Ukraine-KriegTrumps Kehrtwende: «Meine Beziehung zu Putin hat nichts bedeutet»
Lange Zeit zeigte sich der US-Präsident überzeugt, dass seine Beziehung zu Putin den russischen Präsidenten zu Friedensverhandlungen bewegen kann. Jetzt erfolgte die Wende – eine Analyse.
Darum gehts
- US-Präsident Trump hat seine Haltung zum Ukraine-Krieg geändert.
- Er ist nun überzeugt, die Ukraine kann alle besetzten Gebiete zurückerobern.
- Er räumt ein, seine Beziehung zu Putin habe «nichts bedeutet».
In seiner Rede vor der UNO-Generalversammlung in New York sprach US-Präsident Trump vor allem über Migration und Energie und führte dabei auch die Schweiz als Negativ-Beispiel an. Hinsichtlich des Ukraine-Krieges kritisierte er lediglich mehrere Länder dafür, weiter Gas und Öl von Russland zu kaufen. Überraschend konkret wurde Trump erst später gegenüber Reportern und in seinem Online-Dienst Truth Social:

«Ich denke, dass die Ukraine mit der Unterstützung der Europäischen Union in der Lage sein wird, die gesamte Ukraine ihn ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen», schrieb Trump in seinem Post. Das würde nicht nur die seit Februar 2022 verlorenen Gebiete umfassen, sondern auch die Krim-Halbinsel, die seit 2014 in russischer Hand ist. Bislang vertrat Trump stets die Haltung, dass die Ukraine zwingend Gebiete an Russland abtreten müsse.
Vom Diktator zum respektierten Anführer
Vor dem Truth-Social-Post sagte er gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, dass er grossen Respekt vor dem Kampf des ukrainischen Volkes habe – «das ist wirklich beeindruckend», so Trump in New York. Das sind ganz andere Töne als beim Treffen im Februar: Damals beschuldigte Trump Selenski noch, mit dem Fortführen des Krieges «Millionen von Leben» zu riskieren, und bezeichnete den ukrainischen Präsidenten unter anderem als Diktator.
Angesichts der Kehrtwende zeigte sich Selenski angenehm überrascht: «Mister President versteht die Situation genau und ist über alle Aspekte dieses Krieges gut informiert», schrieb Selenski in der Nacht auf Mittwoch auf der Plattform X. «Wir schätzen seine Entschlossenheit sehr, zur Beendigung dieses Krieges beizutragen.» Er sei Trump für die starke Zusammenarbeit dankbar.
Trump sieht in Russlands Scheitern auf dem Schlachtfeld auch den Beweis dafür, dass es sich bei der Kreml-Armee um einen «Papiertiger» handle, der ohne klare Ziele kämpfe. «Wenn sie wirklich eine starke Armee hätten, hätten sie die Ukraine in weniger als einer Woche besiegt», schrieb er in seinem Post.
Moskau weist Vorwürfe zurück
Diese Anschuldigung und Trumps Optimismus, dass die Ukraine mit der Hilfe Europas alle Gebiete zurückerobern könnte, stösst in Moskau wenig überraschend nicht auf Begeisterung: «Die Idee, dass die Ukraine etwas zurückerobern kann, ist aus unserer Sicht falsch», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau.
Moskau habe «keine Alternative», als seine 2022 begonnene Militäroffensive in der Ukraine fortzusetzen, sagte Peskow dem russischen Sender RBC am Morgen. Die Offensive werde fortgesetzt, um «unsere Interessen zu wahren und die Ziele zu erreichen», die Kreml-Chef Wladimir Putin festgelegt habe.
Trump: «Beziehung zu Putin hat nichts bedeutet»
Auch Trumps Friedensbemühungen hatten laut Peskow bislang ein «Ergebnis nahe null» produziert. «Dieser Prozess verläuft schleppend, sehr schleppend», sagte Peskow mit Blick auf die diplomatischen Bemühungen der vergangenen Monate. Trump hatte nach eigenen Aussagen lange Zeit den Eindruck, dass der Ukraine-Krieg der am einfachsten zu schlichtende Konflikt sei und er diesen dank seiner Beziehung zu Putin innert 24 Stunden beilegen könne – «[diese Beziehung] hat leider nichts bedeutet», sagte Trump am Dienstag in New York überraschend selbstkritisch.
Peskow wies auch die von Trump geäusserte Ansicht scharf zurück, dass Russland nur ein «Papiertiger» und wirtschaftlich in Not sei. «Russland wird eher mit einem Bären assoziiert. Und Papierbären gibt es nicht. Russland ist ein echter Bär», so der Kreml-Sprecher. Um sich gegen die andauernden Kriegshandlungen und vermuteten Sabotage-Akte dieses «Bären» zu wehren, hat der US-Präsident in seinem Post auch dem Nato-Verteidigungsbündnis den Rücken gestärkt: Man werde weiterhin Waffen liefern, «damit die Nato machen kann, was sie will». Trump sprach sich zudem explizit dafür aus, dass russische Kampfjets und Drohnen abgeschossen werden sollen, wenn sie den Nato-Luftraum verletzten.
Mit Material der AFP
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Benedikt Hollenstein (bho) ist seit 2021 bei 20 Minuten. Er schreibt für den Newsdesk und übernimmt dort auch Tagesleitungsschichten.
