Dagsmejan200 Franken für ein Pyjama? «Ihr habt unsere Ehe gerettet»
Die Gründer des Schweizer Senkrechtstarters «Dagsmejan» wollen Boxershorts-Schläfer zu Trägern edler Pyjamas machen. Im Interview verraten sie, wie.
Dagsmejan: Darum gehts
Pyjama-Produzentin Dagsmejan ist die am schnellsten wachsende Firma der Schweiz.
Gegenüber 20 Minuten erklärt das Gründer-Paar, weshalb das Unternehmen durchstartet.
Und weshalb ein gesunder Schlaf erst seit kurzem in den Fokus der Gesellschaft rückte.
Gleich bei der Zürcher Fraumünsterkirche im Kreis 1 führt eine elegante Holztreppe mit geschwungenen Handläufen über mehrere Etagen ins oberste Stockwerk ins Büro des Schweizer Unternehmens «Dagsmejan», das schlaf-optimierte Pyjamas verkauft. «Dag» bedeutet auf Schwedisch «Tag», «Mejan» heisst «Kraft» – kombiniert: «Kraft für den Tag».
Circa 200 Franken kostet eine Pyjama-Kombi, die guten Schlaf verspricht. Das Produkt kommt an: Laut eigenen Angaben wurden seit seiner Gründung 2016 über eine Million Schlafanzüge verkauft. Gemäss einer Auswertung der «Financial Times» gehört die «Dagsmejan» zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen der Schweiz.
Das Gründerpaar Catarina Dahlin und Andreas Lenzhofer, das auch privat liiert ist, empfängt 20 Minuten unter dem hohen Giebeldach und sagt, wie es mit ihrer innovativen Schlafbekleidung die Schlafzimmer in über 100 Ländern erobert hat. Die schwedische Marketingexpertin und der Schweizer Unternehmensberater haben 2016 ihre internationalen Karrieren an den Nagel gehängt, um sich als Unternehmer selbstständig zu machen.
Frau Dahlin, Hand aufs Herz: Wer trägt heutzutage überhaupt noch ein Pyjama? Ist dieses Kleidungsstück nicht ein Auslaufmodell, das hauptsächlich Kinder und ältere Menschen tragen?
Catarina Dahlin: Tatsächlich schlafen nur noch rund 40 Prozent der Menschen überhaupt in einem klassischen Pyjama. Die anderen schlafen entweder nackt oder tragen Boxershorts und ein altes T-Shirt. Diese Menschen wollen wir für unser Produkt gewinnen.
Also Zielgruppe «Boxershortsträger»?
Andreas Lenzhofer: (lacht) Genau, die Boxershortsträger und die Das-älteste-T-Shirt-geht-ja-noch-zum-Schlafen-Träger. Wir richten uns an all diejenigen, die das Verständnis verloren haben, was ein Pyjama überhaupt ist, aber selbstverständlich auch an die Träger von herkömmlichen Baumwoll-Pyjamas, denen es aber wichtig ist, was sie tragen. Das sind oft sehr gesundheitsbewusste Menschen, die zum Beispiel auch viel Geld für hochwertige Sport- oder Outdoorkleidung ausgeben.

Schlichte Farben, Fokus auf die Funktion: Ausgehängte Dagsmejan-Pyjamas im Showroom.
20min/Marco ZanggerDas Pyjama als neues Lifestyleprodukt – wie kamen Sie auf diese Idee?
Dahlin: Ich war jahrelang als Geschäftsfrau in Asien unterwegs und hatte konstant Jetlag, war müde und schlecht drauf. Ich habe gemerkt, wie zentral Schlaf für mein Wohlbefinden ist.
Lenzhofer: Während Corona hat sich der Longevity-Trend, also das Bedürfnis, länger gesund zu leben, verstärkt. Uns wurde bewusst: Menschen investieren viel Geld in Produkte, die ihr Wohlbefinden steigern, aber schenken dabei dem Schlaf kaum Achtung. Unsere Idee war, ein Produkt zu kreieren, das den Schlaf und somit das Wohlbefinden optimiert. Immerhin verbringen wir rund acht Stunden am Tag schlafend. Um ein gutes Leben zu haben, muss man gut schlafen, so einfach ist es.
Inwiefern soll sich denn unser Schlaf genau verändern, wenn wir das alte T-Shirt mit einem Dagsmejan austauschen?
Lenzhofer: Alles Leben auf der Erde ist im 24-Stunden-Rhythmus getaktet. Unser Schlaf-/Wachrhythmus wird durch Veränderungen unserer Körpertemperatur bestimmt, so muss zum Beispiel unsere Körpertemperatur am Abend um rund 0,75 Grad Celsius absinken, damit wir einschlafen können. Mit unseren Produkten unterstützen wir unsere natürliche Thermoregulation, damit stellen wir sicher, dass der Körper sich die ganze Nacht in der idealen klimatischen Komfortzone befindet. So können wir besser einschlafen, mit weniger Unterbrechungen durchschlafen und somit einen qualitativ hochwertigeren Schlaf geniessen.
Es gibt ja auch eine spezielle Kollektion für Sportler. Was muss man sich unter so einem Sportlerpyjama denn genau vorstellen?
Dahlin: Unsere Recovery Collection hat gewisse Mineralien im Stoff eingearbeitet, die unsere Körperwärme in Form von Fern-Infrarot-Energie reflektierten, was dann die Sauerstoffversorgung und in der Konsequenz die nächtliche Regeneration unserer Muskulatur verbessert.
Das klingt abenteuerlich …
Lenzhofer: Klingt komisch, aber funktioniert. (lacht) Besonders förderlich ist das natürlich im Spitzensport.
Dahlin: Genau. Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Athleten zusammen. So zum Beispiel mit der Schweizer Eishockey-Nati.
«Ich lese jedes einzelne Kunden-Review.»
Mit dem Dagsmejan-Pyjama scheinen Sie einen Zeitgeist getroffen zu haben. Gemäss einer Auswertung der «Financial Times» führen Sie das am schnellsten wachsenden Unternehmen (FT 1000) der Schweiz. Wie haben sie das geschafft?
Lenzhofer: (lacht) Wir waren selber überrascht von diesem riesigen Erfolg. Eine solche Erfolgsgeschichte würde man eher von einem Fintech- oder Blockchainunternehmen erwarten, aber nicht von einer Textilfirma. Ich glaube, wir hatten einfach das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt am Start und konnten unsere Zielgruppe mit unseren Social-Media-Kampagnen und den eigenen Webshops gut erreichen.
Dahlin: Ausgangspunkt für unsere Erfolgsgeschichte ist ein Produkt, welches auch tatsächlich einen Mehrwert bietet. Ich lese jeden Tag jede einzelne Kundenbewertung. Die Feedbacks waren so euphorisch, dass wir manchmal nicht wussten, ob diese wirklich ernst gemeint sind. (lacht)
Was schreiben denn die Kunden?
Zum Beispiel: «Ihr habt mein Leben gerettet» oder «Ihr habt unsere Ehe gerettet». Das sind Leute, die jahrelang Schlafprobleme hatten und denen es nun besser geht.
Was trägst du nachts?
Sie sind fast ausschliesslich digital über Webshops unterwegs. Woher kommen Ihre Kunden?
Lenzhofer: Die meisten Kunden haben wir in Deutschland, am meisten Pyjamas verkaufen wir allerdings in der Schweiz. Beinahe die Hälfte unseres ganzen Verkaufs findet hier statt, der Rest ist breit verteilt. Wir haben Kunden in über hundert Ländern. Ein schnell wachsender Markt ist die USA. Über 50 Prozent unserer Sales sind wiederkehrende Kunden. Es gibt Leute, die bereits über 50 Pyjamas haben.
Ein Pyjama-Oberteil für Frauen kostet zwischen 90 und 110 Franken. Die Pyjamahose nochmals etwa gleich viel. Ist das nicht ein ziemlich stolzer Preis?
Dahlin: Die meisten Personen verstehen, dass sich unsere Produkte in einem höheren Preissegment befinden, weil sie dafür auch Qualität und Funktion kriegen.
Lenzhofer: Unser Pyjama kostet aufs Jahr gerechnet 50 Rappen pro Nacht. Wenn man bedenkt, dass der Kunde Nacht für Nacht während acht Stunden ein Pyjama trägt, das den Schlaf verbessert, dann ist das ein faires Angebot.

«Eigentlich tragen nur rund 20 Prozent der Bevölkerung Pyjamas», erklärt Catarina Dahlin (2. v. l.).
20min/Marco ZanggerFrau Dahlin, Sie stammen ursprünglich aus Schweden. Wie viel Schweden steckt in Dagsmejan?
Dahlin: Die schwedische Philosophie, die Design und Funktion kombiniert, steckt natürlich drin. Die Schweiz mit ihrer Forschung und der reichen Textil-Tradition aber genauso.
Es wäre naheliegend, ein Schweizer Qualitätsprodukt speziell auch im Ausland expliziter als Schweizer Qualitätsprodukt zu vermarkten. Unterlassen Sie dies bewusst?
Lenzhofer: Swiss Made ist immer noch sehr attraktiv, entsprechend ist es ein wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation. Nur: der Hauptfokus in unserer Kommunikation ist: Besser schlafen.
Dagsmejan: Zahlen & Fakten
Anzahl Mitarbeiter: 25
Produktionsstandorte: Schweiz, Österreich, Litauen, Rumänien, Portugal
Verkaufsmärkte: Über 100 Länder
Stores: Über 120 Retail-Partner in fünf Märkten, ein eigener Store in Zürich
Forschung: Forschungspartner: Universität Stockholm (Schlafforschung), Swiss Federal Institute for Materials Science & Technolgy EMPA (Materials Science), Universität für Kunst und Design Luzern (Textil-Ergonomie)
Umsatz: Über zwölf Millionen Franken
Es gibt keine Marke, die für Schweizerinnen und Schweizer mehr für Pyjamas steht als Calida. Wie finden Sie Calida-Pyjamas?
Lenzhofer: Calida verkauft Schlafanzüge – wir besseren Schlaf, wissenschaftlich getestet.
Würden Sie sich von Calida aufkaufen lassen?
Lenzhofer: Das ist kein Thema, Calida muss ja auch grad noch ihre letzten beiden Akquisitions-Abenteuer verdauen.
Zum Schluss: Wann hatten Sie das letzte Mal Ferien?
Dahlin: Als «Wellbeing-Unternehmer» ist uns unsere persönliche Gesundheit natürlich sehr wichtig, dazu zählt auch, dass wir unsere fünf Wochen Ferien auch wirklich priorisieren. Allerdings gibt es noch immer nur wenige Tage, an denen wir wirklich offline sind. Daran arbeiten wir …
Immerhin sind Sie immer ausgeschlafen.
Dahlin: (lacht) Genau. Ich hoffe, Sie auch bald.
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