Exklusive UmfrageKritik an SBB: Zwei Drittel lehnen Mega-Auftrag an Siemens ab
Die SBB vergibt einen Milliarden-Auftrag an Siemens – und nicht an die Schweizer Firma Stadler Rail. Das kommt in der Bevölkerung gemäss Umfrage nicht gut an. Auch politisch gibt es zu reden.
Darum gehts
- Die SBB vergab einen Milliardenauftrag für Züge an Siemens.
- Die Schweizer Firma Stadler Rail erhielt den Zuschlag nicht.
- Zwei Drittel der Bevölkerung lehnen den Entscheid der SBB ab.
- Die SBB begründet die Vergabe mit dem besten Angebot und dem Gesetz.
116 Doppelstockzüge für Zürich und die Westschweiz: Die SBB hatte kürzlich einen Mega-Auftrag in der Höhe von rund zwei Milliarden Franken zu vergeben. Den Zuschlag erhielt am Ende Siemens – und nicht der Schweizer Zugbauer Stadler Rail von Peter Spuhler.
Der Entscheid sorgte für heftige Kontroversen und ein Verfahren: Stadler hat beim Bundesverwaltungsgericht Rekurs eingelegt. Die SBB begründete den Entscheid damit, dass die Vergabe streng nach den rechtlichen Vorgaben abgelaufen sei und Siemens das klar vorteilhafteste Angebot gemacht habe.
Mehrheit gegen SBB-Entscheid – Stadler Rail schweigt
Im Rahmen der Nachabstimmungsbefragung hat die Firma Leewas im Auftrag von 20 Minuten und Tamedia die Bevölkerung gefragt, ob sie die Vergabe nach Deutschland begrüsse. Das Resultat ist klar: 65 Prozent unterstützen diese nicht.

Die Ablehnung des Entscheids zieht sich durch alle Lager, wobei sie auf linker Seite weniger ausgeprägt ist. Am unzufriedensten ist die Anhängerschaft der SVP, deren Alt-Nationalrat Peter Spuhler an der Spitze von Stadler steht.
Stadler Rail will sich aufgrund des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zur Umfrage äussern. Siemens sagt, man habe ein «sehr attraktives und wettbewerbsfähiges Angebot eingereicht». Der Doppelstockzug sei bestens auf die Bedürfnisse von Ballungszentren der Zukunft ausgerichtet und biete viel Komfort.
Das sagt die SBB zur Umfrage
Ausserdem beschäftige man knapp 6000 Mitarbeitende in der Schweiz und habe im vergangenen Geschäftsjahr Produkte und Dienstleistungen im Wert von mehr als 550 Millionen Franken bei über 1900 Schweizer Unternehmen eingekauft.
Mitte-Pfister: «SBB-Führung muss politische Verantwortung wahrnehmen»
Politisch gibt die Umfrage aber zu reden. Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister sprach von einem Fehlentscheid und fragte rhetorisch: «Wie dumm muss man sein, um ein Schweizer Vorzeigeunternehmen wie Stadler wegen minimaler Preisdifferenz nicht zu beauftragen?»

Auf Anfrage sagt Pfister nun: «Grundsätzlich sollte man die Regeln solcher Vergaben nicht ändern, denn sie lassen genügend Spielraum, den man aber auch nutzen muss als Unternehmen, das mit Steuergeldern und Kundengeldern finanziert ist.»
Die Führung der SBB müsse die politische Verantwortung wahrnehmen, die sie für die Steuergelder und die Schweiz hat. «Auch und gerade ein Unternehmen wie die SBB unterscheidet sich von einem privaten Unternehmen darin, dass sie auf die Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Politik angewiesen ist», so der Zuger Politiker.
SVP: «Gerichte prüfen, ob Spielregeln eingehalten wurden»
SP-Verkehrspolitiker David Roth meint: «Wir müssen sicherstellen, dass der Bund und die Bundesbetriebe die ökologischen und sozialen Spielräume bei Ausschreibungen ausschöpfen, um Arbeitsplätze zu sichern.» Dies müsse aber innerhalb von internationalen Beschaffungsregeln bleiben. «Weil wenn wir diese aussetzen, dann schaden wir der Schweizer Exportindustrie insgesamt», so der Luzerner.

Spuhlers Parteikollege Christian Imark sagt: «Ich verstehe den Unmut und ich war selbst auch enttäuscht über die Vergabe.» Leider sei es aber keine politische Frage, sondern eine beschaffungsrechtliche, so der SVP-Nationalrat.
Wie wichtig ist es dir, dass öffentliche Aufträge in der Schweiz an Schweizer Firmen gehen?
«Die Frage lautet, ob die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen korrekt eingehalten wurden oder nicht», so der Solothurner. Das würden nun Gerichte und auch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) prüfen. Tatsächlich dürfte die Auftragsvergabe also auf mehreren Schauplätzen ein Nachspiel haben.
Christof Vuille (vuc) leitet seit 2023 das Ressort Politik und ist Mitglied der Redaktionsleitung. Er berichtet für 20 Minuten nah am Puls der Bundespolitik.
