Neue Studie«Für KI brauchts kein Schulfach, aber informierte Lehrer»
Eine neue Studie fordert einen Perspektivwechsel: Nicht die Risiken von KI sollten im Vordergrund stehen – sondern ihr Potenzial. Doch die Meinungen und der Umgang mit KI in der Schule gehen weit auseinander – nicht nur zwischen Lehrern und Schülern.
Darum gehts
- Schüler, Eltern und Lehrpersonen fordern jetzt einen Wandel.
- Drei Viertel der Lehrkräfte erhalten keine Ausbildung in KI, sind aber überzeugt, dass KI-Tools für die berufliche Zukunft ihrer Schüler entscheidend sind.
- Auch in der Schweiz ist KI fester Bestandteil des Schulalltags. Für Lehrpersonen gibt es laut Lehrplan 21 jedoch keine Pflicht, KI im Unterricht zu behandeln.
KI im Bildungswesen sorgt seit längerem für Diskussionen – etwa, wenn sie bei Prüfungen hilft oder Falschinformationen verbreitet, die Jugendliche nur schwer einordnen können. Häufig steht dabei die Sorge im Vordergrund, wie KI zum Schummeln genutzt wird.
Eine neue Studie fordert nun einen Perspektivwechsel: Statt Risiken zu betonen, soll der Fokus darauf liegen, wie Schülerinnen und Schüler KI gezielt und sinnvoll einsetzen können. Eltern, Kinder und Lehrkräfte sind sich einig: Wer künftig bestehen will, muss KI verstehen – und richtig nutzen.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- 91 Prozent der Lehrkräfte sind der Meinung, dass Kinder durch Falschinformationen beeinflusst werden.
- Drei Viertel der Lehrpersonen glauben, dass KI für die berufliche Laufbahn von Schülerinnen und Schülern zentral sein wird.
- 75 Prozent der Lehrkräfte erhalten keine Ausbildung in KI.
- 54 Prozent der Eltern befürchten, dass ihr Kind immer mehr auf KI angewiesen sein könnte.
- 62 Prozent der Eltern fordern neue Formen der Leistungsbewertung.
- Knapp zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler (63 Prozent) glauben, dass Lehrpersonen einen dringenden Bedarf an KI-Schulungen haben.

Braucht es Mathe überhaupt noch?
Vor allem der klassische Unterricht steht zur Diskussion: Fast drei Viertel der Lehrkräfte befürworten simulationsbasierte Prüfungen – also Tests mit realitätsnahen Szenarien statt starrer Wissensabfragen. Damit geraten Fächer wie Mathematik oder Informatik in die Kritik. Inhalte wie der Satz des Pythagoras seien im Alltag kaum mehr relevant – Aufgaben dieser Art löse KI längst schneller und zuverlässiger.
Die Befragung
Mehr als die Hälfte der Eltern (59 Prozent) und Lehrpersonen (51 Prozent) ist überzeugt: Gute Bildung braucht künftig Lehrpersonen, die durch KI-Tools unterstützt werden. Wer Routineaufgaben wie Organisation oder Benotung an KI abgibt, kann sich besser auf die individuelle Förderung konzentrieren.
Doch der Zugang zur Technologie ist laut Studie ungleich verteilt: Privatschulen sind oft besser ausgestattet. Die Studie warnt vor einem Zweiklassensystem. Gleichzeitig gewinnen Soft Skills wie kritisches Denken oder Problemlösungskompetenz an Bedeutung.
Die Lage in der Schweiz
Auch in der Schweiz nutzen viele Jugendliche KI längst im Alltag: Laut einer ZHAW-Studie (Mai 2025) verwenden 53 Prozent der 12- bis 13-Jährigen und 80 Prozent der 16- bis 19-Jährigen entsprechende Tools – meist für Begriffserklärungen oder Lösungswege. Am häufigsten kommt ChatGPT zum Einsatz, aber auch andere Anwendungen holen auf. Der Lehrplan 21 greift das Thema bisher hingegen kaum auf. Schulen entscheiden selbst, ob sie KI unterrichten. Pädagogische Hochschulen wie die PH Zürich oder PH Luzern bieten inzwischen aber gezielte Weiterbildungen an.
Findest du, Mathe soll wegen KI weniger wichtig werden?
Diese Tendenzen werden auch in einer Strassenumfrage von 20 Minuten sichtbar:
«Sicher viermal täglich»: Schüler nutzen Technologie regelmässig
Luc (18) und Estella (18) haben gerade die Matura bestanden – mit KI-Hilfe. «Unsere Noten sind trotzdem repräsentativ», sagt Luc. Denn sie benutzten das Tool vor allem zur Unterstützung. Ganze Aufsätze von ChatGPT? Das falle auf. Zwei Mitschüler mussten deshalb Prüfungen wiederholen – mit schlechterem Resultat. Estella nutzt KI vor allem für Zusammenfassungen, kontrolliert aber kritisch mit Google: «Ich habe schon etwas Angst vor Fake News.»

«Wir gehen jeden Tag auf ChatGPT – sicher viermal», sagt hingegen eine 14-Jährige. Wofür? «Wenn wir Wörter nicht verstehen oder Infos für ein Plakat brauchen.» Die Lehrpersonen wüssten zwar, dass sie KI nutzen, verwendeten sie selbst aber kaum. Die Schüler würden aber auch gar nicht wollen, dass ihre Lehrer KI «checken» – sonst könnten sie es selbst nicht mehr nutzen, sagt ihr 15-jähriger Schulkollege.

Polina nutzt KI vor allem in Mathe: «Wenn’s nicht klappt, fällt es nicht so auf, weil ich eh nicht so gut bin.» Leon betont: «Im Deutschunterricht war KI oft Thema – einige Lehrer gestalten ihren Unterricht damit.» Beide nutzen KI etwa jeden zweiten Tag und sehen grosses Potenzial – bei verantwortungsvollem Einsatz. Leon, auch als Nachhilfelehrer tätig, warnt: «Viele Jüngere sind unkritisch. Sobald man Word nutzt, sollte man auch KI verstehen. Dafür braucht es kein eigenes Schulfach – aber informierte Lehrpersonen.»
Lehrer sind bei KI-Einsatz geteilter Meinung
Zürcherin Lina* (22) arbeitet seit einigen Monaten als Sek-Lehrerin. «Ich bin etwas zu alt, um KI an der PH gelernt zu haben. Aber an den Schulen hatten wir schon interne Weiterbildungen dazu», erzählt sie. Sie selbst nutze KI gerne für die Unterrichtsgestaltung. «Ich lasse mir zum Beispiel Arbeitsblätter oder Bewertungsraster generieren.»

Judith (63) aus Baselland unterrichtet seit über 38 Jahren – und ist kritisch. «Ich will KI aus ethischen Gründen nicht nutzen. Der Stromverbrauch, die Abhängigkeit – das macht mir Sorgen.» Das sei aber eine persönliche Entscheidung, ihrer achten Klasse erlaube sie den bewussten Einsatz von KI im Unterricht und reflektiert mit ihnen den Umgang: «Ich will den Fortschritt nicht verhindern, aber ich will auch nicht, dass meine Schüler denkfaul werden.»
Der pensionierte Lehrer Peter (65) kann die Skepsis nicht verstehen: «Für die Abschlussfeier hat meine Klasse Lieder mit KI-Tools erstellt – das war sehr cool.» Seiner Meinung nach ist KI besonders für Schüler und Schülerinnen mit Lernschwächen eine grosse Chance und Entlastung. «Kinder mit Rechtschreibschwäche können ihre Texte schnell und einfach von KI verbessern lassen und trauen sich so viel mehr zu schreiben.»
* Name geändert
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Josephine Schertenleib (jos) arbeitet seit 2024 für 20 Minuten. Sie ist seit September 2024 Praktikantin im Ressort News & Gesellschaft.
