erlernt, weil es für den Hund keine andere Möglichkeit gab, zu kommunizieren.
Deshalb sollte im Training der bisher angstauslösende Reiz so präsentiert werden, dass er mit angenehmen Gefühlen und Entspannung verbunden wird. So muss der Hund nicht mehr aggressiv reagieren, lernt ein erwünschtes Verhalten und die Bindung zum Menschen wird gestärkt. Trainerinnen und Trainer, die das «Austicken» mit Strafen unterdrücken, ändern nichts an den verursachenden Emotionen.
Wie soll man denn Grenzen setzen, wenn der Hund einfach nicht hören will?
Erstmal muss man herausfinden, warum der Hund nicht hören kann. Jedes Verhalten hat komplexe innere und äussere Ursachen. Der Glaube, der Hund sei deswegen «frech» und es sei sinnvoll, ihn zu bestrafen, ist falsch: Wir sind verantwortlich für das Training. Somit ist es am Menschen, den Hund so zu halten und zu trainieren, dass seine Bedürfnisse befriedigt sind und er keine Gefahr für die Umwelt darstellt.

Grenzen setzen kann man auch auf freundliche Art und Weise, mit Management (zum Beispiel mit einer Leine und einer dem Hund und der Situation angepassten Distanz) und mit Training. Man trainiert besser das, was man möchte, anstatt Unerwünschtes mit Strafe zu unterdrücken.
Die wissenschaftlichen Grundlagen für Positive Rocks stammen aus den 30er-Jahren. Sind die noch aktuell?
Ja, die Grundlagen stammen aus dieser Zeit, sind allerdings bis heute unwidersprochen. Natürlich hat sich die Forschung zum Hund weiterentwickelt. Man thematisiert auch innere Zustände, wie Bindungsverhalten, Kognition und Stressregulation. Entscheidend ist aber die neurobiologische Grundlage des assoziativen Lernens – das bedeutet, dass wir, Menschen wie Hunde, am besten lernen, wenn wir uns auf eine Belohnung freuen.

Ist das nicht nur Konditionierung?
Auch wer straft, nutzt Konditionierung. Wenn wir unseren Hunden im Alltag und Training Erfolge ermöglichen, Sicherheit bieten und auf ihre Bedürfnisse achten, sorgen wir für eine sozial sichere und tiefe Bindung. Unnötig überfordernde Situationen hingegen führen zu Kontrollverlust mit entsprechend unsicherer Beziehung.
Woran erkennt man Ihrer Meinung nach eine gute Hundeschule?
Auf unserer Website findet sich ein Verhaltenskodex mit konkreten Kriterien. Am wichtigsten ist beim Training, medizinische Ursachen auszuschliessen und auf Schmerz- und Schreckreize zu verzichten. So baut es auf positiven Emotionen auf.
Wie stehst du zu belohnungsbasiertem Hundetraining?
Keine News mehr verpassen
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.
Meret Steiger (mst), arbeitet seit 2016 für 20 Minuten. Sie ist Redaktorin für Living und Auto & Mobilität und berichtet über Wohnen, Einrichten und Architektur.
