SRG reduziert Stellen: Taktik oder Notwendigkeit vor der Abstimmung?

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«Halbierungsinitiative»900 Stellen weg: Ist der SRG-Sparhammer Polit-Taktik?

Die SRG kündigte an, 900 Stellen bis 2029 zu streichen. Diese Information kommt nur wenige Monate vor der Abstimmung über die SRG-Initiative. Steckt dahinter Kalkül? Zwei Experten ordnen ein.

Darum gehts

  • Die SRG teilte am Montag mit, bis 2029 900 Stellen abzubauen.
  • Die Meldung kommt wenige Monate vor der Abstimmung über die SRG-Initiative.
  • Kritiker vermuten dahinter politische Taktik.
  • Experten vermuten, das Timing könnte der SRG nützen.
  • Die SRG bestreitet eine taktische Absicht und begründet den Schritt mit den Sparzwängen.

Die SRG muss sparen – und wird deshalb in den nächsten vier Jahren 900 Vollzeitstellen abbauen. Die Sparmassnahmen führt die SRG insbesondere auf den Bundesratsentscheid vom Sommer 2024, die Serafe-Gebühr von 335 auf 300 Franken zu senken, zurück.

Doch der SRG drohen weitere Einschnitte: Die SRG-Initiative, welche die Serafe-Gebühr um weitere 100 Franken senken will, kommt am 8. März zur Abstimmung. Das sorgt dafür, dass Teile der 20-Minuten-Community die am Montag verkündeten Sparmassnahmen der SRG hinterfragen: Sie wittern politisches Kalkül.

«Eindruck, dass die SRG Informationen taktisch einsetzt»

So schreibt etwa User «miri198802»: «Hat die SRG den Pfeffer gerochen, dass bei der nächsten Abstimmung die Serafe-Gebühr reduziert wird und die Damen und Herren im Leutschenbach nicht mehr walten und verwalten können, wie sie wollen.»

User «Sascha44b» ahnt Ähnliches: «Ich habe zunehmend den Eindruck, dass die SRG Informationen taktisch einsetzt. Dass solche Meldungen kurz vor den Abstimmungen erscheinen, scheint kein Zufall zu sein. Alles Abstimmungstaktik»

Aber steckt wirklich Taktik dahinter? Und hilft der Zeitpunkt der Ankündigung von Sparmassnahmen der SRG wirklich im Abstimmungskampf? Dazu zwei Experten.

«Timing kommt der SRG wohl ganz gelegen»

Für ganz zufällig hält auch Politologe Thomas Milic den Zeitpunkt der öffentlichen Information nicht. «Das Timing kommt der SRG wohl ganz gelegen», sagt er. Ob tatsächlich eine Taktik dahinter stecke, könne man jedoch von aussen nicht beurteilen. «Was wir aber wissen: Schon im Vorfeld der gescheiterten No-Billag-Abstimmung 2018 wurde die Serafe-Gebühr gesenkt, was zu Sparmassnahmen führte. Man kann also ein gewisses Muster erkennen», so Milic.

«Werden Volksbegehren gute Chancen eingeräumt, dann muss etwas unternommen werden», erklärt Politologe Thomas Milic.
«Werden Volksbegehren gute Chancen eingeräumt, dann muss etwas unternommen werden», erklärt Politologe Thomas Milic.20min/Celia Nogler

Dieses Vorgehen beobachte man häufig bei Volksinitiativen: Direkt oder indirekt werde schon im Vorfeld mittels Gesetzesänderungen versucht, der Volksinitiative Wind aus den Segeln zu nehmen. «Das gehört zur Politik: Werden Volksbegehren gute Chancen eingeräumt, dann muss etwas unternommen werden», erklärt der Politologe. Das sei mit dem Gegenvorschlag von Medienminister Albert Rösti – der Senkung der Gebühren auf 300 Franken – geschehen.

Das sagt die SRG zum Kalkül-Vorwurf

Die SRG bestreitet, dass aus taktischen Gründen über den Stellenabbau informiert wurde. «Der Zeitpunkt der Ankündigung ergibt sich daraus, dass sich die finanziellen Rahmenbedingungen der SRG unabhängig vom Ausgang der Abstimmung verändern», sagt Sprecherin Gianna Blum. Sie betont: «Die SRG kann hier keine Zeit verlieren.» Bis 2029 müssten rund 270 Millionen Franken eingespart werden, unter anderem aufgrund der Senkung der Medienabgabe auf 300 Franken.
Der erste Schritt der Serafe-Senkung erfolge bereits per Januar 2027. Deshalb müsse die SRG bereits bis dahin 125 Millionen Franken einsparen. «Es ist unser Anspruch, die Mitarbeitenden laufend und so transparent wie möglich zu informieren. Die SRG kommuniziert in der Regel dann, wenn Geschäftsleitung und Verwaltungsrat wichtige Entscheide definitiv gefällt haben», so Blum.

Entscheidender Ausschlag bei knapper Abstimmung?

Ähnlich sieht das auch Marcel Schuler, Gründer und Geschäftsführer der Firma Campaigneers, die politische Kampagnen entwickelt und begleitet. «Zu sagen, dass dahinter klare Taktik steckt, wäre eine Unterstellung. Aber: Für mich als Campaigner ist es immer einfacher, wenn wir im Abstimmungskampf zeigen können: ‹Schaut, es passiert ja schon etwas›.» Gerade, wenn es knapp werde – wovon man bei der Abstimmung zur SRG-Initiative ausgehen könne – könnten solche strategischen Schritte den entscheidenden Ausschlag geben.

«Für mich als Campaigner ist es immer einfacher, wenn wir im Abstimmungskampf zeigen können: ‹Schaut, es passiert ja schon etwas›», sagt Marcel Schuler, Gründer und Geschäftsleiter von Campaigneers.
«Für mich als Campaigner ist es immer einfacher, wenn wir im Abstimmungskampf zeigen können: ‹Schaut, es passiert ja schon etwas›», sagt Marcel Schuler, Gründer und Geschäftsleiter von Campaigneers.Campaigneers

Wie Milic verweist auch Schuler auf den gängigen Prozess, dass bei Volksinitiativen häufig bereits im Vorfeld politisch Bewegung in die Sache kommt. «Oftmals werden gar Initiativen lanciert, bei denen nicht der Abstimmungserfolg im Zentrum steht – sondern die politische Debatte», erklärt Schuler und nennt die Konzernverantwortungsinitiative als Beispiel. Hier habe das Parlament ein Ja an der Urne befürchtet, und deshalb einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der nun umgesetzt wird. «Volksinitiativen zeigen eigentlich, dass ein Thema die Bevölkerung bewegt. Sie erzeugen Druck, weshalb die Politik aktiv werden muss – und führen damit oftmals schon vor der Abstimmung zum Ziel.»

Christina Pirskanen (pir) arbeitet seit 2022 für 20 Minuten. Sie ist seit Januar 2024 Redaktorin in den Ressorts Politik sowie News und Gesellschaft.

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