Ukraine-Krieg«Auf dem Schlachtfeld lässt Trump Selenski wohl nicht hängen»
Die USA scheinen sich aus ihrer Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg zurückziehen zu wollen. Viel wichtiger ist laut einem Experten aber, dass die US-Rüstungsindustrie Kiew Waffen verkaufen darf.
Darum gehts
- Das US-Aussenministerium hat gemäss Medienberichten mitgeteilt, dass die USA sich aus der Vermittlerrolle zwischen der Ukraine und Russland zurückziehen wollen.
- Der definitive Entscheid von Donald Trump steht noch aus.
- Für Experte Alexander Dubowy sieht es so aus, als wollten die USA die diplomatischen Bemühungen zurückfahren, Kiew auf dem Schlachtfeld aber nicht hängen lassen.
- Denn entscheidender als Diplomatie seien für den Kriegsverlauf derzeit amerikanische Waffen.
Was ist passiert?
Die USA wollen nicht länger zwischen Ukraine und Russland vermitteln. Sie seien weiterhin den Friedensbemühungen in der Ukraine verpflichtet, wollten jedoch ihre Rolle als Vermittler zurückfahren, teilte das US-Aussenministerium gemäss Euronews mit. «Wir werden nicht auf die Schnelle um die Welt fliegen, um Vermittlungstreffen zu vereinbaren. Das ist jetzt eine Angelegenheit zwischen den beiden Parteien, und jetzt ist es an der Zeit, dass sie konkrete Ideen vorlegen und entwickeln, wie dieser Konflikt beendet werden kann», sagte Sprecherin Tammy Bruce.
Ist Frieden damit vom Tisch?
Laut Russlandforscher und Osteuropa-Experte Alexander Dubowy heisst das: erst einmal gar nichts. «Diese Entscheidung muss Donald Trump fällen. Es bleibt abzuwarten, was er dazu sagt.» Es zeichne sich aber eine Kursänderung in den diplomatischen Bemühungen der USA aus. «Der Zeitpunkt dafür ist naheliegend. Trump hat es in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit nicht geschafft, einen Durchbruch zu erzielen in den Verhandlungen und so einen diplomatischen Erfolg zu feiern.»
Was bedeutet das für die Situation an der Front?
Die wesentliche Frage ist laut Dubowy, ob die USA die Ukraine weiterhin mit Waffen, insbesondere für die Flugabwehr, und mit Geheimdienstinformationen versorgt. Erst diesen Donnerstag hatte Trump privaten US-Rüstungskonzernen erlaubt, Waffen direkt oder indirekt an die Ukraine zu verkaufen – ohne Zustimmung oder Beteiligung der Regierung. Dazu kommt der Rohstoff-Deal, der soeben zwischen Kiew und Washington abschlossen worden ist. «Für mich sieht es danach aus, dass Trump sich zwar als Vermittler zurückziehen, die Ukraine auf dem Schlachtfeld aber nicht hängen lassen will.»
Ist das ein Vor- oder Nachteil für die Ukraine?
«Die Lage ist insgesamt schlechter als im Januar. Derzeit gibt es keine diplomatischen Bemühungen mehr, diesen Krieg zu beenden», sagt Dubowy. Der Rohstoff-Deal beinhalte ausserdem keine verbindlichen Sicherheitsgarantien. «Das ist, was die Ukraine braucht.»
Und für Russland?
Für Russland wäre das Best-Case-Szenario laut Dobuwy, wenn Trump Selenski die Schuld geben würde an den gescheiterten Verhandlungen und alle Militärhilfen blockieren würde. «Danach sieht es im Moment nicht aus.» Der Zermürbungskrieg in der Ukraine gehe so einfach weiter. «Und beide Seiten glauben nach wie vor, dass sie diesen Krieg militärisch-politisch gewinnen können.»
Was, wenn Trump auch die Militärhilfe einstellt?
Dann wird es laut Dubowy tatsächlich kritisch für die Ukraine: «Schon nach wenigen Wochen würden die Folgen dieses Entscheids auf dem Schlachtfeld sichtbar.» Möglich ist laut dem Experten, dass Trump bilateral weiter mit Putin verhandeln will. «So hat er eigentlich sogar eine elegante Lösung: Er erlaubt der Ukraine und den westlichen Partnern den Kauf von amerikanischen Waffen, um im Krieg weiter bestehen zu können. Gegenüber Putin kann er aber sagen, dass seine Regierung nichts damit zu tun hätte und dass er die privaten Rüstungskonzerne nicht einschränken könne. Und seinen Anhängern der MAGA-Bewegung kann er verkaufen, dass die Rüstungsverkäufe gut seien für die amerikanische Wirtschaft.»
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Daniel Graf (dgr) arbeitet seit 2020 für 20 Minuten. Er ist Leiter des Ressorts News, Wirtschaft & Videoreportagen und seit September 2023 Mitglied der Redaktionsleitung.
