Naher Osten«Donald Trumps Plan sieht keinen Weg zu echtem Frieden vor»
Der Friedensplan des US-Präsidenten für den Nahen Osten stösst auf vorsichtige Zustimmung. Der Weg zu einem langfristigen Frieden ist aber noch lang und steinig, sagt Nahost-Expertin Bente Scheller.
Darum gehts
- Der Friedensplan für den Nahen Osten von US-Präsident Donald Trump stösst sowohl bei der Hamas als auch in Israel auf verhaltene Zustimmung.
- Die ersten Reaktionen machen Hoffnung auf Frieden.
- Zentrale Details fehlen in Trumps Plan aber, sagt Bente Scheller, Nahost-Expertin der Heinrich-Böll-Stiftung.
20 Punkte umfasst der neueste Plan des US-Präsidenten Donald Trump für Frieden im Nahen Osten. Die Nachricht, die Hamas stimme der Freilassung aller Geiseln zu, nährt die Hoffnung auf Frieden in der Region. Ob das tatsächlich gelingen kann, erklärt Bente Scheller, Nahost-Expertin der Heinrich-Böll-Stiftung.
Frau Scheller, bringt Donald Trump wirklich Frieden im Nahen Osten?
Dahin ist es noch ein langer Weg. Die Stärken und Schwächen von Trumps Plan sind eng miteinander verknüpft. Der Plan ist sehr schlicht, die 20 Punkte sind eingängig. Das ist eine Stärke und gleichzeitig eine Schwäche: Bei einem so komplexen Konflikt in einer derart verfahrenen Lage, wie wohl noch nie zuvor in der Geschichte, braucht es mehr als grobe Federstriche. Es braucht die Liebe zum Detail.
«Die Palästinenser kommen in Trumps Plan nur als Verhandlungsmasse vor.»
Wo fehlt diese?
Trump hat das Heft in die Hand genommen hat und ist vorgeprescht, obwohl bereits die «New Yorker Erklärung» aus saudisch-französischer Initiative als umfassenderer Plan auf dem Tisch lag. Ein Vorteil davon mag sein, dass Trump Druck auf beide Konfliktparteien ausüben kann. Aber die New Yorker Initiative war in zentralen Punkten klarer, gerade bei der palästinensischen Selbstbestimmung und den politischen Rechten der Palästinenser. Die kommen in Trumps Plan überhaupt nicht als eigenständige Akteure, sondern nur als Verhandlungsmasse vor.
Zur Person: Bente Scheller

Trotzdem haben beide Parteien vorsichtig zugestimmt.
Das ist tatsächlich ein erster wichtiger Schritt. Gerade das Geiselthema beschäftigt die Angehörigen und in allererster Linie natürlich die Geiseln selber sehr und beeinflusst auch das politische Geschehen in Israel. Netanyahu steht hier massiv unter Druck, Tausende sind immer wieder auf die Strasse gegangen und haben darauf gedrängt, dass er sich dieses Themas annimmt. Ein Durchbruch in diesem Punkt könnte ihn innenpolitisch entlasten.
«Die Hamas kann die Entwaffnung nicht einfach schlucken.»
Warum zögert die Hamas?
Weil es an ihre eigene Substanz geht. Die Hamas wird wohl versuchen, nachzuverhandeln, weil sie viele Punkte nicht einfach schlucken kann. Besonders die geforderte Entwaffnung ist schwer zu akzeptieren, weil das die Hamas ausmacht. Gleichzeitig weiss die Hamas, dass andere arabische Staaten die Bewaffnung nicht mehr mittragen. Entsprechend wird die Hamas um ihre politische Zukunft verhandeln wollen, wobei hier Israel seinerseits nicht zu Zugeständnissen bereit ist, was angesichts der Massaker vom 7. Oktober ebenfalls verständlich ist. Einen substanziellen politischen Ausweg bietet der Plan somit nicht.

Wo konkret könnte der Plan scheitern?
Es gibt viele Hürden. Schon Anfang des Jahres preschte Trump vor und schaffte es, einen Plan zu verhandeln, der vorsah, alle Geiseln und alle sterblichen Überreste zurückzugeben. Das scheiterte daran, dass Israel nicht von Phase 1 in Phase 2 überging, der Plan entgleiste. Das droht hier wieder, gerade, wenn wir uns vor Augen halten, dass Netanyahu den Druck seiner rechten Minister verspürt. Die wollen keinen Rückzug aus dem Gazastreifen. Netanyahu hat auf einem Telegram-Channel auch bereits verkündet, dass der Plan beinhalte, dass die Geiseln nach Hause kommen können, gleichzeitig die israelische Armee aber im Gazastreifen präsent bleibt. Das widerspricht dem Sinn und Wortlaut des Plans. Auch auf israelischer Seite gibt es also Zweifel, ob die Regierung sich an alle Punkte halten will.
«Trumps Vertrauen ist erschüttert, weil er mehrfach von Israel düpiert wurde.»
Wie steht es um das Vertrauen zwischen den Parteien?
Das Vertrauen zwischen der Hamas und Israel könnte nicht geringer sein. Dass die USA und die Hamas keine Verhandlungspartner sind, die sich über den Weg trauen, ist auch klar. Aber auch zwischen den USA und Israel haben wir Probleme gesehen. Früher zogen Israel und Washington meist am gleichen Strang. Heute ist das anders: Trumps Vertrauen in Israel ist erschüttert, weil er sich mehrfach öffentlich engagiert hat und dann von Israel düpiert wurde, etwa, als die Waffenruhe Anfang Jahr scheiterte. Oder als er die Hamas drängte, seinen vorherigen Plan zu akzeptieren, und Israel die Hamas-Unterhändler dann bombardierte.

Und Netanyahu?
Er bezeichnet Trump mal als «besten Freund Israels im Weissen Haus» und versucht dann wieder, die US-Friedensbemühungen zu torpedieren. Dieses schwankende Verhältnis schafft zusätzliche Unsicherheit.
Glaubst du, dass Trumps Plan Frieden bringt im Nahen Osten?
Wie sieht Palästina aus, wenn der Plan Erfolg hat?
Das ist die schwierigste Frage. Einerseits haben wir den Vorstoss vieler westlicher Staaten gesehen, Palästina als Staat anzuerkennen. Gleichzeitig sehen wir in der Realität, dass immer weniger von Palästina übrigbleibt. Der Trump-Plan spricht nicht von Palästina als solchem, sondern sieht unterschiedliche Regierungsmodelle vor: Das Westjordanland bleibt im Prinzip so regiert wie bisher, Gaza hingegen soll von einem international geprägten Konsortium verwaltet werden, mit Figuren wie dem früheren britischen Premier Tony Blair, unter Trumps Oberaufsicht. Palästinensische Politiker sucht man vergebens. Das wirkt neokolonial und wirft die Frage auf, wie und wann überhaupt eine Übergabe in palästinensische Hände stattfinden soll und wie die politische Brücke zwischen Gaza und Westjordanland geschlagen werden kann.

Die israelischen Vorstösse im Westjordanland sind damit auch nicht vom Tisch.
Nein, die israelische Besatzung schreitet dort weiter voran. Trump hat zwar gesagt, er werde eine Besetzung und Annexion nicht akzeptieren, aber die Besatzung ist ein Fakt. Im Schatten des Gazakriegs haben Siedlungsaktivitäten und Gewalt von Siedlern zugenommen. Medial kaum beachtet, aber besonders folgenreich ist der jüngste Beschluss zur Bebauung des sogenannten E1-Gebiets. Es schneidet Ost-Jerusalem vom Rest des Westjordanlands ab und verhindert somit, dass es künftig eine palästinensische Hauptstadt sein könnte, und treibt eine Art Keil zwischen Nord- und Südwestjordanland. Es ist also überhaupt nicht abzusehen, wie ein einheitlicher, souveräner palästinensischer Staat territorial aussehen soll.
Was bedeutet der Plan also für Palästina?
Für die Menschen in Gaza könnte er kurzfristig ein Aufatmen bedeuten, wenn denn tatsächlich umfassende humanitäre Hilfe geliefert wird, was dringend nötig ist. Das wäre eine positive Wende. Doch politisch bietet er keine Perspektive. Weder eine juristische Aufarbeitung der massiven Menschenrechtsverletzungen noch ein Konzept für echte Selbstbestimmung sind vorgesehen.
Wie findest du den neuen Look?
Daniel Graf (dgr) arbeitet seit 2020 für 20 Minuten. Er ist Leiter des Ressorts News, Wirtschaft & Videoreportagen und seit September 2023 Mitglied der Redaktionsleitung.
