Pride: Firmen unter Druck

Publiziert

LGBTIQ+Der Pride springen die Sponsoren ab – auch die Teilnehmenden?

Unternehmen bekennen sich dieses Jahr weniger öffentlich zur queeren Gesellschaft und spenden weniger Geld. Manche spüren auch in der breiteren Gesellschaft eine Ermüdung.

Pride-Sponsoring: Darum gehts

  • Unternehmen ziehen sich als Sponsoren der Pride zurück, darunter Swisscom und Gilead.
  • Beobachter vermuten, dass politische Einflüsse und wirtschaftliche Unsicherheiten eine Rolle spielen.
  • Teilnehmende der Pride spüren den Rückgang der Unterstützung, bleiben aber entschlossen.

Es ist Juni: Das heisst, in vielen Weltgegenden wird der Pride-Monat gefeiert. In den letzten Jahren hiess das, dass Firmen ihre Logos und Standorte mit Regenbogenflaggen schmückten. Doch dieses Jahr scheint das abgenommen zu haben.

Beobachter bemerken, dass immer weniger Grossunternehmen sich öffentlich zur LGBTIQ+-Community bekennen. Die Geschäftswelt scheint weniger bunt. Direkt zeigt sich dies etwa bei der Zürcher Prideparade. Die beiden Grosssponsoren Swisscom und Gilead, ein Pharmakonzern, sind ganz beziehungsweise teilweise abgesprungen. Insgesamt fehlen dem Grossanlass 150'000 Franken.

Neuer Gegenwind

Szenekenner haben eine Vermutung, wer dahinterstecken könne: US-Präsident Donald Trump. Seit seinem Amtsantritt macht er Stimmung gegen Diversität in der Arbeitswelt. Diverse Unternehmen, so etwa auch Novartis, strichen auf ihren Websites Bekenntnisse zur Inklusion und Diversität. Andere schafften ihre Ziele gleich ganz ab – auch mit Folgen für die Schweiz.

Andrew und Stefan spüren, dass sich die Unterstützung auch aus der Wirtschaft zurückentwickelt hat.
Andrew und Stefan spüren, dass sich die Unterstützung auch aus der Wirtschaft zurückentwickelt hat.20min/Céline Trachsel

Dieses Phänomen sehen auch Teilnehmende an der Zürich Pride. Das Ehepaar Stefan (55) und Andrew (49) aus Wädenswil ist zwar der Ansicht, dass bei der Bewegung die Luft eindeutig nicht draussen sei. Den Gegenwind bekommen sie aber mit. Stefan meint: «Jetzt erst recht!» Andrew ergänzt: «Gegen den konservativen Rückschritt, der mit Trump Einzug gehalten hat.»

Trump und unsichere Wirtschaftslage

Bezüglich der sinkenden Unterstützung der Unternehmen meint Stefan: «Man sieht jetzt, wer nur Pinkwashing gemacht hat und welche Firmen die Bewegung richtig unterstützt haben.» Als Pinkwashing wird das Vorgehen von Unternehmen bezeichnet, die sich zwar im Juni die Regenbogenflagge aufs Logo setzen, ansonsten aber die LGBTIQ+-Community nicht wirklich unterstützen.

Gegenüber der NZZ sagt Ronny Tschanz vom Verein Zurich Pride ebenfalls, dass Donald Trump ein Klima schaffe, in dem sich Unternehmen Sorgen vor Konsequenzen machen müssen, wenn sie queere Menschen unterstützen. Doch Trump sei nicht der alleinige Faktor, relativiert Tschanz. Aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage gäben die Unternehmen weniger Geld aus.

Unternehmen geben dieses Jahr weniger Geld für die Pride aus.
Unternehmen geben dieses Jahr weniger Geld für die Pride aus.20min/Céline Trachsel

«Gesamtüberprüfung unserer Sponsoring-Engagements»

Auf Anfrage sagt Swisscom, der Entscheid stehe in keinem Zusammenhang mit politischen Aussagen oder Debatten. «Die Entscheidung ist im Rahmen einer Gesamtüberprüfung unserer Sponsoring-Engagements in verschiedenen Partnerschaften erfolgt.»

Swisscom stehe aber weiterhin für die Werte der Pride ein und bleibe weiterhin ein starker Befürworter der LGBTQIA+-Gemeinschaft. Auch seien keine Anpassungen beim Thema Diversity geplant. «Ob wir nächstes Jahr wieder dabei sind, können wir heute nicht sagen, das werden wir prüfen.»

Wie wichtig ist es für dich, dass Unternehmen die LGBTIQ+-Community unterstützen?

Der andere Co-Hauptsponsor Gilead betont gegenüber der NZZ, dass «Exzellenz, Inklusion, Integrität und Teamarbeit» wichtige Werte des Unternehmens seien.

Springen auch die Teilnehmenden ab?

Doch nicht nur bei den Sponsoren scheint es zu hapern, auch auf der Teilnehmerseite soll es Probleme geben. So zeigt etwa ein Tiktok-Video die «Europride» in Lissabon, eine der grössten Pride-Veranstaltungen Europas, fast komplett ausgestorben.

«Pride fatigue is real», schreibt ein User in den Kommentaren. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Das Video sei am Mittag aufgenommen, bevor die Party wirklich losgehe.

An der Zürich Pride ist man geteilter Meinung, was die «Pride Fatigue» angeht. «In meinem Umfeld ist keine Ermüdung spürbar, aber in der Gesellschaft schon», sagt Marlies (54) zu 20 Minuten. Die gesellschaftliche Akzeptanz sei noch immer nicht erreicht, deswegen müsse man weiterhin auf die Strasse gehen.

Pascal (38) und Fabio (39) aus Zürich.
Pascal (38) und Fabio (39) aus Zürich.20min/Céline Trachsel

Anders sieht das Fabio (39): «Viele fühlen sich unterdessen in der Gesellschaft gut integriert und sehen vielleicht den Bedarf gar nicht mehr so, auf die Strasse zu gehen. Wir haben schon so viel erreicht.»

Dem widerspricht Pascal (38): «Man sieht ja, wie wir mit einem riesigen Polizeiaufgebot geschützt werden müssen.» Er ist der Ansicht, dass der Kampf für die Gleichberechtigung noch lange nicht vorbei ist.

Folgst du 20 Minuten Wirtschaft auf Whatsapp?

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Jan Janssen (jjn) arbeitet seit 2023 für 20 Minuten. Zuerst im Ressort Zürich und seit 2025 im Ressort News, Wirtschaft & Videoreportagen.

Yannick Züllig arbeitet seit Frühjahr 2025 als Redaktor im Ressort Bern. Zuvor schrieb er drei Jahre für ein Techmagazin und absolvierte die Journalistenschule MAZ.

Deine Meinung zählt

4220
6
145
Merken