AnalysePolitologin zu Erbschaftssteuer: «Thema dürfte verbrannt sein»
Die Resultate zeigen eine klare Ablehnung zur Service-Citoyen-Initiative und zur Erbschaftssteuer-Initiative. Politologin Corina Schena ordnet ein.
Darum gehts
- Am Sonntag stimmte die Schweiz über die Service-Citoyen-Initiative und die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso.
- Beide Vorlagen wurden klar abgelehnt.
- Die Service-Citoyen-Initiative fordert einen Bürgerdienst für Männer und Frauen.
- Die «Initiative für eine Zukunft» der Juso fordert eine Steuer von 50 Prozent auf Erbschaften ab 50 Millionen.
- Politologin Corina Schena analysiert die Resultate für 20 Minuten.
Die Resultate zum Abstimmungssonntag sind deutlich: Die Service-Citoyen-Initiative wird mit 84 Prozent und die Erbschaftssteuer-Initiative mit 78 Prozent abgelehnt.
Politologin Corina Schena von gfs.bern ordnet die Resultate rundum den Abstimmungssonntag für 20 Minuten ein: «Schon kurz nach 12 Uhr zeigte sich: Die Initiativen sind komplett durchgefallen», betonte sie. Wie es zu diesen happigen Abstimmungsniederlagen kommen konnte und was diese nun bedeuten, erklärt Schena im Interview.
Zur Expertin
Frau Schena, die Service-Citoyen-Initiative und die Erbschaftssteuer-Initiative wurden deutlich abgelehnt. War das zu erwarten?
Es war erwartbar, dass die Initiativen scheitern werden. Bei der Erbschaftssteuer-Initiative handelte es sich um eine Aussenseiter-Initiative und bei der Service-Citoyen-Initiative fehlte eine breite Basis, die die Vorlage unterstützte. Die Ablehnung beim Bürgerdienst war aber doch sehr hoch: In den letzten 25 Jahren hatte sie die zweitniedrigsten Zustimmungswerte. Überraschend ist das schon. Noch bei den ersten Abstimmungsumfragen war eine Mehrheit für die Vorlage – doch dann ist sie abgestürzt.
Weshalb stürzte der Bürgerdienst ab?
Die Idee einer Dienstpflicht für alle ist zu Beginn bei linken Kräften vorerst eigentlich noch gut angekommen, doch beim Gleichstellungspunkt hat es immer mehr Kritik gegeben. So sei die Gleichstellung noch nicht erreicht, weshalb ein Dienst für Frauen zu früh komme. Schliesslich ergriffen sowohl linke als auch rechte Parteien die Nein-Parole, was die Ablehnung stark in die Höhe getrieben haben dürfte.
Sie sind überrascht, dass rund 43 Prozent der Stimmbevölkerung an die Urne ging. Warum?
Ich finde es überraschend, dass doch relativ viele Personen an die Urne gingen. Der Ausgang wurde im Vorfeld bereits als klar betrachtet, weshalb man mit einer tieferen Wahlbeteiligung rechnete.
Weshalb haben die Abstimmungen das Volk so bewegt?
Die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso dürfte die Zahlen in die Höhe getrieben haben: Die Jungpartei hat es geschafft, ihr Anliegen seit über einem Jahr stetig in die Medien zu bringen. Das Interview, in dem der Stadler-Verwaltungsrat Peter Spuhler ankündigte, die Schweiz zu verlassen, erschien bereits 2024. Spuhler hat so als Gesicht der Gegner sicher viel dazu beigetragen, dass viele Menschen an die Urne gingen. Auch die 3,7 Millionen Franken für den Wahlkampf des Nein-Komitees können zusätzlich dafür gesorgt haben, dass die Beteiligung so hoch und das Nein so deutlich war.
Regionale Gräben zeichnen Abstimmungen, heute blieben diese grösstenteils aus. Wieso?
Bei der Erbschaftssteuer-Initiative war die Zustimmung in der Westschweiz minimal höher als in der Deutschschweiz. Das ist aber vernachlässigbar – im Schnitt war die Initiative flächenübergreifend zu radikal. Bei der Service-Citoyen-Initiative fehlten die regionalen Gräben ganz: Weil die Gründe für eine Ablehnung so vielschichtig waren, überschattete das mögliche Graben. So ist ganz konkret der Röstigraben oder der Stadt-Land-Graben im Kern ein Links-Rechts-Graben. Weil bei der Service-Citoyen-Initiative jedoch beide Seiten Gründe für ein Nein hatten, wurden keine Gräben sichtbar.
Erreichte die Juso die linke Basis nicht?
Hätte das linksgrüne Lager geschlossen für die Erbschaftssteuer-Initiative gestimmt, müsste die Zustimmung deutlich höher liegen – die Initiative scheint nicht ein Mal im linken Lager mehrheitsfähig zu sein. Nicht die Erbschaftssteuer an sich, sondern die radikale Forderung der Initiative hat dazu geführt: Schliesslich dürften negative wirtschaftliche Folgen der Initiative selbst Teile des linken Lagers abgeschreckt haben, die Vorlage zu unterstützen.
Ist eine Erbschaftssteuer also vom Tisch?
Die deutliche Ablehnung ist deftig – das Thema dürfte verbrannt sein. Empfindlich dürfte die Vorlage zudem sein, weil sie im Vergleich zur vorherigen Vorlage für eine Erbschaftssteuer im Jahr 2015 ein noch tiefere Zustimmung erfuhr. Durch die zweimalige Abstimmung konnte sich das Nein-Lager nun sehr gut positionieren und mit den Familienunternehmen ein gutes Argument finden, um die breite Bevölkerung zu überzeugen, dass eine Erbschaftssteuer keine gute Idee ist.
«Politisch blieb der Vorstoss im Parlament aber wirkungslos»
Was bedeutet die Niederlage für die Juso?
Nur schon, dass die Initiative zustande gekommen ist, ist für die Juso ein Erfolg: Sie haben es geschafft, dass man die Besteuerung der Superreichen diskutiert. Politisch blieb der Vorstoss im Parlament aber wirkungslos. So ist man daran gescheitert, einen Gegenvorschlag oder Gesetzesänderungen zu erzwingen.
Und: Wie geht es weiter mit den Frauen und dem Militär?
Der Bundesrat will die Armee reformieren und den Bestand besser sichern, den Wechsel in den Zivildienst erschweren und einen obligatorischen Orientierungstag für Frauen einführen. Mit dieser Abstimmung von heute ist aber klar, dass eine Dienstpflicht für Frauen künftig keine Option sein kann.
Nationale Abstimmung
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Bode Obwegeser (bod) ist Praktikant im Ressort Politik. Dabei darf der Politikstudent die Schweizer Politik hautnah erleben.
