Und er wusste doch irgendwie Bescheid

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Merkel abgehört?Und er wusste doch irgendwie Bescheid

«Wir hören nicht mit und werden auch nicht mithören», so Barack Obama. Das stimmt wohl. Dass die NSA bis gerade eben noch Staatschefs wie Angela Merkel abhörte, verschwieg er tunlichst.

von
gux

Die USA hören und lesen mit, auch bei den 35 Handys von internationalen Spitzenpolitikern wie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das hat das Weisse Haus vor dem Hintergrund interner Untersuchungen über geheimdienstliche Abhörpraktiken jetzt einräumen müssen. Es reagierte damit auf einen Bericht des «Wall Street Journal» (WSJ) vom Sonntagabend (Ortszeit).

Präsident Barack Obama hat demnach im Sommer von Spähaktionen gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und andere führende internationale Spitzenpolitiker erfahren. Als das Weisse Haus von den Aktionen des Geheimdienstes NSA erfahren habe, seien diese eingestellt worden, so das «WSJ».

«WSJ»: Obama wusste fünf Jahre nichts

Offenbar seien eingie der Abhöraktionen bereits eingestellt worden, andere hingegen liefen noch. Der Präsident, so das WSJ» habe fast fünf Jahre nichts von den laufendenden Überwachungen gewusst. Der Grund: Die schiere Menge an parallel laufenden Lauschangriffen machten es praktisch unmöglich, den Präsidenten über alle zu informieren.

Regierungsvertreter präzisierten: Der Staatschef bestimme zwar die Richtlinien der Informationsbeschaffung, doch es seien andere Stellen (etwa die NSA), die spezifische Abhörziele bestimmten.

Überwachungskapazitäten überprüfen

Vor diesem Hintergund macht Obamas vorsichtige Wortwahl Sinn: Als Bundeskanzlerin Merkel den US-Präsidenten in der Handy-Abhöraffäre letzte Woche zur Rede stellte, teilte das Weisse Haus mit: «Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden.» Dass Merkels Handy wohl von 2002 bis in diesen Sommer hinein abgehört wurde, verschwieg er tunlichst.

Auch jetzt übt sich Washington in Zurückhaltung – und demonstriert Schadensbegrenzung: Die heutige Welt sei technisch stark miteinander verbunden, der Fluss von grossen Datenmengen bisher einzigartig, hiess es aus dem Nationalen Sicherheitsrat. «Aus diesem Grund hat der Präsident uns angewiesen, unsere Überwachungskapazitäten zu überprüfen, so auch bezüglich unserer engsten ausländischen Partner und Verbündeten.»

Sicherheitsdenken gerecht werden

Die Untersuchung unter Führung des Weissen Hauses dauere an. Sie ziele darauf ab, «zu überprüfen, wie wir Informationen sammeln, die angemessen den Sicherheitsbedenken unserer Bürger und Verbündeten gerecht werden und den von uns allen geteilten Bedenken hinsichtlich dem Schutz der Privatsphäre».

Ausserdem solle sichergestellt werden, «dass unsere nationalen geheimdienstlichen Ressourcen möglichst wirkungsvoll unsere aussen- und sicherheitspolitischen Ziele unterstützen».

Geheim-Einheit im Berliner Regierungsviertel

Nichts wissen oder ein bisschen etwas wissen – Deutschland will es genau wissen: Gemäss «Spiegel Online» macht sich jetzt eine Delegation nach Washington auf, um mehr Licht in diesen Skandal zu bringen.

Zudem will Deutschland mit Brasilien eine UNO-Resolution erarbeiten, um Datenschutzverletzungen zu verurteilen.

Gemäss «Spiegel»-Recherchen hört die NSA seit über zehn Jahren bei Angela Merkel mit. Die Dokumente von Whistleblower Edward Snowden legen nahe, dass in der diplomatischen Vertretung eine Geheim-Einheit von NSA und CIA sitzt. Diese Geheim-Einheit überwacht demnach die mobile Kommunikation im Berliner Regierungsviertel.

Ähnliche Einrichtungen der gemeinsamen Einheit von CIA und NSA - Ende der 1970er Jahre gegründet - gab es laut einer geheimen Übersicht aus dem Jahr 2010 an rund 80 Standorten weltweit. Davon lagen nach Angaben des «Spiegel» allein 19 in europäischen Städten, etwa in Paris, Madrid, Rom, Prag und Genf. (gux/sda)

Auch in Spanien und Italien Millionen Telefonate abgehört

Der US-Geheimdienst NSA soll auch in Spanien und in Italien millionenfach Telefonate überwacht haben. Ein internes Dokument zeige, dass in einem einzigen Monat in Spanien mehr als 60 Millionen Verbindungen ausgespäht worden seien, meldete die Zeitung «El Mundo» am Montag. Damit gehen die Enthüllungen auf Grundlage von Informationen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden weiter, die seit Monaten für Empörung und diplomatische Verstimmung zwischen den USA und ihren Verbündeten sorgen. Vor einer Woche hatte «Le Monde» in Paris ganz ähnliche Informationen veröffentlicht: Demnach sollen in einem Monat rund 70 Millionen französische Telefonate von der NSA überwacht worden sein. Beide Medien beriefen sich auf Snowdens Informationen. Laut «El Mundo» geht es in Spanien - wie auch in Frankreich - um den Zeitraum vom 10. Dezember 2012 bis zum 8. Januar 2013. Die NSA soll die Verbindungsdaten, nicht aber den Inhalt der Gespräche registriert haben. In dem Bericht zu Frankreich hatte es hingegen geheissen, Gespräche seien automatisch aufgenommen worden, sobald bestimmte Schlüsselbegriffe fielen. Laut Medienberichten soll der US-Geheimdienst NSA rund 46 Millionen Telefongespräche in Italien erfasst haben.

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